BuG: BuG II, A 1336
Weimar Ende Aug./Anf. Sept. 1781

G. Chr. Tobler an Lavater 30. 8. 1781 (SchrGG 16, 359)

B2 221

Weimar Ende Aug./Anf. Sept. 1781

Wir [Tobler und Knebel] wären fort wenn die Herzoginn niedergekommen wäre. Aber sie und die Doctor haben sich um einen Monat verrechnet. Alle Stunden hoft man den Knall der Canonen zuhören. Goethe arbeitet in der Hoffnung eines Prinzen am neüen Stüke [Elpenor] – und wenn das geschieht so bleib ich bis zur Aufführung hier; Knebel muß auch dabey seyn. Sonst aber gehn wir gleich nach der Niederkonft.

Goethe hat gar große Freüde mit deinem lezten Brief gehabt – und sich deiner Unüberwindlichkeit gefreüt. Er hat mir draus vorgelesen und mit mir drüber gesprochen. Aber Du läßest mich nicht grüßen – Du glaubtest wohl, ich wäre fort ... Vom Pontius Pilatus sagte Goethe. Nun das muß man ihm laßen wenn er ein Gefäß findet – so ruhet er nicht bis es voll ist. Es ist gut das die Schröter ziemlich gehalten und widerstehend ist. Sonst hätte ich mich hier für einen kurzen Aufenthalt ein bisgen zu viel angehängt. – Ich wollte es nicht ernstlich nehmen aber ich erfuhr daß alle Töne zusammenhängen. Sie ist etwas kalt – aber wahr, froh, wohlthuend ... Goethes Tasso ist herrlich – in ganz anderer Manier als die bisherigen Stüke, am meisten der Iphigenie ähnlich, noch mehr betrachtend und gesprächartig. Vorgestern war sein Geburtstag. Die alte Herzoginn (für deren protegé ich gelte) gab ihm eine fête und Walddrama. Schröterin agirte. Es that mir weh sie auf dem Theater zusehen. Aber morgens drauf machte sie michs wieder vergeßen. [Nach dem 10. Sept.:] Sie spielt mir oft die Lieder von Rousseau voll Einfalt und Natur. Es ist eben kein Wunder daß sie nicht mehr Lust gehabt sich an mich zuhängen. Wer mag sich an einen Reisenden attachiren? Die Weiber sind klüger als wir. Und denn hat sie der verzweifelte Goethe gar zu gut verwahret indem er ihre Kunsttalente beständig in Athem hält – und all seinen Wiz braucht ihre Munterkeit zu nähren ... Und nun ist all das Erwarten hier abermahl getaüscht! Knebel wirds gesagt haben und Goethes Stük mit in der Geburt erstikt – das mich in der That fast mehr reüt als die Princeßin die ohne dies ein Princeßinnenloos würde gehabt haben.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_1336 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_1336.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 319 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

Zurück zum Seitenanfang