Tagebuch­eintrag: GT, Nr. 684
⟨5.–6. März 1779⟩, Freitag─Samstag, Apolda

Apolda. Amts rath. Strumpfw. liegen an 100 Stühle still seit der neujahrs messe. Manuf. Coll. hilft nichts – 1 Armer Anfang solcher Leute leben aus der Hand in Mund Der Vorleger hängt ihnen erst den Stuhl auf, heurathen leicht. Sonst gaben die Verleger die gesponnene Wolle dem Fabrikanten ietzt muss sie der Fabrikant spinnen oder Spinnen lassen 2 und das Gewicht an 3 Strümpfen liefern. Verlust dabey an Abgang Schmuz und Fett denn die Strümpfe 4 werden gewaschen. 5 Kann sie der Fabrikant nicht selbst durch die seinen spinnen lassen wird er noch obendrein bestohlen Sonst wog man die Strümpfe überhaupt und ein Paar übertrug das andre, iezzo werden sie einzeln gewogen und das schweerere Paar nicht vergütet vom 6 leichtern Paar aber abgezogen.

Jezziger Stillstand Sie sagen der Krieg hindre nach Oesterreich Waaren zu schaffen Denn obgleich 7 daselbst diese Waaren kontreband sind 8 gehen sie doch in Friedenszeiten hinein. 9

  1. nichts. > nichts –  ↑
  2. Lassen → lassen  ↑
  3. n → an  ↑
  4. Strümpe → Strümpfe  ↑
  5. gekocht. → gewaschen.  ↑
  6. das > vom  ↑
  7. ab → obgleich  ↑
  8. sey → sind  ↑
  9. danach Rest des Blattes, ca ein Drittel, leer  ↑

H: GSA 27/5


Das Tagebuch ist von Goethe eigenhändig geschrieben. (Zusätze von fremder Hand siehe unten.) Die Eintragungen befinden sich auf Durchschußblättern (165/170 × 200/210 mm) und auf einem eingelegten, zweifach gefalteten Doppelblatt (185 × 280 mm) in einem vorgedruckten Kalender mit dem Titel: »Verbesserter / Calender 〈…〉 Auf das Jahr Christi / 1779. 〈…〉 Leipzig, / 〈…〉

Gotthelf Albrecht Friedrich Löper.« Vgl zu 1778.

Druckseiten des Kalenders: 62 (unpaginiert)

Durchschuß- und Einlageblätter insgesamt: 32

Beschriebene Blätter: 20


Der Kalender (175 × 210 mm) am Rücken eingebunden, der Rückeneinband (25 × 210 mm) aus gemustertem zinnoberrotem Kartonpapier. Auf dem Titelblatt achteckiges Titelschild mit der Aufschrift 1779 von Goethes Hand. Vorder- und Rückseite (Titelblatt und letzte Druckseite) stark vergilbt, tintenfleckig, stark abgegriffen. Die bedruckten Kalenderseiten aus holzhaltigem Druckpapier, die Durchschuß- und Einlageblätter zumeist aus stark vergilbtem Schreibpapier, die Ränder unbeschnitten, gewellt. Bl 17–20, 23–24 aus festem, leicht vergilbtem Schreibpapier, die Ränder beschnitten. Fadenheftung.


Zum Inhalt des »Calenders« 1779 siehe zu 1778.


Schreibmaterial und Zusätze von fremder Hand:

Schwarze, zum Teil ins Bräunliche verblaßte Tinte.

Einzeichnung runder Klammern, mit Bleistift (Kanzler von Müller?):

2. Januar: (Volgst. bis hoher Mond.)

13. Januar: Klammer nach die heilsamste Diät.

30. Januar: (Clauer bis bewundern.) (Die Geschichte bis vergessen.)

14. Februar: (Mit Friz bis gessen)

1.–9. März: (1. bis N. Robling Einfügungszeichen)

9.–11. März: (besehen bis allein)

12. März: (gedacht bis Saukram.)

13. März: (Glauers Arb. bis hübsch.)

14. März: (14. bis Gessen.)

14. Juli: (Machte bis nach Hause) spitze Klammer nach Kr. Casse

18.–20. Juli: (18) bis närrisch.)

25. Juli: (Meine Idee bis schmerzen mich.)

26. Juli: (Der Herzog bis von Erfurt.)

30.–31. Juli: (Projeckt bis imitirt.)

22. August: Klammer vor Zeichnete

26. August: (Er erzählte bis mit Knebeln.)

28.–30. August: (d. 28 bis und Nacht.)

3. September: (d. 3 bis im Garten,)

Korrekturen und Ergänzungen, mit Bleistift (Kanzler von Müller?):

5. Januar: nach und nach Punkt ergänzt; nach korr zu »Nach«; im Leerraum nach auf weniges eingefügt: »vom 6.–10.«

10. Januar: nach Verhältnisse, sind und benuzen Komma ergänzt; Endets korr zu »Endet’s«

13. Januar: Gotter korr zu »Götter«

30. Januar: nach 30 Punkt ergänzt

1. Februar: nach Fr. senkrechter Strich ergänzt

Auf den beschriebenen Durchschußblättern Bleistiftpaginierung von unbekannter Hand jeweils Vs rechts bzw Rs links oben.

