BuG: BuG II, A 2188
Weimar 18./29. 9. 1784

F. H. Jacobi an Hamann 18. 10. 1784 (Gildemeister 5, 11)

Weimar 18./29. 9. 1784

Ich ging ... nach Weimar, wohin Göthe und Herder mich dringend eingeladen hatten. Die anhaltende Bewegung, die beständige Abwechslung von Gegenständen und Gedankenformen, vornehmlich aber die seligen Tage, die ich zu Weimar, wo auch unser Claudius sich einfand, verlebte, haben mir ungemein wohl gethan ... Zuerst meinen großen Dank für Ihr Golgatha und Scheblimini, dessen Empfang mich zu Hofgeismar sehr erfreute. Herder hat Ihnen vermuthlich schon gemeldet, wie sehr wir alle zu Weimar uns an Ihrer Schrift ergötzt haben.

Herder an Hamann, Ende Okt. 1784 (O. Hoffmann S. 202)

Weimar 18./29. 9. 1784

Mich freuet der Gedanke der Sammlung [Golgatha und Scheblimini] sehr; verändern oder verkürzen Sie doch aber nicht viel, und beschenken sodenn mich und Göthe, (der Ihre Schriften alle ungebunden in einer eignen Lade, wie in einem Heiligthum gesammlet hat) mit einem hübschen Exemplar auf Postpapier ... Sobald Sie von Mendelsohns Aufnahme Ihres Golgatha etwas erfahren: so theilen Sie mirs doch mit. Uns d. i. Göthe, Jacobi und mir hat es herzl. Freude gemacht; von so verschiednen Seiten wir auch die Schädelstäte faßen mochten.

F. H. Jacobi an Chr. J. Kraus 14. 9. 1788 (Zoeppritz 1, 107)

Weimar 18./29. 9. 1784

Im Jahre 84 machte ich zu Weimar Herders persönliche Bekanntschaft, und er wurde mir in den 12 Tagen die wir miteinander verlebten so gut, daß er mir anbot, ich sollte mit ihm, wie ich mit Goethe und Claudius (welche beyde zugegen waren) schon vorlängst gethan hatte, Brüderschaft machen.

F. H. Jacobi an Amalie Fürstin Gallitzin 11. 10. 1784 (Roth 1, 372)

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Weimar 18./29. 9. 1784

Nun erreichte ich endlich Weimar. Die Geschichte meines dortigen Aufenthalts ist zu reich, als daß ich sie erzählen könnte. Göthe war, nach einem langen Herumreisen im Harz, eben nach Hause gekommen. Wegen der mit einem solchen Zuge verknüpften Ungewißheiten hatte er sich, nachdem er Braunschweig verlassen, nichts mehr nachschicken lassen. Er fand also nach seiner Zurückkunft meine beiden Briefe, war voll Sorge, ich möchte nicht mehr kommen, und wurde nun, da er mich unversehens in sein Zimmer treten sah, vor Freude blaß. Herders Seele öffnete sich mir gleich nach den ersten Umarmungen. Es war uns allen unaussprechlich wohl. Den 25sten kam nun auch Claudius. Aber Sie, liebe Amalia, kamen nicht. Nach mir und meiner Schwester trauerte niemand mehr darüber als Göthe. Er hatte über Ihren großen Schattenriß eine unsägliche Freude. Mein Vorsatz war, ihn nur eine Copie davon nehmen zu lassen; aber er eignete sich ihn so eifrig zu, daß ich unmöglich dagegen an konnte. Von der vornehmen Gesellschaft haben wir uns nicht stören lassen. Ich weiß wohl, sagte Göthe, daß man, um die dehors zu salviren, das dedans zu Grunde richten soll; aber ich kann mich denn doch nicht wohl dazu verstehen. Am 29sten reiste ich ab.

F. H. Jacobi an Herder 26. 12. 1792 (Ratjen S. 187)

Weimar 18./29. 9. 1784

Ich fand ihn nicht so sehr verändert, und, wo er es war, ganz anders als man mir gesagt hatte. Die Sauberkeit, die er angenommen da ich ihn 84 zu Weimar wieder sah, war ganz von ihm weg, ich fand ihn jetzt wieder wie 1775, aber in dem, was er Rauhes hat, rauher ich mögte sagen karikaturirter als damals.

