BuG: BuG II, A 741
Genf 29. 10. 1779

Carl August, Tagebuch 29. 10. 1779 (*JbGG 11, 133)

Genf 29. 10. 1779

Nach 10 Uhr kam der Bibliothecair Diodati, mit dem jungen Dobler zu uns; ersterer ist Geistlicher, ein Mann von vielem Verstand, und wie es mir scheint, vieler Gelehrsamkeit, und sehr angenehm, schwächlicher Gesundheit; er mahlt auch zieml. hübsch; letzterer [G. Chr. Tobler] ist ebenfalls geistl., soll viel Kentnüße besitzen, und scheint ein hübscher fähiger Mensch zu seyn: etwas scheint er mir gleicht er Kaufmannen. Sie führten uns auf die Bibliothèque, wo wir sehr schöne Portrait Gemählde sahen, wie auch eine Samlung von Rembrandischen Ratirungen. Es sind sehr schöne Abdrücke die Samlung aber sonst sehr unvolständig. Auch ist hier ein silbernes Schildlein merckwürdig, welches in der Arve ... gefunden worden ist. Es ist dieses ein Preiß welches die römischen Kayser ihren Soldaten bey einer oder der andern Gelegenheit zu geben pflegten; dieses ist deucht mir vom Kayser Adrian; einige sehr verwaschene menschliche Figuren sind auf demselben sichtbar. Die 2 Herrn aßen bey uns zu Mittag, und wir fuhren in Begleitung des Hrn. Diodati hinauß, nach Gendhot, welches Gento ausgesprochen wird, das Landhauß von Bonnet. Wir fanden ihn beschäftigt, sich von einem dähnischen Maler Juel mit nahmen, mahlen zu laßen. Dieser mahlt sehr praf. Bonnet ist gar ein lieber, zutraulicher Mann; er freute sich, daß wir zu ihm kamen. Wir sahen bey ihm einen lebendigen Salamantor mit welchem er folgenden sonderbaren Versuch gemacht hat; Er hat ihm nehmlich an der einen vorder Pfode einen Finger abgeschnitten, welcher innerhalb 2. Monathen volkommen wieder gewachsen ist. Einen andern hat er die vorder Pfode und den Schwanz abgeschnitten, und beyde sind volkommen wieder gewachsen. Eine andre Pfode hatt er ihm gespalten ohne einen Finger zu verlezten, und es wuchs aus der Wunde ein fünfter Finger, da das Thiergen nur sonst vier an den vorder Füßen hat. Die Madam Bonnet hilft ihm wie er sagte viele Bemerckungen und Versuche machen; er selber hört etwas schwer. Ich erhielt von ihm die kleiner Edition der neusten Ausgabe seiner sämtl. Wercke, weil er die größere nicht gleich bey der Hand hätte. Wir fuhren nach Hauß und brachten den Abend mit lesen zu.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0741 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0741.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 166 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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