Tagebuch­eintrag: GT, Nr. 780
10. Oktober 1779, Sonntag, Lauterbrunnen

d. 1 10. Uber 2 Radschocken, sahen 3 im Thal grad ab 4 die Bleyhütten und Sichellauinen oben 5 den Breit lauinen Gletscher der bis 6 ins Thal fallt 7 und sein Wasser unter dem grau beschaffnen Eis hervor jagt hinter uns lincks der Monck Wir stiegen über den Schwendi 23 Minuten auf 10. Halb 10 erschien das Jungfr. Horn. Ruckwart sahen wir Myrren und den M. B. und Bach. auch das ganze Lbr. Thal. neben M. Br. Gimmel Wald, 8 und lincks das Brundli horn wohinter Sewene liegt. Die Son ging uber Br. L. Gl über 9 auf eine Weile stieg der Weeg über Matten dann wand er sich rauher an Berg hinauf. Man geht einen Fussteig über eine hängende Matte 10 die Steege genannt. Die Sonne brennte heis, wir kamen über verschiedne Bächli und Wasserfälle gegen 11 halb 11 ward das Breithorn sichtbar wir gingen an hohen Alp und dem Tschingel Gletscher vorbey 12

Um ½ 12 stiegen wir immer an dem Gletscher gegen über auf sahen den Schwatri Bach in starckem Fall aus dem Gletscher kommen 13

Gegen 12 kam wir hier an. Das 14 Jungfrau horn war mit Wolcken angezogen. Das Eisthal in Sonnen bliken auserordentl. Schon 15 der Steinberg im Rücken an ihn schliesst sich der Tschingel Glatsch und so ist man im Ende des Thals wie gefangen 16

Wir assen auf Steinbergs Alp Der Schaaf Bach 17 kommt ganz hinten aus dem Tschingel Gletscher und macht mit dem Schwatri Bach die Lütschine. 18

Amerten war unter uns wir sahens nicht Es ward Kühl die Wolcken wechselten wir assen und tranken und feyerten sehr lustig saturnalien mit den Knechten und Führern. 19 Philip wurde vexirt dass er heut früh. 20 sehr 21 viel Kässuppe gessen habe. Es war ein narrsches Origin von Thun mit den wir herauf geschl. hatten. 22

Wir waren um ½ 2 auf dem Tschingel-Gl. und machten Thorheit Steine abzuwalzen, 23 es war schon und höher, 24 als sich denckt. Der Herzog wolte es auch noch immer toller, 25 ich sagt ihm das ware das und mehr fanden w nicht. 26 wir gingen am Tschingel her. Das Tschingel Horn mit Wolcken. stund vor der sonne es war von da herab der Gletscher stock bis unten wo er in Holen schmilzt

¾ 27 Auf 3 kamen wir auf dem Ober horn an zwischen Felsen und Gletschern die Sonn schien. D hatte den Spas gespürt, zwischen 28 dem Gestein macht das Eis wasser ein Seelein. 29 Die hohen Fels lagen sind mit Eis bedeckt. Das Seele liegt nahe vorm Tschingelhorn, es war oberhalb leicht bewolck Grau die Decke der absinkenden Eise, blau die Klüfte die Felsen und Steine alles Granit.

Um 3 Uhr gingen wir ab

N den 30 31 Wasserfall aus den 30 31 holen Gletschern durch die Uberbogen und Schrunden

Es ward Wolckig regnete brav wir horten offt 32 Gletscher 33 Prall sahen auch einen. 34

  1. d. 10., davor Ergänzungszeichen, rechts am oberen Rand, Rest des Blattes leer  ↑
  2. vor Uber Einfügungszeichen  ↑
  3. a → sahen  ↑
  4. links > grad ab  ↑
  5. U → Das × → oben  ↑
  6. unt → bis  ↑
  7. falt > fallt  ↑
  8. Wald. > Wald,  ↑
  9. Gl a → Gl über  ↑
  10. Maat → Matte  ↑
  11. gel → gegen  ↑
  12. danach eine Zeile leer, alR diagonaler Doppelstrich  ↑
  13. nach kommen in der unteren Zeile des Blattes Anschlußzeichen  ↑
  14. u → Das  ↑
  15. Gegen 12 bis Schon am linken und am unteren Rand der Druckseite, vor Gegen 12 Ergänzungszeichen  ↑
  16. der Steinberg bis gefangen am unteren Rand der Druckseite  ↑
  17. Sch → Schaaf Bach  ↑
  18. F → Lütschine.  ↑
  19. Führer. > Führern.  ↑
  20. Punkt nach früh erg  ↑
  21. z → sehr  ↑
  22. Punkt nach hatten erg  ↑
  23. abzuwalzen. → abzuwalzen,  ↑
  24. höher. → höher,  ↑
  25. Komma nach toller erg ¦ über toller, Einfügungszeichen  ↑
  26. ich sagt bis w nicht. erg  ↑
  27. davor im oberen Drittel des Blattes nach Ergänzungszeichen: ich sagt bis w nicht, darunter am linken Rand waagerechter Doppelstrich, darunter, get: Ich habe nicht groseres gesehn  ↑
  28. wo → zwischen  ↑
  29. Punkt nach Seelein erg  ↑
  30. die → den  ↑
  31. die → den  ↑
  32. die → den  ↑
  33. die → den  ↑
  34. er → a → offt  ↑
  35. Glätscher > Gletscher  ↑
  36. Rest des Blattes, zwei Zeilen, leer  ↑

