Tagebuch­eintrag: GT, Nr. 1078
2. September 1784, Donnerstag, Messinghütte a. d. Oker

d. 2 Sept. Schieferbruch bey Goslarg. Gegen Zellerfeld. Die Hauptablosungen 1 der Tafeln streichen gleichfals hor 4–5. die durchsezenden 2 den Rhombus formirenden Klüfte hor 9–10 diese gehen mehr oder weniger durch die Gange durch sind 3 vielfältig und offt mit Kalckspat durchzogen.

NB. Ritzen die diagonal durchschneiden – Wenig bemerckbare Flözklüffte

Schwefelkiese


〈Hier eine Zeichnung, siehe Digitalisat〉


vor Goslar nach dem Lande zu steht eine Sandsteinklippe frey. 4 sie hat sich blosstehend erhalten da die benachbarten Werwittert sind. Das Streichen ihrer langen seiten von der Kr. eine zeichnete ist hor 9. Der Fels 5 besteht aus ganz feinem 6 sehr gleichem Sande und halt durch 7 kein merckliches Bindemittel 8 zu sammen. Ausserlich überzieht er sich mit einer Art Kruste, die ihn vor dem völligen auseinander fallen bewahrt ist 9 aber leicht abzuschaben und zu zerbrockeln. in Ritzen die durch ihn durchgehen haben sich Quarz adern erzeugt die den Stein eigermasen befestigen In einer ohnfern 10 davon liegenden Sandgrube 11 die Sandkuhle genannt, wird der Sandstein mit der leichtesten Mühe abgekratzt, und zerklopft.

Gleich daran vorwärts gegen das Land 12 ist 13 ein Kalckbruch der Kalckstein steht in schmalen, von einer hand biß zu einigen fingerbreiten 14 Blättern auf dem Kopfe. Merckwürdig war ein Gang der hor. 9 wie die ablosungen der Blätter strich und mit Geschieben vom Harz, sand und dergleichen ausgefüllt war, womit auch der 15 Berg selbst bedeckt war 16 es also ganz natürlich zuging 17 Er ist ein Lachter mächtig.

Von der Messingshütte 18 an der Ocker hinauf lincks sogleich ein Felsen schiefer wo die Flözlager sehr sichtbar scheinen 19

Der Ziegenrücken 20 ein Granit fels. die Ablösungen der Bäncke streichen hor. 12.

Es finden sich Schlacken am grosen Hutberg 21 wo es zweifelhafft wird woher sie kommen. Man glaubt man habe ehmals 22 die Rammelsberger Erze heraufgebracht und oben geschmolzen dergleichen Schlackenstellen sollen sich viele finden.

Am Treppenstein stehen die Granit wände Perpendikular die Klüffte streichen hor. 3. die Gegenklüffte hor 11.

Dachschiefer liegt oben um die Klippe ohne daß man ihn anstehen findet, auch 23 findet man häufig 24 das quarz artige braunliche 25 Gestein. ohngefahr wie das am Arendsberge auch auf Granit aufsitzt.

Im Ockerthal 26 herabwärts nach der Hütte stehen fast perpendikular 27 Schiefer Wände 28 deren Klüffte hor 3 streichen.

  1. G → Hauptablosungen  ↑
  2. durchsezenden > durchsetzenden, A  ↑
  3. sich → sind  ↑
  4. lose → frey  ↑
  5. Felxs > Fels  ↑
  6. nach feinem get Sande  ↑
  7. weder an → durch  ↑
  8. bindemittel > Bindemittel  ↑
  9. bewahrt ist > bewahrt, sie ist A  ↑
  10. ohnfehrn > ohnfern  ↑
  11. Sandgrube > Sandgrube, A  ↑
  12. daran vorwärts gegen das Land > daran, vorwärts gegen das Land, A  ↑
  13. lieg → ist  ↑
  14. fingerbleiten → fingerbreiten  ↑
  15. nach der get obre  ↑
  16. war > war, A  ↑
  17. zuging > zuging. A  ↑
  18. Messingshütte > Messinghütte A  ↑
  19. scheinen > erscheinen A  ↑
  20. Ziegenrücken > Ziegenrücken, A  ↑
  21. Hutberg > Hutberge J 2 in A  ↑
  22. ehmals > ehemals J 2 in A  ↑
  23. dagegen > auch  ↑
  24. anstehen → häufig  ↑
  25. vor braunliche get Schiefer  ↑
  26. Ockerthal > Okerthal A  ↑
  27. fast perpendikular erg ¦ horizo → perpendikular  ↑
  28. nach Wände get auf  ↑

H: UB Leipzig, Bibliotheca Albertina, Slg. Hirzel B 165


Das foliierte Tagebuch umfaßt fünf vergilbte gerippte Doppelblätter und ein halbiertes (ca 160 × 197 mm), jeweils Vs rechts oben eigenhändig paginiert (1–11). Es ist auf ganzer Blattbreite, nur links einen schmalen Rand lassend, eigenhändig mit brauner und schwarzer Tinte beschrieben; Bl 11 Rs ist unbeschrieben. Einzelne Korrekturen und Ergänzungen wurden mit Bleistift vorgenommen.

