BuG: BuG II, A 427
Weimar 9. 7. 1778

Tagebuch 9. 7. 1778 (WA III 1, 68)

Weimar 9. 7. 1778

Herzogin Nahmenst[ag] gefeyert.

Fourierbuch 9. 7. 1778, Eintrag von J. Chr. Waitz (Huschke S. 56)

Weimar 9. 7. 1778

Heute wurde der Höchsterfreul. Nahmenstag unßerer Durchl. Herzogin [Luise] folgentermaasen cellebriret, es war Ordenti. Tafel, kein Calla war nicht angesaget, sondern es war Durchl. Herzogin zum Vergnügen ins Geheim bey dem Pulffer-Thurm eine Anlage eines alten Closters verfertiget, darneben ein Platz alwo Fürstl. Tafel gehalten wurde, oben darüber in den Busch war die Music verborgen; Um 2 Uhr gingen Durchl. Herrschafft an Tafel, Durchl. Herzogin wusten nicht anders, es würde im Stern gespeißet! Da Durchl. Herzogin aber an die Floß-Brücke kahmen, wurde Sie von 6 Closter Brüdern empfangen: solche waren 1. Durchl. Herzog, 2. Durchl. Prinz Constantin, 3. H. Oberstal. v. Stein, 4. H. Kammerh. v. Seckendorff, 5. H. Hauptmann v. Knebel, 6. H. Geh.Leg. Gehde. Solche hielten eine Anrede an Durchl. Herzogin und führeten Sie ins Closter ein. Darinne war eine Tafel serviret mit 6 irdenen Tellern und dergl. Schüßel. benebst blechernen Löffeln die Closter Brüder hielten wieder eine kleine Rede an Durchl. Herzogin und speißeten aida eine Bier Kalteschale, nun wurde die Closter Glocke geleutet zum Zeigen an Fürstl. Tafel, die Tühre wurde geöffnet und Durchl. Herzogin sahen mit Verstaunen eine schöne Fürstl. Tafel serviret wobey sich eine Music mit Trompeten und Pauken heren liese; Abends war aida wiederum Tafel gehalten und alsden dieser Freutigetag mit einer Abend Music beschloßen! Von der Music bekahm jeder 2 Maas auch 3 Maas Wein.

Das Louisenfest (WA I 36, 235)

Weimar 9. 7. 1778

An dem diesseitigen Ufer [der Ilm] stand, ein wenig weiter hinauf, eine von dem Fluß an bis an die Schießhausmauer vorgezogene Wand, wodurch der untere Raum nach der Stadt zu, nebst dem Wälschengarten völlig abgeschlossen war. Davor lag ein wüster, nie betretener Platz, welcher um so weniger besucht ward, als hier ein Thürmchen sich an die Mauer lehnte, welches, jetzt zwar leer und unbenutzt, doch immer noch einige Apprehension gab, weil es früher dem Militär zu Aufbewahrung des Pulvers gedient hatte.

Diesen Platz jedoch erreichte das Wasser nicht; der bisherige Zustand erlaubte hier etwas ganz Unerwartetes zu veranstalten, man faßte den Gedanken die Festlichkeit [anläßlich des Namenstages der Herzogin Luise] auf die unmittelbar anstoßende Höhe zu verlegen, dahin wo hinter jener Mauer eine Gruppe alter Eschen sich erhob, welche noch jetzt Bewunderung erregt. Man ebnete unter denselben, welche glücklicherweise ein Oval bildeten, einen anständigen Platz und baute gleich davor, in dem, schon damals waltenden und auch lange nachher wirkenden Mönchssinne, eine sogenannte Einsiedelei, ein Zimmerchen mäßiger Größe, welches man eilig mit Stroh überdeckte und mit Moos bekleidete.

