BuG: BuG II, A 752
Genf - St. Gotthard - Luzern 7. 11. 1779

Carl August, Tagebuch 7. 11. 1779 (Funde und Forschungen S. 182)

Martinach, Saint-Maurice 7. 11. 1779

Nach 8 Uhr zu Fuß fort. Die Stadt Martinach rechts u. ein alt Schloß auf einen hohen Felßen von sehr schöner Form lincks liegen laßen. Es hieß Chat[eau] de la Batia. Alle diese Schlößer sollen von Savoischen Printzen bewohnt seyn worden. Weiter biß an eine Brücke, die vom Waßer eingerißen ist, über die Triant ... Auf den Weg liegen viele abgestürtzte Felsen. Schöner Granit. Meist Gestellstein. Endl. an die Pissevache. Den doppelten Regenbogen gesehn. Durften nicht später kommen, wars vorbey. Erst war der ganze obere Theil mit Regenbogensfarben gefärbt, dann war der Bogen im Bassin. Endlich nach St. Maurice. Hier fanden wir ein Billet von Wedel. Ich ging auf die Brücke über die Rhone, von den Römern, wie man sagt. Ein Bogen. Gar schöne leicht wirft er sich über den Fluß, nach den Schlußstein zu ist das Gewölbe schmäler. liegt gantz im Felßen; über der Brücke ist Canton Bern, vorher noch Wallis. Ich ging biß Bex alleine, fand Wedeln mit den Pferden, setzte mich auf meinen Braunen u. ritt zurück. Gegeßen. Mit Göthen nach einer Kirche, welche über 200 Fuß hoch im Felßen steht, u. groß ist, nebst einer Einsiedeley gestiegen, auf Treppen in Marmorfels gehauen, nebst einer Brustlehne. Nach Martinach wieder geritten.

Briefe aus der Schweiz II (WA I 19, 258)

Martinach, Saint-Maurice 7. 11. 1779

Heute früh gingen wir in der Dämmerung von Martinach weg ... Wir kamen dahin wo der Trientstrom um enge und gerade Felsenwände herum in das Thal dringt, daß man zweifelhaft ist, ob er nicht unter den Felsen hervor komme. Gleich dabei steht die alte, vor’m Jahr durch den Fluß beschädigte Brücke, unweit welcher ungeheure Felsstücke vor kurzer Zeit vom Gebirge herab die Landstraße verschüttet haben ... Nicht weit davon hat man eine neue hölzerne Brücke gebaut und ein ander Stück Landstraße eingeleitet. Wir wußten, daß wir uns dem berühmten Wasserfall der Pisse vache näherten, und wünschten einen Sonnenblick, wozu uns die wechselnden Wolken einige Hoffnung machten. An dem Wege betrachteten wir die vielen Granit- und Gneißstücke, die bei ihrer Verschiedenheit doch alle Eines Ursprungs zu sein schienen. Endlich traten wir vor den Wasserfall, der seinen Ruhm vor vielen andern verdient. In ziemlicher Höhe schießt aus einer engen Felskluft ein starker Bach flammend herunter in ein Becken, wo er in Staub und Schaum sich weit und breit im Wind herumtreibt. Die Sonne trat hervor und machte den Anblick doppelt lebendig. Unten im Wasserstaube hat man einen Regenbogen hin und wieder, wie man geht, ganz nahe vor sich. Tritt man weiter hinauf, so sieht man noch eine schönere Erscheinung. Die luftigen schäumenden Wellen des obern Strahls, wenn sie gischend und flüchtig die Linien berühren, wo in unsern Augen der Regenbogen entstehet, färben sich flammend, ohne daß die aneinanderhängende Gestalt eines Bogens erschiene; und so ist an dem Platze immer eine wechselnde feurige Bewegung. Wir kletterten dran herum, setzten uns dabei nieder und wünschten ganze Tage und gute Stunden des Lebens dabei zubringen zu können. Auch hier wieder, wie so oft auf dieser Reise, fühlten wir, daß große Gegenstände im Vorübergehen gar nicht empfunden und genossen werden können. Wir kamen in ein Dorf wo lustige Soldaten waren, und tranken daselbst neuen Wein, den man uns gestern auch schon vorgesetzt hatte ... Hier im Wirthshaus fanden wir ein Billet vom Freunde [v. Wedel], der zu Bex, drei viertel Stunden von hier, geblieben ist. Wir haben ihm einen Boten geschickt. Der Graf [Carl August] ist spazieren gegangen, vorwärts die Gegend noch zu sehen ...

Der Graf ist wieder gekommen, er war den Pferden entgegen gegangen und hat sich auf seinem Braunen voraus gemacht. Er sagt, die Brücke sei so schön und leicht gebaut, daß es aussehe als wenn ein Pferd flüchtig über einen Graben setzt. Der Freund kommt auch an, zufrieden von seiner Reise. Er hat den Weg am Genfersee her bis Bex in wenigen Tagen zurück gelegt, und es ist eine allgemeine Freude sich wieder zu sehen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0752 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0752.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 175 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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