H​1: GSA 25/XXIII,10,3


Tagebuch 12.–16. September, von Goethe eigenhändig geschrieben. Schwarze, zum Teil ins Bräunliche verblaßte Tinte.

Doppelblatt (175 × 200/205 mm), stark vergilbtes Schreibpapier, der obere Rand ist beschnitten.

Bl 1 Vs: Tgb-Eintr 12.–16. September

Bl 1 Rs–2 leer

Bleistiftvermerke von unbekannter Hand: auf Bl 1 Vs links oben der auf WA bezügliche Vermerk »Tageb. 1,98 8«, rechts oben Paginierung »1«.



H​2: GSA 25/XXIII,10,2


Tagebuch 8.–12. Oktober, von Goethe eigenhändig geschrieben. Bleistift.

Die Eintragungen befinden sich auf den Druckseiten, dem hinteren Inneneinband und auf Durchschußblättern (100 × 155 mm) in J⟨acob⟩ S⟨amuel⟩ Wyttenbach: »Kurze Anleitung / für diejenigen, welche eine Reise durch einen Theil der merkwürdigsten Alpgegenden des Lauterbrunnenthals, Grindelwald, und über Meyringen auf Bern zurück, machen wollen. / [Vignette] / Bern, / Bey Wagner, Hoch-Obrigkeitlichen Buchdrucker, / 1777.«

Druckseiten: 24

Beschriebene Druckseiten: 7

Durchschußblätter insgesamt: 5

Beschriebene Blätter: 5 (einschließlich des hinteren Inneneinbandes)


Bucheinband (100 × 157 mm) aus goldbraunem Kartonpapier. Innenseiten des Kalendereinbands aus dünnem holzfreiem Druckpapier, die Durchschußblätter aus etwas festerem Schreibpapier.


Inhalt des Buches:

S. 1 (unpaginiert): Titelblatt

S. 3–4 (paginiert III–IV): »Vorrede«

S. 5–24 (paginiert 1–20): »Wenn man die an Merkwürdigkeiten so reichen Alpen ...«


Tagebuch-Eintragungen auf den Druckseiten des oben genannten Buches:

S. 7 (paginiert 3): Octbr. bis abgefahren (Tgb-Eintr 8.–9. Oktober)

S. 12 (paginiert 8): Ergänzungszeichen Gegen 12 kam bis auserordentl. Schon (Tgb-Eintr 10. Oktober)

von Goethe im gedruckten Text unterstrichen: »die Steinbergalp«

S. 13 (paginiert 9): der Steinberg bis gefangen (Tgb-Eintr 10. Oktober)

S. 14 (paginiert 10): d. 11ten bis im Grindelw (Tgb-Eintr 11. Oktober)

S. 15 (paginiert 11): angekomm bis reg- Anschlußzeichen (Tgb-Eintr 11. Oktober)

S. 18 (paginiert 14): Des Morgns nach 7 bis Alm× (Tgb-Eintr 12. Oktober)

von Goethe im gedruckten Text unterstrichen: »Scheideggalp«

S. 19 (paginiert 15): auf die Scheideg alp bis brachen wir auf, (Tgb-Eintr 12. Oktober)

vor »Rosenlauigletscher« im Drucktext am linken Rand von Goethe geschrieben: um 11 h

von Goethe im gedruckten Text unterstrichen: »Wetterhorn⟨s⟩«, »nicht grossen Gletscher 〈…〉 Schwarzwaldgletschers«, »Rosenlauigletscher«

S. 24 (paginiert 20):

am linken und am unteren Rand Bleistiftskizzen Goethes

hinterer Inneneinband:

Ergänzungszeichen d. 10.