Bleistiftvermerke: auf dem Titelblatt rechts oben »26 Bl.« (»26« korrigiert aus »20«), rechts unten der Signaturvermerk »5«, auf Bl 5 Vs rechts unten »(Tagebuch 1779, März)«, auf Bl 6 Vs rechts oben »a«.


Zählung und Anordnung der Handschrift:

Bl 1–2 (zwischen Ks 6 und 7):

Tgb-Eintr Januar

Bl 3–4 (zwischen Ks 8 und 9)

Bl 3 und 4 Rs:

Tgb-Eintr Februar

Bl 4 Vs leer

Bl 5–6 (zwischen Ks 10 und Bl 7 eingelegtes Doppelbl)

Bl 5 leer

Bl 6 Vs:

Tgb-Eintr März: Dornb. 79

Bl 6 Rs:

Tgb-Eintr März: Apolda.

Bl 7–8 (zwischen Ks 10 und 11)

Bl 7 Vs–8 Vs:

Tgb-Eintr März

Bl 8 Rs leer

Bl 9–10 (zwischen Ks 12 und 13)

Bl 9 Vs und 10 Vs:

Tgb-Eintr April

Bl 9 Rs und 10 Rs leer

Bl 11–12 (zwischen Ks 14 und 15)

Bl 11:

Tgb-Eintr Mai

Bl 12 leer

Bl 13–14 (zwischen Ks 16 und 17)

Bl 13:

Tgb-Eintr Juni

Bl 14 leer

Bl 15–20 (zwischen Ks 18 und 19)

Bl 15 Vs–18 Vs:

Tgb-Eintr Juli

Bl 18 Rs–20 leer

Bl 21–24 (zwischen Ks 20 und 21)

Bl 21 Vs–24 Vs:

Tgb-Eintr August

Bl 24 Rs leer

Bl 25–26 (zwischen Ks 22 und 23)

Bl 25:

Tgb-Eintr September

Bl 26 leer

Bl 27–28 (zwischen Ks 24 und 25) leer

Bl 29–30 (zwischen Ks 26 und 27) leer

Bl 31–32 (zwischen Ks 28 und 29) leer


D:

Friedrich Wilhelm Riemer: Mitteilungen über Goethe. Aus mündlichen und schriftlichen, gedruckten und ungedruckten Quellen. Bd 2. Berlin 1841. S. 79–100 passim (Auszüge) Carl August Hugo Burkhardt: Goethe’s Tagebuch 1779. In: Die Grenzboten 33 (1874), 2. Semester, 3. Bd, Nr 27. S. 18–26 (Auszüge)

Robert Keil: Goethe’s Tagebuch aus den Jahren 1776–1782. Leipzig 1875. S. 175–203 WA III 1, 76–98, udT: 1779.

Amts rath.] Vielleicht gemeint Johann Gottlieb Heumann.

Strumpfw. bis still] Laut Aktenstück ThHStAW H 1564, Bl 11’, 14, 14’ und 23 (zitiert nach Hans Eberhardt: Goethes Umwelt. Weimar 1951, S. 75), hatte die Apoldaer Strumpfmanufaktur »besonders seit der letztern Leipziger Neujahrsmesse sehr gelitten«, so daß »nicht alle Wirkergesellen hinlänglich Arbeit hatten«, während »vor ein paar Jahren die Bestellungen hiesiger Strumpffabrikate in auswärtige Lande so frequent gewesen, daß man damals zu wünsche gehabt, es möchten noch viel mehr Fabrikanten da gewesen sein«. 1779 waren in Apolda 780 Strumpfwirkerstühle in Betrieb; siehe Hans Eberhardt: Goethes Umwelt. Weimar 1951, S. 69. Siehe Brief an Charlotte von Stein, 6. März 1779 (WA IV 4, 18): Hier will das Drama ⟨»Iphigenie in Tauris«⟩ gar nicht fort, es ist verflucht, der König von Tauris soll reden als wenn kein Strumpfwürcker in Apolde hungerte.

neujahrs messe] Die jeweils mit dem 27. Dezember beginnende Leipziger Messe.

Manuf. Coll.] Das Kollegium, die öffentliche Versammlung der Manufakturfabrikanten, und zugleich der Ort, die Leipziger Messe.

Vorleger] Der Verleger war für den Vertrieb und die Verhandlung von Strumpfwaren verantwortlich und stellte dem Fabrikanten das Rohmaterial, die gekämmte Wolle, zur Verfügung; siehe Hans Eberhardt: Goethes Umwelt. Weimar 1951, S. 73.

übertrug] Übertragen: ausgleichen.

Krieg] Der Bayerische Erbfolgekrieg 1778/1779.

kontreband] Contrebande: Waren, die verbotswidrig einoder ausgeführt werden.

 

 
 

Nutzungsbedingungen

Kontrollen

Kontrast:
SW-Kontrastbild:
Helligkeit:

Zitierhinweis

Online-Edition:
GT I, ⟨5.–6.3.1779⟩ (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), in: https://goethe-biographica.de/id/GT01_0684.

Entspricht Druck:
Text: GT I 1, S. 77 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.
Kommentar: GT I 2, S. 476 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.

Zurück zum Seitenanfang