Tagebuch­eintrag: GT, Nr. 742
25. Juli 1779, Sonntag, Weimar

Wollte Sontags d. 25 auf Berke. in der Nacht ward ein gewaltsam Feuer zu Apolde, ich früh da ich’s erst erfuhr hin, und ward den ganzen Tag gebraten und gesotten. d. Herzog war auswarts in Bentleben und Erfurt. Verbrannten mir auch meine Plane, Gedancken, Eintheilung der Zeit zum theil mit. So geht das Leben durch bis ans Ende, so werdens andre nach uns Leben. Ich dancke nur Gott dass ich im Feuer und Wasser den Kopf oben habe, doch erwart ich sittsam noch starcke Prüfungen, vielleicht binnen vier Wochen.

Meine Idee über Feuerordnung wieder bestätigt. Uber hiesige besonders wo man doch nur das Spiel, wie in allem, mit denen Karten spielt die man in diesem Moment aufhebt. Der Herzog wird endlich glauben. Die Augen brennen mich von der Glut und dem Rauch und die Fussolen schmerzen mich.

Das Elend wird mir nach und nach so prosaisch wie ein Kaminfeuer. Aber ich lasse doch nicht ab von meinen gedancken und ringe 1 mit dem unerkannten Engel sollt ich mir die Hüfte ausrencken. Es weis Kein Mensch was ich thue und mit wieviel Feinden ich kämpfe um das wenige hervorzubringen. Bey meinem Streben und Streiten und Bemühen bitt ich euch nicht 2 zu lachen, zuschauende Götter. Allenfalls lächlen möcht ihr, 3 und mir beystehen. 4

  1. k → ringe  ↑
  2. nie → nicht  ↑
  3. ic → ihr. → ihr,  ↑
  4. danach Rest des Blattes, zwei Zeilen, leer  ↑

H: GSA 27/5


Das Tagebuch ist von Goethe eigenhändig geschrieben. (Zusätze von fremder Hand siehe unten.) Die Eintragungen befinden sich auf Durchschußblättern (165/170 × 200/210 mm) und auf einem eingelegten, zweifach gefalteten Doppelblatt (185 × 280 mm) in einem vorgedruckten Kalender mit dem Titel: »Verbesserter / Calender 〈…〉 Auf das Jahr Christi / 1779. 〈…〉 Leipzig, / 〈…〉

Gotthelf Albrecht Friedrich Löper.« Vgl zu 1778.

Druckseiten des Kalenders: 62 (unpaginiert)

Durchschuß- und Einlageblätter insgesamt: 32

Beschriebene Blätter: 20


Der Kalender (175 × 210 mm) am Rücken eingebunden, der Rückeneinband (25 × 210 mm) aus gemustertem zinnoberrotem Kartonpapier. Auf dem Titelblatt achteckiges Titelschild mit der Aufschrift 1779 von Goethes Hand. Vorder- und Rückseite (Titelblatt und letzte Druckseite) stark vergilbt, tintenfleckig, stark abgegriffen. Die bedruckten Kalenderseiten aus holzhaltigem Druckpapier, die Durchschuß- und Einlageblätter zumeist aus stark vergilbtem Schreibpapier, die Ränder unbeschnitten, gewellt. Bl 17–20, 23–24 aus festem, leicht vergilbtem Schreibpapier, die Ränder beschnitten. Fadenheftung.


Zum Inhalt des »Calenders« 1779 siehe zu 1778.


Schreibmaterial und Zusätze von fremder Hand:

Schwarze, zum Teil ins Bräunliche verblaßte Tinte.

Einzeichnung runder Klammern, mit Bleistift (Kanzler von Müller?):

2. Januar: (Volgst. bis hoher Mond.)

13. Januar: Klammer nach die heilsamste Diät.

30. Januar: (Clauer bis bewundern.) (Die Geschichte bis vergessen.)

14. Februar: (Mit Friz bis gessen)

1.–9. März: (1. bis N. Robling Einfügungszeichen)

9.–11. März: (besehen bis allein)

12. März: (gedacht bis Saukram.)

13. März: (Glauers Arb. bis hübsch.)

14. März: (14. bis Gessen.)

14. Juli: (Machte bis nach Hause) spitze Klammer nach Kr. Casse

18.–20. Juli: (18) bis närrisch.)

25. Juli: (Meine Idee bis schmerzen mich.)

26. Juli: (Der Herzog bis von Erfurt.)

30.–31. Juli: (Projeckt bis imitirt.)

22. August: Klammer vor Zeichnete

26. August: (Er erzählte bis mit Knebeln.)

28.–30. August: (d. 28 bis und Nacht.)