Alles dieses kam in drei Tagen und Nächten zu Stande, ohne daß man weder bei Hofe noch in der Stadt etwas davon vermuthet hätte. Der nahgelegene Bauplatz lieferte unserm Werk die Materialien, wegen der Überschwemmung hatte niemand Lust sich nach dem Stern zu begeben.

Nach jenen mönchischen, unter diesen Umständen die Oberhand gewinnenden Ansichten, kleidete sich eine Gesellschaft geistreicher Freunde in weiße, höchst reinliche Kutten, Kappen und Überwürfe und bereitete sich zum Empfange. Der Hof war zur gesetzlichen Tagesstunde eingeladen; die Herrschaften kamen jenen untern Weg am Wasser her; die Mönche gingen ihnen bis an den erweiterten Felsenraum entgegen, wo man sich anständig ausbreiten konnte, worauf denn nachstehendes, von Kammerherrn Siegmund von Seckendorff gefertigtes Dramolet gesprochen wurde.

 
  Pater Orator.   Memento mori! die Damen und Herrn   Gedachten wohl nicht uns zu finden am Stern,   Es sei denn sie hätten im voraus vernommen,   Daß, eben am Tag wie das Wasser gekommen,   Auch wir mit dem Kloster hieher sind geschwommen,   Zwar ist die Capelle, der schöne Altar,   Die heiligen Bilder, die Orgel sogar,   Erbärmlich beschädigt, fast alles zerschlagen,   Die Stücke, Gott weiß! wo hinabwärts getragen;   Doch Keller und Küche, zwar wenig verschlemmt,   Hat auch sich, Gottlob, mit uns feste gestemmt,   Als wir, durch brausende Fluthen getrieben,   Hier dicht an der Mauer sind stehen geblieben.   P. Provisor.   Ja das war für’s Kloster ein groß Glück,   Sonst wären wir wahrlich geschwommen zurück;   Und ist man auch gleich resignirt in Gefahren,   So mag doch der Teufel die Welt so durchfahren.   P. Guardian.   Ich meines Orts freu’ mich der Nachbarschaft,   Die uns unsre seltsame Reise verschafft.   Und ist auch das Kloster hier gut etablirt –   P. Küchenmeister.   Ja nur etwas kärglich und enge logirt –   P. Decorator.   Nun ’s Wasser hat freilich uns viel ruinirt.   P. Florian.   Von Mücken und Schnacken ganz rasend geplagt.   P. Küchenmeister.   Und vielerlei, was mir noch sonst nicht behagt.   P. Decorator.   Ei! Ei! wer wird ewige Klaglieder stimmen –   Sei der Herr zufrieden nicht weiter zu schwimmen.   P. Florian.   Der dicke Herr ist der Pater Guardian,   Ein überaus heilig- und stiller Mann,   Den wir, dem löblichen Kloster zum besten,   Mit allem was lecker und nährend ist mästen.   Und dieser hier Pater Decorator,   Der all unsern Gärten und Bauwerk steht vor,   Der hat nun beinahe drei Nacht nicht geschlafen,   Um uns hier im Thal ein Paradies zu verschaffen.   Denn wenn der was angreift so hat er nicht Ruh,   Stopft Tag und Nacht die Löcher mit Heckenwerk zu,   Macht Wiesen zu Felsen und Felsen zu Gänge,   Bald gradaus, bald zickzack die Breit’ und die Länge.   Sogar auch den Ort, den sonst niemand ornirt,   Hat er mit Lavendel und Rosen verziert.   P. Provisor.   Ei überhaupt von den Patern hier insgesammt   Ist keiner der wohl nicht verwaltet sein Amt.   Doch pranget freilich Pater Küchenmeister   Als einer der höchst speculirendsten Geister,   Weil schwerlich auf Erden eine Speise existirt,   Die er doch nicht wenigstens hätte probirt.   P. Orator.   Ja der versteht sich auf’s Sieden und Braten,   Der macht rechte Saucen und süße Panaten,   nd Torten von Zucker und Cremen mit Wein,   Mit dem ist’s eine Wollust im Kloster zu sein.   Drum dächt’ ich ihr ließt euch drum eben nicht schrecken,   Wenn gleich rauhe Felsen unsre Wohnung bedecken,   Und eng sind die Zellen und schlecht dieß Gewand,   So bergen sie Reize die nie ihr gekannt.   Laßt ab zu verschwenden die köstlichen Tage   Mit quirlenden Sinnen und strebender Plage,   Mit schläfrigen Tänzen und schläfrigem Spiel,   In sinnlicher Trägheit und dumpfem Gefühl.   Bekehrt euch von Kolik, von Zahnweh und Flüssen,   Und lernet gesünder des Lebens genießen!   Ihr gähnet im Glanze von festlicher Pracht,   Wir schätzen den Tag und benutzen die Nacht;   Ihr schlaft noch bei’m Aufgang der lieblichen Sonne,   Wir schöpfen und athmen den Morgen mit Wonne:   Ihr taumelt im Hoffen und Wünschen dahin,   Wir lassen uns lieber vom Augenblick ziehn.   Und beichten wir unsere Sünden im Chor,   So sind wir so heilig und ehrlich wie vor.   P. Provisor.   Herr Guardian, die Glock’ hat zwei schon geschlagen.   P. Guardian.   Gottlob! Ich fühlt’ es schon längstens im Magen.   P. Küchenmeister.   Ew. Hochwürden, die Speisen sind aufgetragen.   P. Orator.   Sie rechnen’s uns allerseits übel nicht an   Wenn keiner der Paters verweilen nicht kann.   Sie wissen, die Suppe versäumt man nicht gern.   Alle.   O stünde doch unsre Tafel im Stern!   P. Guardian.   Doch will jemand in’s Refectorium kommen,   So ist er mir und dem Kloster willkommen.   (Ab.)