Tagebuch-Eintragungen auf Blättern, eingeheftet im oben genannten Buch:

Bl 1–4 beschrieben von hinten nach vorn (Bl 5–2)

Bl 1 Vs (5 Rs): Einfügungszeichen Uber Radschocken bis Br. L. Gl über auf (Tgb-Eintr 10. Oktober)

Bl 1 Rs (5 Vs): eine Weile bis aus dem Gletscher kommen Anschlußzeichen (Tgb-Eintr 10. Oktober)

Bl 2 Vs (4 Rs): Wir assen auf Steinbergs Alp bis viel Kässuppe (Tgb-Eintr 10. Oktober)

Bl 2 Rs (4 Vs): gessen habe bis in Holen schmilzt (Tgb-Eintr 10. Oktober)

Bl 3 Vs (3 Rs): Ergänzungszeichen ich sagt ihm bis w nicht. ¾ Auf 3 bis bedeckt. Das Seele (Tgb-Eintr 10. Oktober)

Bl 3 Rs (3 Vs): liegt nahe vorm Tschingelhorn bis Gletscher Prall sahen auch einen. (Tgb-Eintr 10. Oktober)

Bl 4 Vs (2 Rs): Ergänzungszeichen ⟨reg-⟩net es bis seit wir in d. Schn sind (Tgb-Eintr 11.–12. Oktober)

Bl 4 Rs–5 (1–2 Vs) leer


Die Folge der Druckseiten des oben genannten Buches und der handschriftlichen Blätter in der chronologischen Reihenfolge des edierten Textes:

paginierte Druckseite 3, hinterer Inneneinband, Bl 1 Vs–1 Rs, paginierte Druckseiten 8–9, Bl 2 Vs–3 Rs, paginierte Druckseiten 10–11, Bl 4 Vs, paginierte Druckseiten 14–15



H​3: GSA 25/XXIII,10,3


Tagebuch 8.–13. November, von Goethe eigenhändig geschrieben.

Einzelblatt (165 × 225/230 mm), dünnes Schreibpapier, durch Tintenfraß stark beschädigt. Die Ränder unbeschnitten, in der Mitte des Blattes Falzung.

Bl 1 Vs: Tgb-Eintr 8.–9. November

Bl 1 Rs: Tgb-Eintr 10.–11. November, Ergänzung zum 9. November

Bleistift (Tgb-Eintr 8. November), schwarze, stellenweise verblaßte Tinte (Tgb-Eintr 9. November), ins Bräunliche verblaßte, auf die Rückseite des Blattes durchfärbende Tinte (10.–11. November).

Zwei Einzelblätter (130 × 185 mm), festes Schreibpapier. Die Ränder unbeschnitten, in der unteren Hälfte von Bl 1 Vs am rechten Rand Tüpfel von rotem Siegellack.

Bl 1 Vs–2 Vs: Tgb-Eintr 12.–13. November

Bl 2 Rs leer

Schwarze Tinte. Von unbekannter Hand auf Bl 1 Vs rechts oben Bleistiftpaginierung »3«, auf Bl 2 Vs rechts oben »4«.


D (für H​1–H​3):

WA III 1, 98–104, udT: 1779. (S. 76; im Inhaltsverzeichnis udT: Schweiz 1779)

d. 10. bis regnete brav] Vgl Carl August an Herzogin Louise, 16. Oktober 1779 (Wahl 1925, S. 114–115): »Den andern Tag ⟨10. Oktober⟩ ward der sogenante Steinberg bey schönen Wetter bestiegen, hier zeigten sich nun Gletscher u. Eisgebirge in Menge; 4 volle Stunden stiegen wir, u. endl. ward das Jungfernhorn, Lutschin Gletscher, u. Schingelhorn endeckt u. erblickt. Der Anblick war auserordentl. groß. Wir fanden oben auch ein klein Teichelchen: hier aßen wir daß, was wir durch Bauern hatten hinauftragen laßen. 3 Stund stiegen wir wieder abwärts, u. wurden entsetzl. naß 〈…〉