3. September: (d. 3 bis im Garten,)

Korrekturen und Ergänzungen, mit Bleistift (Kanzler von Müller?):

5. Januar: nach und nach Punkt ergänzt; nach korr zu »Nach«; im Leerraum nach auf weniges eingefügt: »vom 6.–10.«

10. Januar: nach Verhältnisse, sind und benuzen Komma ergänzt; Endets korr zu »Endet’s«

13. Januar: Gotter korr zu »Götter«

30. Januar: nach 30 Punkt ergänzt

1. Februar: nach Fr. senkrechter Strich ergänzt

Auf den beschriebenen Durchschußblättern Bleistiftpaginierung von unbekannter Hand jeweils Vs rechts bzw Rs links oben.

Bleistiftvermerke: auf dem Titelblatt rechts oben »26 Bl.« (»26« korrigiert aus »20«), rechts unten der Signaturvermerk »5«, auf Bl 5 Vs rechts unten »(Tagebuch 1779, März)«, auf Bl 6 Vs rechts oben »a«.


Zählung und Anordnung der Handschrift:

Bl 1–2 (zwischen Ks 6 und 7):

Tgb-Eintr Januar

Bl 3–4 (zwischen Ks 8 und 9)

Bl 3 und 4 Rs:

Tgb-Eintr Februar

Bl 4 Vs leer

Bl 5–6 (zwischen Ks 10 und Bl 7 eingelegtes Doppelbl)

Bl 5 leer

Bl 6 Vs:

Tgb-Eintr März: Dornb. 79

Bl 6 Rs:

Tgb-Eintr März: Apolda.

Bl 7–8 (zwischen Ks 10 und 11)

Bl 7 Vs–8 Vs:

Tgb-Eintr März

Bl 8 Rs leer

Bl 9–10 (zwischen Ks 12 und 13)

Bl 9 Vs und 10 Vs:

Tgb-Eintr April

Bl 9 Rs und 10 Rs leer

Bl 11–12 (zwischen Ks 14 und 15)

Bl 11:

Tgb-Eintr Mai

Bl 12 leer

Bl 13–14 (zwischen Ks 16 und 17)

Bl 13:

Tgb-Eintr Juni

Bl 14 leer

Bl 15–20 (zwischen Ks 18 und 19)

Bl 15 Vs–18 Vs:

Tgb-Eintr Juli

Bl 18 Rs–20 leer

Bl 21–24 (zwischen Ks 20 und 21)

Bl 21 Vs–24 Vs:

Tgb-Eintr August

Bl 24 Rs leer

Bl 25–26 (zwischen Ks 22 und 23)

Bl 25:

Tgb-Eintr September

Bl 26 leer

Bl 27–28 (zwischen Ks 24 und 25) leer

Bl 29–30 (zwischen Ks 26 und 27) leer

Bl 31–32 (zwischen Ks 28 und 29) leer


D:

Friedrich Wilhelm Riemer: Mitteilungen über Goethe. Aus mündlichen und schriftlichen, gedruckten und ungedruckten Quellen. Bd 2. Berlin 1841. S. 79–100 passim (Auszüge) Carl August Hugo Burkhardt: Goethe’s Tagebuch 1779. In: Die Grenzboten 33 (1874), 2. Semester, 3. Bd, Nr 27. S. 18–26 (Auszüge)

Robert Keil: Goethe’s Tagebuch aus den Jahren 1776–1782. Leipzig 1875. S. 175–203 WA III 1, 76–98, udT: 1779.

in der Nacht] Vom 24. auf den 25. Juli 1779.

Feuer zu Apolde] In Vertretung Carl Augusts leitete Goethe die Löscharbeiten der Weimarer Husaren. Durch den Brand in Apolda nahmen die Strumpfwarenmanufakturen großen Schaden, von insgesamt 26 Verlegern wurden 12 in Mitleidenschaft gezogen; siehe Hans Eberhardt: Goethes Umwelt. Weimar 1951, S. 77.

Prüfungen bis binnen vier Wochen] Jacob Friedrich von Fritsch, der die Geschäftsführung und den Präsidenten der Kammer Johann August von Kalb zunehmend kritisch einschätzte, erwog seinen Rücktritt; siehe Karl-Heinz Hahn: Jakob Friedrich von Fritsch. Minister im klassischen Weimar. Weimar 1953, S. 113. Siehe Tgb 29. und 30. Juli 1779.

Feuerordnung] Brandschutzordnung.

Elend] Siehe 77,1–13 und die zweite Erläuterung zu 25. Juli 1779.

ringe bis ausrencken] Siehe 1. Mose 32, 25–26: »Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. / Und da er sah, daß er ihn nicht übermochte, rührte er das Gelenk seiner Hüfte an; und das Gelenk der Hüfte Jakobs ward über dem Ringen mit ihm verrenkt.«

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GT I, 25.7.1779 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), in: https://goethe-biographica.de/id/GT01_0742.

Entspricht Druck:
Text: GT I 1, S. 83–84 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.
Kommentar: GT I 2, S. 483 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.

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