Wieland an Merck 3. 1. 1785 (Wagner1 S. 436)

Weimar 18./29. 9. 1784

Jacobi’s Anwesenheit hat Herdern, Göthen und mir einige sehr gute Tage gemacht; ich habe ihn zwar, wie billig, größtentheils an die beiden ersten überlassen müssen; jedoch kann ich mich nicht beklagen, daß sie mir nicht auch meinen bescheidenen Theil hätten zukommen lassen.

F. H. Jacobi, David Hume S. 190

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Weimar 18./29. 9. 1784

Die Anmassungen und Begierden der Menschen sind sonderbar genug. Sie möchten gern mit den bloßen Augen sehen können, ohne Licht; und noch lieber gar auch ohne Augen. So, meynen Sie, würde man erst recht eigentlich, wahrhaft und natürlich sehen. Nach dergleichen Vorstellungsarten das Unnatürlichste als das Natürlichste, und das Natürlichste als das Unnatürlichste zu betrachten, das heißt dann Philosophie. Ich erinnere mich, daß ich in einer vermischten Gesellschaft einmal die Frage aufwerfen hörte: wie das menschliche Geschlecht wohl möchte fortgepflanzt worden seyn, wenn der Sündenfall nicht eingetreten wäre? Ein geistvoller Mann [Neudruck Werke II 1815: Goethe] antwortete schnell: ohne Zweifel durch einen vernünftigen Diskurs!

Herder an Knebel 5. 10. 1784 (Knebel, Lit. Nachl. 2, 233)

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Weimar 18./29. 9. 1784

Jacobi ist sehr gerührt weggegangen, insonderheit von Goethe: unsre Bekanntschaft wird ihm gewiß an Leib und Seele wohlthun. Claudius sehnte sich wie ein Vertriebener nach Hause, weil es ihm nirgend mehr wohlbehagte. Die so verschiedene Gemüthsart dieser zwei guten Leute hat mich in einem stillen Conflict zurückgelassen ... Goethe’s Abreise kam dazu, der noch in Ilmenau ist und dem die Gegenwart der Fremden auch gut gethan hat. Er ist nur einmal hier bei mir gewesen, und vom Herzoge und seiner Reise ist kein Wort vorgefallen, weil ich mit ihm von politischen Sachen so wenig als möglich spreche, obgleich auch mir die dumme Mähre [von einer Verstimmung zwischen Goethe und Carl August] zu Ohren gekommen war.

J. H. Hasencamp an F. Chr. Hoffmann 8. 12. 1784 (v. d. Goltz 2, 51)

Weimar 18./29. 9. 1784

Mehr als ein Mal hab’ ich den Brief [von Th. Wizenmann über Jacobis Eindrücke in Weimar] gelesen ... Häfeli, der in der Gesellschaft schweigt, gefällt mir eben deßhalb am besten: denn aus Dummheit hat er wohl nicht geschwiegen ... An Herder gefällt mir, daß er eine weiche Seele hat und von sich nicht soviel hält, als er in seinen Schriften zu thun scheint ... Indeß mißfällt mir an ihm, daß Lavater ihm zum Ekel ist; und daß der mir sonst werthe Claudius über Lavater, den mir noch immer theuern Mann, auch so ein witzig Wort sagte, wollte mir nicht gefallen.

Herder’s eigenes Geständniß, daß er selten zu beten pflege, dann sein ängstliches Herumlaufen auf dem Zimmer und das Aufreißen der Bibel, Beides ist mir kein sonderlicher Beweis für sonderliche Philosophie und Christus-Religion ...

Goethe gehört wohl zu den garstigen Menschen, die in der Schrift Hunde und Schweine genannt werden, und er ist der Gesellschafter, oder wohl gar Erzieher eines Fürsten und dem Herder nicht zum Ekel!

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_2188 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_2188.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 490 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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