Uber Radschocken bis Steinbergs Alp] Siehe Brief an Charlotte von Stein, 15.–16. Oktober 1779 (WA IV 4, 84): Sonntags den 10ten früh 〈…〉. Weil wir die Eißgebirge nicht selbst besteigen wollten, so schikten wir uns zu einem Stieg an auf einen Berg der gegen über liegt und der Steinberg genannt wird. Er macht die andere Seite von einem engen Thal aus wo sie gegen über liegen, biss er sich selbst endlich hinten an sie anschliesst. Was man aus einer kleinen gedrukten Beschreibung des Pfarer Wittenbachs sehen kann will ich hier nicht wiederholen. Eine Weile steigt der Weeg über Matten, dann windet er sich rauh den Berg hinauf, die Sonne gieng uns über den Gletschern auf und wir sahen sie der Reihe nach gegen über liegen. Vgl Wyttenbach, S. 8–9: »Will man die zu hinterst in diesem Thal ligende Gletscher sehn, so geht man vom Dorf Lauterbrunn hinein nach Sichellauinen, wo ehemals ein Bleywerk gestanden, und welches drey Stunden vom Dorfe entfernt ist. Wenn man nicht Zeit genug hat, die Reise auf die Gletscher, die in einer beträchtlichen Höhe liegen, und nicht ohne grosse Beschwerlichkeiten können bestiegen werden, zu unternehmen; so thut man besser, von Sichellauinen auf die Steinbergalp zu steigen, wo man das gegenübergelegene ungemein schöne Eisthal fast ganz übersehen, und dann noch an gleichem Tage wieder nach Lauterbrunn zurück kehren kann.«

Radschocken] Wohl der Rotentalgletscher oder der Tschuggen östlich des Lauterbrunnentals.

Thal] Lauterbrunnental.

Wir] Carl August, Goethe, Johann Friedrich Blochberg, Philipp Seidel und Peter Kocher aus Thun. Siehe Brief an Charlotte von Stein, 15.–16. Oktober 1779 (WA IV 4, 85): Wir 〈…〉, ausser Wedeln und Wagnern, die schon früh Morgens ⟨10. Oktober⟩ ihres Schwindels wegen beizeiten umgekehrt waren.

M. B. und Bach] Wohl gemeint: Mürrenberg und Mürrenbach.

M. Br.] Wohl gemeint: Mürrenberg.

Sewene] Wohl die Sefinenfurke oder das Sefinental.

Br. L. Gl.] Breitlauenengletscher.

Matten] Matte: Wiese.

Gletscher gegen über] Breithorngletscher.

hier] Auf der Steinbergalp.

auserordentl. Schon] Außerordentlich schön.

des Thals] Des Lauterbrunnentals.

assen auf Steinbergs Alp bis Um 3 Uhr gingen wir ab] Siehe Brief an Charlotte von Stein, 15.–16. Oktober 1779 (WA IV 4, 84–85): Wir kamen ⟨10. Oktober⟩ auf die Steinbergs Alp, wo der Zingelgletscher an den Steinberg stösst, die Sonne brannte mit unter sehr heiss. Wir stiegen biss zum Ausbruch des Zingelgletschers und noch höher hinauf, wo vor dem Zingelhorn aus dem Eise sich ein kleiner See formirt. 〈…〉 Wir kamen gegen drei oben an, nachdem wirs uns vorher auf der Alpen wohl hatten schmeken lassen.

saturnalien] Das römische Saturnusfest zum Andenken an die glückliche Regierung des Saturnus in Latium, während des Fests wurden die Sklaven von ihren Herren bedient.

Knechten] Gemeint sind Johann Friedrich Blochberg und Philipp Seidel.

Führern] Gemeint ist Peter Kocher.

vexirt] Gequält, geneckt.

narrsches Origin] Peter Kocher.

geschl.] Geschleppt.

w] Wir.

Seelein] Der Oberhornsee.

Granit] Granitproben erbat Goethe am 3. Juli 1780 von Johann Heinrich Merck (WA IV 4, 247; IV 7, 379) und am 28. Juli 1780 von Karl Ludwig von Knebel (WA IV 4, 261). Siehe Johann Carl Wilhelm Voigt an Abraham Gottlob Werner, 6. Juli 1780 (BG 2, 249): »Die Gebürgsarten unterhalten ihn ⟨Goethe⟩ vorzüglich, und auf der letzten Reise in die Schweitz die 4 Monathe währte, hat er schöne Sachen gesammelt.«

gingen wir ab] Gemeint ist der Abstieg vom Oberhorn.

N] Gemeint: NB, nota bene.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GT I, 10.10.1779 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), in: https://goethe-biographica.de/id/GT01_0780.

Entspricht Druck:
Text: GT I 1, S. 94–95 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.
Kommentar: GT I 2, S. 492 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.

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