BuG: BuG II, A 745
Genf 2. 11. 1779

Carl August, Tagebuch 2. 11. 1779 (*JbGG 11, 134)

Genf 2. 11. 1779

Früh um 8 Uhr sezten wir uns in die Kutsche und fuhren nach Verni zu pp. Diodati, frühstückten dorten und fuhren in seiner Begleitung nach Chouillx zum Brigadier von Chateauviex welcher meiner Frau viel Höflichkeit erzeugt hat wie sie hier war. Hier ward sehr weise über die Thorheit unseres Vorsatzes in dieser Jahrszeit nach den Savoyishen Gletschern zu reisen gesprochen. Alle nur ersinnl: Weltlauten und der Französ. Sprache je mögliche, wie auch zieml. unbescheidene Emphase ward angewand um uns davon abzubringen; Sie trieben ihren Eifer so weit daß ich mich genöthigt sahe, mich durch einige Lügen aus der Sache heraus zu helfen; hätte ich dießes Mittel nicht ergriffen, so würde mich der Eckel über ihre kluge Vorsichtigkeit, zum Erbrechen gebracht haben. Wir fuhren wieder herein; ich ging noch vor Tisch zu Madam le Foir einer gebohrnen Schmettau ... Diodati aß bey uns, nach Tisch fuhren wir mit ihm zum Profeßor de Sauçure auf sein Land Guth; Es liegt am See und ist auserordentl. schön. Er ist von sehr schöner Figur, und hat eine Tochter, die mir den Ansehen nach sehr liebenswürdig schien. Seine auserordentl. Reisen nach den Eisgebürgen haben ihn bekant gemacht. Wir fragten ihn wegen unsers Projects um Rath, und er sagte daß wir ohne alle Gefahr, und ohne grose Beschwernüße die Reise unternehmen könten. Wieder nach Hauß. Juel endigte Göthens Bild, es ist dünckt mir sehr gut gerathen ... In Diodati habe ich mich betrogen, es ist ein solcher verfluchter welt Schof[?] als einer unter der Sonne.

Carl August an Herzogin Luise 2. 11. 1779 (JbGG 11, 119)

Genf 2. 11. 1779

Ich habe mich ... zwey Tage länger hier [Genf] aufgehalten als ich gewolt habe, aber ich konnte nicht loß kommen. Eine Adreße von Basel wieß uns an den Banquier Pasteur, machte uns seine Bekantschaft; welche aber bald geschlossen wurde, denn er ist gantz ein fataler Kerl. Hierauf ward sich weiter, u. zwar nach einer alten Bekantschaft von dir umgesehn, nehml. nach bibliothécair Deodati. Dieser hat uns viel Höflichkeit erzeigt, uns auf sein Landgut zu eßen gegeben, uns zu Bonnet, u. endl. heute zum Brigadier von Chateauvieux geführt. Alle diese Leute sind deines Lobes voll, u. tragen mir auf, sie dir zu empfehlen, wie auch Md. la Brigadiere. Gestern früh wahren wir zu Fernai, doch ohne den Besitzer zu sehn. Morgen wird endl. die große Reise nach den Gletschern des Faucigni angetreten. Ich hatte einigen Zweifel, ob wir es bey jetziger später, obgleich schöner Jahrszeit vornehmen könten, ich gab fast dieses Unternehmen auf, endl. ging ich, um einen festen Entschluß zu nehmen, mit Diodati zum Mr. de Sausure, welcher diese Eisgebirge von in, u. außwendig kennt, solche zu aller Jahrszeit durchreist hat, u. wo nur ein Mensch hin kan, gewesen ist; diesen entschloß ich mich zu meiner Richtschnur zu nehmen, u. blindlings zu folgen was er mir sagen würde. Dieser aber zu meiner großen Freude sagte, daß, da noch kein Schnee auf denen Alpen läge, ich sicher hinreißen könnte, wo ich wollte, u. wenn auch Schnee fiele, er uns nie so übereilen könne, daß wir etwas von ihm zu befürchten hätten. Wir reisen also morgen, über Bonneville, Valenche, Chamouni, u. Martinach, u. sehn die Eisgebirge, u. Gletscher, welche ohne Unbequemlichkeit in der Nähe besehn werden können. Wie wir weiter die Schweitz genießen werden, wird uns das Schicksal eingeben.

