BuG: BuG II, A 748
Genf - St. Gotthard - Luzern 4. 11. 1779

An Charlotte v. Stein 4. 11. 1779 (WA IV 4, 124)

Cluses, Sallanches, Chamonix 4. 11. 1779

Mit Tags Anbruch gingen wir zu Fuse von Cluse ab, den Weeg nach Balme ... Wir verlangten von den Leuten, dass sie uns zur Höle führen sollten, von der der Ort seinen Ruhm hat. Da sahen sich die Leute unter einander an und sagten einer zum andern: Nehm’ du die Leiter, ich will den Strik nehmen, kommt ihr Herrn nur mit! Diese wunderbare Einladung schrökte uns nicht ab, ihnen zu folgen ... Wir bereiteten uns zum Eingang in die Höle, zündeten Lichter an und luden eine Pistole, die wir losschiessen wollten ... Wir drangen so weit vor, als es die Wasser zuliesen, schossen im Herausgehn die Pistole los, davon die Höle von einem starken dumpfen Klang erschüttert wurde und um uns wie eine Gloke summte ... Bei hohem Sonnenschein kamen wir hier [Sallanches] an, nicht hungrig gnug, das Mitagessen, das aus einem aufgewärmten Fisch, Kuhfleisch und hartem Brod bestehet, gut zu finden. Von hier geht weiter in’s Gebürg kein Fuhrweeg für eine so stattliche Reisekutsche, wie wir haben, diese geht nach Genf zurück ... Ein Maulesel mit dem Gepäk wird uns auf dem Fuse folgen ...

Wir kamen dem Thale Chamouni näher und endlich darein. Nur die grossen Massen waren uns sichtbar, die Sterne gingen nach einander auf und wir bemerkten über den Gipfeln der Berge ... ein Licht, das wir nicht erklären konnten, hell, ohne Glanz wie die Milchstrasse, doch dichter, fast wie die Pleïaden, nur grösser, unterhielte es lang unsre Aufmerksamkeit, biss es endlich, da wir unsern Standpunkt änderten, ... über den Gipfeln aller Berge hervorragte und uns gewiss machte, dass es der Gipfel des mont blanc’s war ...

Wir sind hier in dem mittelsten Dorfe des Thals, le Prieuré genannt, wohl logieret, in einem Hause, das eine Wittwe den vielen Fremden zu Ehren, vor einigen Jahren erbauen lies. Wir sizen am Camin und lassen uns den Muskatellerwein, aus der vallée d’aost besser schmeken, als die Fastenspeissen, die uns aufgetischt werden.

Carl August, Tagebuch 4. 11. 1779 (GSA, Fürstl. Familie II)

Cluses, Sallanches, Servoz, Chamonix 4. 11. 1779

½ 7 Uhr fort zu Fuß; nach bolme ligt vom Wege links, in einen loch. Wir erstiegen zu der Höhle mit Müh, u. Gefahr beynah ¾ Stunden biß fast ans Ende wo Waßer ist. Voll Stallactiten, u. Fledermäuse. An einer andern öfnung ist ein Kirsch baum in der höhle gewachsen, u. streckt bloß die Äste heraus. Biß Salenche gefahren. Von dort zu Fuße weg, biß Mamorini. 5 gewaltige Stunden. Uber Serve nicht weit von Serve an der Arve ein alt Savoisch Schloß, St. Michel od. Bel Etoile genant ... Zieml. gut bewirthet, Ein Muscaten Wein gefunden der in der Val d’Aoste wächst, spät zu Bett.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0748 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0748.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 172 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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