BuG: BuG I, A 581
Weimar Ende Apr./Anf. Mai 1776

Falk, Notizbuch S. 956

Weimar Ende Apr./Anf. Mai 1776

Ach mir ist so wohl, sagte er sodan: Ich muss mich wälzen. Er löste sein schwarzes Haar auf lag auf dem Boden und sagte: die ganze Welt ist in mir, ich in der Welt und die Welt geht rund um.

Einmal kam Serenissimus und Göthe zu Bertuch. Er wohnte in dem Hof-Mannschen Hause noch in meiner Stube (Studierstube) Philister riefen sie, wie kamst Du in das Weltmann [?]! Die Spiegel – sieh im Saal! sie werden zerschlagen! Die Tobaksdosen – wer schnupft den auch Tobak – hereingepust, umgerührt und unter Bertuchs Adresse an die Jöchhausen, die sie nicht leiden konnten, geschickt! Die zeigte sie auf einem Ziegenbock reitend durch die Pfütze – – Ruiniren Sie imer, meine Herren, Sie müssen alles bezahlen – Bertuch wurde Todeskrank an einem Gallenfieber. Der Herzog hat oft noch bis spät um 12 an seinem Bett gesessen, denn man sorgte für sein Leben. [am Rande: ] Ein Buch in Quarto. [unleserliches Wort] den der Teufel [unleserliches Wort] du siehst die Pare [?] abgemahlt unum sunt in Natura mit der Schere zerschnitten [4 unleserliche Wörter] Kugelchen von Schnupftobak und schickten dann das P[a]c[e]t (der Jöchhausen) durch [unleserliches Wort] Pfütze B. rührte beynah auf der Stelle vor Aerger der Schlag.

Böttiger (LB Dresden Ms. 35491)

Weimar Ende Apr./Anf. Mai 1776

Bertuch war, als die Genieperiode grassirte, immer das Stichblatt des Spotts bey den Genies um den Herzog, u. hieß κατ’ ἐξοχην der Spießbürger. An eben dem Abend, wo er seine Frau zuerst nach Weimar in sein Logis gebracht hatte, erhielt er noch vom Herzog u. Göthe einen Besuch. Der Herzog debütirte damit, daß er gehört habe, er habe sich verteufelt spießbürgerisch eingerichtet, ein [en] prächtigen Nachtstuhl machen lassen, und triebe großen Luxus. Er müsse doch also sehn, was daran sey. Sogleich fielen ihm ein paar neue schöne Spiegel ins Auge, die er mit seinem Hieber zertrümmern wollte, sich aber doch, als Bertuch vorstellte, daß er sie auf des Herzogs Unkosten noch einmal so kostbar anschaffen würde, zureden ließ, u. mit der Äuserung abstand, daß man die Spiegel um der Frau willen lassen müsse, damit sich diese bespiegeln könne. Darauf hielt der Herzog Revisio auf Bertuchs Schreibpult, fand einen Roman von Göchhausen, mit dem er sogleich eine Exekution vornahm, Blätter heraus riß, u. heraus ... [unleserlich] Taback hinein streute, u. so die Bescheerung der Fräulein von Göchhausen versiegelt unter Bertuchs Nam[en] zuschickte. Endlich hieb u. stach er in die neuen Tapeten, weil dieß verflucht spießbürgerisch sei, daß man die nackten Wände überkleistern wollte. Die junge Ehefrau schlich sich, wie vom Donner gerührt, über diese Behandlung davon. Bertuch verbiß seinen Ärger, ward aber einige Tage darauf sterbenskrank. Als der Arzt von Todesgefahr sprach, kam der Herzog noch um Mitternacht um gleichsam Abbitte zu thun, u. Göthe ging mit Thränen aus der Kammer, u. drückte der tiefgekränkten Frau die Hand mit den Worten: sie habe einen harten Anfang.

Böttiger (*GJb 4, 201)

Weimar Ende Apr./Anf. Mai 1776

In der Weimarischen Genieperiode war Göthe Bertuchs Plagegeist, der ihm auch in seiner Brautnacht einen solchen muthwilligen Streich spielte, daß B. gefährlich krank darauf wurde. Bertuchs Frau gestand mir, daß sie mehrere Jahre Göthen nicht habe begegnen können, ohne entweder blaß oder roth zu werden!

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0581 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0581.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 418 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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