An Charlotte v. Stein 2. 11. 1779 (WA IV 4, 118)

Genf 2. 11. 1779

Weil es denn überall Frau Basen giebt, die vom Müssiggange mit dem Rechte beliehen sind sich um andrer Leute Sachen zu bekümmern, so wollte man hier den Herzog von der Reise in die Savoyischen Eisgebürge die er sich selbst imaginirt hat und von der er sich viel Vergnügen verspricht mit den ernsthaftesten Protestationen abhalten. Man wollte eine Staats und Gewissenssache daraus machen, dass wir glaubten am besten zu thun, wenn wir uns erst des Raths eines erfahrenen Mannes versicherten. Wir kompromittirten daher auf den Professor de Saussure und nahmen uns vor nichts zu thun oder zu lassen als was dieser zu oder abrathen würde. Es fuhr iemand von der Gegenparthei mit zu ihm hinaus und auf ein simples exposé entschied er zu unserm grossen Vergnügen, dass wir ohne die geringste Fahr noch Sorge den Weeg in dieser so gut als in einer frühern Jahrszeit machen könnten. Er zeigte uns an was in den kurzen Tagen zu sehen würde möglich seyn, wie wir gehen und was für Vorsorge wir gebrauchen sollten. Er spricht nicht anders von diesem Gange als wie wir einem Fremden vom Buffarthischen Schloss oder vom Etterischen Steinbruche erzählen werden.

An Lavater 2. 11. 1779 (WA IV 4, 114)

Genf 2. 11. 1779

Noch einige Worte ... eh wir uns tiefer in die Gebürge verlieren in die wir unter Garantie des Herrn de Saussure einen Versuch wagen.

An Charlotte v. Stein Mitte Nov. 1779 (WA IV 4, 122)

Genf 2. 11. 1779

Hier und da auf der ganzen Reise ward so viel von der Merkwürdigkeit der Savoier Eisgebirgen gesprochen und wie wir nach Genf kamen, hörten wir, dass es immer mehr Mode würde, dieselben zu sehen, dass der Herzog eine sonderliche Lust kriegte, seinen Weeg dahin zu nehmen, von Genf aus über Cluse und Salenche in’s Thal Chamouni zu gehen ... dann über Valorsine und Trient nach Martinach in’s Wallis zu fallen. Dieser Weeg, den die meisten Reisenden nehmen, schien, wegen der Jahrszeit etwas bedenklich. Der Herr de Saussure wurde deswegen auf seinem Landgute besucht und um Rath gefragt. Er versicherte, dass man ohne Bedenken den Weeg machen könnte, es liege auf den mittlern Bergen noch kein Schnee und wenn wir in der Folge auf’s Wetter und auf den guten Rath der Landleute achten wollten, der niemals fehl schlüge, so könnten wir mit aller Sicherheit diese Reise unternehmen.

Briefe aus der Schweiz II (WA I 19, 257)

Genf 2. 11. 1779

Wenn es nach dem Rath des Herrn de Saussure geht, so machen wir den Weg bis an die Furka zu Pferde, sodann wieder bis Brieg zurück über den Simpelberg, wo bei jeder Witterung eine gute Passage ist, über Domo d’ossola, den Lago maggiore, über Bellinzona, und dann den Gotthard hinauf. Der Weg soll gut und durchaus für Pferde practicabel sein.

An Johanna Schlosser 16. 11. 1779 (WA IV 4, 138)

Genf 2. 11. 1779

Da ich in Genf ... von Philippen [Seidel] auseinander ging, trug ich ihm auf er solle dir abschreiben einige Blätter die ich von unsrem Seitenweg auf die Dole pp. dicktirt hatte.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0745 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0745.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 168 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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