BuG: BuG II, A 749
Genf - St. Gotthard - Luzern 5. 11. 1779

An Charlotte v. Stein 5. 11. 1779 (WA IV 4, 130)

Chamonix, Montenvers 5. 11. 1779

Das Thal Chamouni ... liegt sehr hoch ... Unsere Führer, die wir gedingt hatten, das Eismeer zu sehen, kamen bei Zeiten. Der eine ist ein rüstiger, iunger Bursche, der andre schon älter und sich klug dünkender, der mit allen gelehrten Fremden Verkehr gehabt hat, von der Beschaffenheit der Eisberge sehr wohl unterrichtet und ein sehr tüchtiger Mann ist. Er versicherte uns, dass seit acht und zwanzig Jahren, so lang führ’ er Fremde auf die Gebürge, er zum erstenmal so spät im Jahr, nach Allerheiligen, iemand hinauf bringe und doch versicherte er, dass wir alles eben so gut, wie im August sehen sollten. Wir stiegen, mit Speisse und Wein gerüstet den mont Anvert hinan, wo uns der Anblik des Eismeers überraschen sollte ... In der Gegend, wo wir stunden, ist die kleine von Steinen zusammengelegte Hütte für das Bedürfniss der Reisenden, zum Scherz das Schloss von Montanvert genannt. Monsieur Blaire, ein Engländer, der sich zu Genf aufhält, hat eine geräumigere, an einem schiklichern Ort, etwas weiter hinauf, erbauen lassen, wo man, am Feuer sizend, zu einem Fenster hinaus, das ganze Eisthal übersehen kann ... Wir wollten nunmehro auch das Eismeer betreten und diese ungeheure Massen auf sich selbst beschauen. Wir stiegen den Berg hinunter und machten einige hundert Schritte auf den wogigen Cristallklippen herum ... doch wollt’ es uns nicht länger auf diesem schlüpfrigen Boden gefallen, wir waren weder mit Fuseisen, noch mit beschlagenen Schuhen gerüstet, vielmehr waren unsere Absäze durch den langen Marsch abgerundet und geglättet, wir machten uns also wieder zu denen Hütten hinauf und nach einigem Ausruhen zur Abreise fertig. Wir stiegen den Berg hinab und kamen an den Ort, wo der Eisstrohm stufenweis biss hinunter in’s Thal dringt und traten in die Höle in der er sein Wasser ausgiesst ... Wir nahmen unsern Weeg nach dem Wirthshause zu, bei der Wohnung zweier Blondins vorbei: Kinder von zwölf bis vierzehn Jahren, die sehr weise Haut, weise, doch schroffe Haare, rothe und bewegliche Augen wie die Kaninchen haben ... Von unsern Diskursen geht’s nicht an, dass ich etwas aus der Reihe mittheile.

Carl August an Knebel 7. 6. 1780 (Knebel, Lit. Nachl. 1, 115)

Montenvers 5. 11. 1779

Auf dem Mont-Anvert findest Du ein Häuschen, wo mein und Goethe’s Name steht.

Notizen (WA III 1, 360)

Chamonix 5. 11. (?) 1779

1.) Vorgebürge, Kalchberg. Versteinerungen 2. Noten Büffon Langres, 3. Gefühl dass man näher ins Heilige komme. Vorhof der Kalchgeb. 4) Gemsen nach Paris. Handel mit Naturalien überhaupt umständlicher. 5. Wir traten davor. 6.) Erzählung der Leute vom Montblanc von Bourrit Saussure pp. Tisch der Engländer 7) Cretins. 8) und weiter mannigfaltige Berge 9) Capelle im Felsen. 10) Nachts aufgestanden. 11) Glaube dass die taschen leichter w. Sie wissen wenig pp. 12.) Stand nicht entdeckt.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0749 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0749.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 172 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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