Innerhalb des Textes zwei Gesteinszeichnungen: auf Bl 2 Rs, 45 × 70 mm, Feder mit brauner Tinte (S. 145; nicht im Corpus); auf Bl 7 Vs, 30 × 50 mm, Feder mit schwarzer Tinte (S. 151; nicht im Corpus).



h: GSA 26/LVII,14


Es handelt sich um eine Abschrift von Johann August Friedrich John, angefertigt im Oktober 1820 (Tgb 5. Oktober 1820: Mundum der Harzreise von 1784.). Sie befindet sich in einem Umschlag von derberem, vergilbt grauem Konzeptpapier (ca 210 × 350 mm), der mit schwarzer und brauner Tinte von zwei verschiedenen Schreiberhänden beschriftet ist: »Mineralogie und Geologie / enthaltend / a. Geologische Reise v. J. 1784 durch / Thüringen. / b. Den Dornburger Schlossberg betr. / v. J. 1830.«

Die Abschrift besteht aus 6 Doppelbättern (Foliobögen) grauen gerippten Papiers, ca 195 × 320 mm. Jede Doppelblatthälfte ist auf der Vorderseite rechts oben paginiert (1–12). Die Blätter sind vertikal auf Mitte gebrochen und nur rechtshälftig beschrieben; die Zeichnungen aus der Vorlage blieben weg.

Goethe hat die Abschrift eigenhändig mit Bleistift durchkorrigiert. Tgb 7. Oktober 1820: Harzreise von 1784. Tagebuch derselben. Von seinen Korrekturen sind im Variantenverzeichnis diejenigen aufgeführt (mit der Sigle A), die Varianten gegenüber H darstellen, nicht aber diejenigen, die Versehen betreffen und nur den ursprünglichen Text wiederherstellen. Sonstige Varianten der Abschrift (orthographische Abweichungen und abweichende Abkürzungen Johns ausgenommen) werden mit dem Zusatz »J 2 in A« verzeichnet.



Notizen und Entwürfe zu H:

Sie sind beschrieben und gedruckt in LA II 7, 121–126 als Texte 55 (c), (d) und (e) sowie 56; vollständig und mit verbesserten Lesungen gegenüber WA II 9, 409.


D:

WA II 9, 155–168, udT: Geognostisches Tagebuch der Harzreise.

WA bietet eine Mischform von H und h, ohne die beiden Zeichnungen innerhalb des Textes; h ist außerdem berücksichtigt in den Lesarten, WA II 9, 367–371.

d. 2 Sept.] Von diesem Tag an setzten Goethe und Kraus die Harzreise allein fort, wie Charlotte von Stein am 6. September 1784 mitgeteilt wurde: Der Herzog hatte einen unüberwindlichen Trieb nach Dessau, ging und lies mich mit Krausen von Goslar aus allein auf den Harz zurückziehen. Wir beyde haben dann, uns selbst überlassen der herrlichsten Tage recht genossen (WA IV 6, 353).

Schieferbruch bey Goslarg] Dachschieferbruch im Wissenbacher Schiefer des Mittleren Devons, am Rabenkopf oder Hessenkopf, südlich von Goslar und oberhalb der Zellerfelder Straße. Goethe hat ihn auf einem Extrablatt zunächst stichwortartig beschrieben (WA II 9, 409; LA I 1, 80 und II 7, 122). Ferner gibt es eine von Kraus »Schieferbruch bey Goslar« betitelte Bleistiftzeichnung (Corpus V B, Nr 164), die nach LA I 1, 392 (Tafel IV) und II 7, 115 von Goethe stammen soll, »doch ist G. M. Kraus’ Autorschaft wahrscheinlicher« (Corpus V B, S. 64).

Hauptablosungen] Ablösung: Trennung eines Ganges (siehe zu 143,22) vom Nebengestein.

Sandsteinklippe] Westlich von Goslar, an der Straße nach Oker, steilstehende Kalksteinschichten aus der Oberkreide, die Konglomeratlagen mit Harzgeröllen enthalten. In den Stein ist eine Klause gegraben, über die auch einige gesonderte Notizen Goethes (Erstdruck: LA II 7, 122, Text 55 d) schweigen.

Kr. eine zeichnete] Die Seite mit der Klause. MSWK, InvNr 3217; Detail: LA I 2, Tafel XXVIII, 1.

Sandkuhle] Hierzu wohl der zweite Teil der in LA II 7 (siehe vorletzte Erläuterung) erstmals gedruckten Notizen Goethes.

Kalckbruch] Steilstehende Kalke der Oberkreide.

Lachter] Längenmaß; in den Harzgegenden um 1800 ca 1,9 Meter.

Messingshütte] Im Süden von Goslar, bei Oker.

Felsen schiefer] Aus dem Devon. Gezeichnet von Kraus; siehe LA I 2, Tafel XVI; Verzeichnis 1824, Nr 15.

Ziegenrücken] Bleistiftzeichnung Goethes (Corpus I, Nr 276), mit eigh Lokalisierungs- und Datierungsvermerk: Ziegenrücken im Okerthale d 2 Sept 84.

Treppenstein] Granitfelsen am Hutberg. Von Kraus gezeichnet; LA I 2, Tafel XXIV, 1 und 2; Verzeichnis 1824, unter Buchstaben d und e.

das quarz artige braunliche Gestein] Ein »kontaktmetamorph verfestigtes Nebengestein des Okergranits« (LA II 7, 115).

am Arendsberge] Am Unterlauf der Oker. Laut MA 2/2, 890, und LA II 7, 115, Verwechslung mit dem östlich davon gelegenen Adenberg, wo durch Einwirkungen des Okergranits Tonschiefer und Grauwacke des Kulm zu Hornstein umgewandelt wurden.

Hütte] Messinghütte.

Schiefer Wände] Wechsellagerung von Tonschiefer- und Sandsteinschichten aus dem Unterdevon. Ihnen läßt sich vielleicht eine Bleistiftzeichnung zuordnen mit dem Zuweisungsvermerk »Goethe’s Zeichnung und Handschrift Gustav Schueler« (Corpus V B, Nr 165c).

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GT I, 2.9.1784 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), in: https://goethe-biographica.de/id/GT01_1078.

Entspricht Druck:
Text: GT I 1, S. 145–146 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.
Kommentar: GT I 2, S. 560–561 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.

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