BuG: BuG II, A 1327
Weimar Sommer 1781

A. v. Kotzebue, Meine verschiedenen Bestimmungen im bürgerlichen Leben (JSK 2, 178)

Weimar Sommer(?) 1781

Die Stelle eines Kriegs-Secretairs in Weimar wurde erledigt, ein Posten, dem ich, in damaligen friedlichen Zeiten, wohl vorstehen konnte. Die Gewährung meines Wunsches hieng gröstentheils von Goethe ab. Dieser berühmte Mann war Jahre lang ein Freund unsers Hauses gewesen; er hatte meine hübsche Schwester sehr ausgezeichnet, sogar die Geschwister für sie geschrieben und dieses liebliche kleine Stück mit ihr gespielt. Der Umgang mit meiner klugen Mutter hatte ihm stets interessant geschienen, und ich selbst als Knabe seine Aufmerksamkeit erregt; daher war zu hoffen, daß er gern der Schöpfer meines mäßigen Glückes werden würde. Viermal ließ ich mich bei ihm melden, um meine Bitte vorzutragen, allein vergebens, er ließ mich nicht vor. Es war keine Zeit zu verlieren, darum entschloß sich die liebende Mutter selbst zu einem Besuche bei ihm. Er wohnte in seinem Garten, ziemlich weit von der Stadt. Es war ein sehr heißer Tag. Meine Mutter gieng und ich blieb zu Hause, ihre Zurückkunft mit Sehnsucht erwartend. Sie kam früher zurück als ich vermuthet hatte; sie sank ermattet, erhizt und in Thränen schwimmend auf den Sofa, denn – Goethe hatte, ob er gleich zu Hause war, durch seinen Bedienten sie abweisen lassen. Nie wird das Bild aus meiner Seele verlöschen, wie meine erschöpfte, tief gekränkte Mutter Schweiß und Thränen abtrocknete. – Freilich hatte Goethe selbst eine Art von Secretair, eigentlich einen Schreiber, aus Frankfurt am Mayn, den er versorgen wollte oder mußte, und daß er diesen mir vorzog, verdenke ich ihm nicht; aber er hätte es wohl auf eine schicklichere Weise thun können.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_1327 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_1327.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 317 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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