BuG: BuG I, A 286
Frankfurt Mai 1774

Dichtung und Wahrheit XV (WA I 28, 301)

Frankfurt Mai 1774

Von so vielfachen Zerstreuungen, die doch meist zu ernsten, ja religiösen Betrachtungen Anlaß gaben, kehrte ich immer wieder zu meiner edlen Freundin von Klettenberg zurück, deren Gegenwart meine stürmischen, nach allen Seiten hinstrebenden Neigungen und Leidenschaften, wenigstens für einen Augenblick beschwichtigte, und der ich von solchen Vorsätzen, nach meiner Schwester, am liebsten Rechenschaft gab. Ich hätte wohl bemerken können, daß von Zeit zu Zeit ihre Gesundheit abnahm, allein ich verhehlte mir’s, und durfte dieß um so eher, als ihre Heiterkeit mit der Krankheit zunahm. Sie pflegte nett und reinlich am Fenster in ihrem Sessel zu sitzen, vernahm die Erzählungen meiner Ausflüge mit Wohlwollen, so wie dasjenige was ich ihr vorlas. Manchmal zeichnete ich ihr auch etwas hin, um die Gegenden leichter zu beschreiben, die ich gesehn hatte. Eines Abends, als ich mir eben mancherlei Bilder wieder hervorgerufen, kam, bei untergehender Sonne, sie und ihre Umgebung mir wie verklärt vor, und ich konnte mich nicht enthalten, so gut es meine Unfähigkeit zuließ, ihre Person und die Gegenstände des Zimmers in ein Bild zu bringen, das unter den Händen eines kunstfertigen Mahlers, wie Kersting, höchst anmuthig geworden wäre. Ich sendete es an eine auswärtige Freundin und legte als Commentar und Supplement ein Lied [Sieh in diesem Zauberspiegel] hinzu ...

Wenn ich mich in diesen Strophen, wie auch sonst wohl manchmal geschah, als einen Auswärtigen, Fremden, sogar als einen Heiden gab, war ihr dieses nicht zuwider, vielmehr versicherte sie mir, daß ich ihr so lieber sei als früher; da ich mich der christlichen Terminologie bedient, deren Anwendung mir nie recht habe glücken wollen; ja es war schon hergebracht, wenn ich ihr Missionsberichte vorlas, welche zu hören ihr immer sehr angenehm war, daß ich mich der Völker gegen die Missionarien annehmen, und ihren früheren Zustand dem neuern vorziehen durfte. Sie blieb immer freundlich und sanft, und schien meiner und meines Heils wegen nicht in der mindesten Sorge zu sein.

J. G. Schlosser an Lavater 5. 5. 1774 (SchrGG 16, 332)

B2 48b

Frankfurt Mai 1774

Ich habe über nichts mich gegen die Vorsicht beklagt, als daß sie nun schon 18 und mehr Jahre mich Freunde suchen last, die es der Mühe werth achteten mich zu bessern, und die Geschik dazu hätten ... Göthe allein würde es gekönt haben wenn er männlicher gegen Beyfall und gegen Leiden gewesen wäre – Aber es ist noch nicht die Zeit daß er Freund seyn könte!

J. G. Schlosser an Lavater 10. 6. 1774 (SchrGG 16, 332)

B2 48c

Frankfurt Mai 1774

Göthe ist mir zu stark. Sie haben recht, er ists wirklich! Wenn er aber nicht in den nächsten 10 Jahren ganz zerbricht, so werden wir uns gewis näheren.

An Sophie v. La Roche Ende Mai 1774 (WA IV 2, 165)

Frankfurt Mai 1774

Die liebe Max seh ich selten, doch wenn sie mir begegnet ists immer eine Erscheinung vom Himmel.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0286 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0286.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 248 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

Zurück zum Seitenanfang