BuG: BuG II, A 753
Genf - St. Gotthard - Luzern 8. 11. 1779

Tagebuch 8. 11. 1779 (WA III 1, 102)

Martinach, Sion, Siders 8. 11. 1779

Vor Tag aus Martinach die Haupt Straße gangen. Sonnenschein Morgen. Sehr lustiger Weg. eine abgebrochne Brücke drei Stunden von Martinach über die Rhone. an der lincken Seite weg herrliche Aussicht von einem alten Schloss nach Sion und dem ganzen Thal. Aufsteigen der Dämpfe von den schnee bergen. NB Nacht und erst nach Sion etwas gegessen und zu Fus nach Syders alias Sierre gekom. Schöner Weeg an den Wenden am schönsten Tourbillon vorbey.

Carl August, Tagebuch 8. 11. 1779 (Funde und Forschungen S. 183)

Martinach, Sion, Siders 8. 11. 1779

¾7fort zu Pferd. 3 St. weit biß an eine Brücke über die Rhone, bey sehr schönen Wetter. Die Brücke war halb abgedeckt, wir wolten nicht einen Fußstieg am Waßer folgen, musten über 1½ St. zurück, über zwey abscheuliche Brücken, biß fast vor Martinach; dieses verdarb zum Glück meinen Humor nicht, sondern machte ihn wirklich reiner, denn ich sahe, wie das Glück uns so schön hatte führen wollen, denn wir musten einen hohen Berg hinauf, wo wir ein groß Theil des Thals in der schönsten Nachmittags Sonne zu sehn bekamen bey einen alten Schloß vorbey; gegen über, über der Rhone liegt ein anderes; die Besitzer, sagt man, haben sich sonst den guten Morgen durch Trompeten gegeben. Unter einer langen Weinlaube fort, endl. um 4 Uhr nach Sitten od. Sion, die Haubtstadt von Wallis, also die Pferde über 9 Stund ohne zu füttern geritten. In einen Dorfe wolten wir ihnen Brod geben, es war aber keins da. Bey der Stadt liegen zwey Schlößer, eines hieß Chateau de Tourbillon, zerstört, das andere Vallais. Erstaunlich viel simple Menschen und Kröpfe. Im Wallis noch nichts als Wein von diesen Jahr gefunden. Hier im Gasthof zu Sion brach auf einmahl über eine kleine discrepantz, Wedels unleidlich krancker Humor auß, wurde aber ziemlich zurückgeschlagen, u. gethan was man wolte; von ihm keine Notiz genommen; er sich sehr prostituirt. Zu Fuß bis Seiders, od. Siers. 3 St. bey schöner Sternhelle. Mit Göthen recht hübsch Geschwätz. Schöne Sinnen; viel an meiner Seite Schmertzen gelitten. Willige Wirthsleute, sonst schlecht. NB. Unsere Pferde, die wir in Bex antrafen, waren mit Wedeln über Lausanne, Vevay, Villeneuve u. Aigle gegangen.

Briefe aus der Schweiz II (WA I 19, 262)

Martinach, Sion, Siders 8. 11. 1779

Wir ritten vor Tag von Martinach weg, um bei Zeiten in Sion zu sein ... Wir waren schon drei Stunden die Landstraße hinan, die Rhone uns linker Hand, geritten; wir sahen Sion vor uns liegen und freuten uns auf das bald zu veranstaltende Mittagessen, als wir die Brücke, die wir zu passiren hatten, abgetragen fanden. Es blieb uns, nach Angabe der Leute, die dabei beschäftigt waren, nichts übrig, als entweder einen kleinen Fußpfad, der an den Felsen hinging, zu wählen, oder eine Stunde wieder zurück zu reiten und alsdann über einige andere Brücken der Rhone zu gehen. Wir wählten das letzte und ließen uns von keinem üblen Humor anfechten, sondern schrieben diesen Unfall wieder auf Rechnung eines guten Geistes, der uns bei der schönsten Tagszeit durch ein so interessantes Land spazieren führen wollte ... Endlich kamen wir an die Brücken, die sehr bös, schwankend, lang und von falschen Klüppeln zusammen gesetzt sind, Wir mußten einzeln unsere Pferde, nicht ohne Sorge, darüber führen ... So unangenehm und steinig der Weg war, den wir zu reiten hatten, so erfreulich fanden wir die noch ziemlich grünen Reblauben die ihn bedeckten ... Doch unterbricht die Häßlichkeit der Städte und der Menschen die angenehmen Empfindungen, welche die Landschaft erregt, gar sehr. Die scheußlichen Kröpfe haben mich ganz und gar üblen Humors gemacht. Unsern Pferden dürfen wir wohl heute nichts mehr zumuthen, und denken deßwegen zu Fuße nach Seyters zu gehen. Hier in Sion ist das Wirthshaus abscheulich ...

Da wir bei einbrechendem Abend erst von Sion weggegangen, sind wir bei Nacht unter einem hellen Sternhimmel hier [Siders] angekommen. Wir haben einige schöne Aussichten darüber verloren ... Besonders wünschten wir das Schloß Tourbillion, das bei Sion liegt, erstiegen zu haben; es muß von da aus eine ganz ungemein schöne Aussicht sein. Ein Bote, den wir mitnahmen, brachte uns glücklich durch einige böse Flecke, wo das Wasser ausgetreten war ... Mit verschiedenen astronomischen Gesprächen verkürzten wir den Weg, und sind bei guten Leuten, die ihr Bestes thun werden uns zu bewirthen, eingekehret.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0753 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0753.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 176 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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