Auf die einladenden Verbeugungen des Pater Guardian folgten die Herrschaften mit dem Hofe in das kleine Zimmer, wo, um eine Tafel, auf einem reinlichen aber groben Tischtuche, um eine Bierkaltschale, eine Anzahl irdener tiefer Teller und Blechlöffel zu sehen waren, so daß man bei der Enge des Raumes und den kümmerlichen Anstalten nicht wußte was es heißen solle, auch die Frau Oberhofmeisterin, Gräfin Gianini, sonst eine heitere humoristische Dame, ihr Mißbehagen nicht ganz verbergen konnte.

Hierauf sprach

  P. Guardian.   Herr Decorator, der Platz ist sehr enge,   Und unsre Clausur ist eben nicht strenge,   Ich dächte wir führten die Damen in’s Grüne.   P. Decorator.   Ja wenn die Sonne so warm nur nicht schiene.   P. Guardin.   Es wird ja wohl Schatten zu finden sein.   P. Küchenmeister.   Ich meines Orts esse viel lieber im Frei’n!   P. Guardian (zum P. Decorator).   Es fehlt ihm ja sonst nicht an guten Ideen.   P. Decorator.   Nun, wenn Sie’s befehlen, so wollen wir sehen.   (Geht ab.)   P. Guardian.   Es ist ein gar fürtrefflicher Mann.   P. Küchenmeister   Ich zweifle, daß er uns dießmal helfen kann;   Die Plätze sind alle mit Wasser verschlemmt   Und noch nicht peignirt –   P. Orator.   Sag’ Er doch gekämmt!   Daß Er doch sein Frankreich, wo die Küch’ Er studirt,   Noch immer und ewig im Munde führt.   P. Decorator (kommt wieder).   Ew. Hochwürden, der Platz ist ersehn;   Wenn’s Ihnen gefällig ist wollen wir gehn.   (Alle ab.)

In diesem Augenblick eröffnete sich die hintere Thüre und es erschien eine gegen den engen Vordergrund abstechende prächtig-heitere Scene. Bei einer vollständigen symphonischen Musik sah man, hoch überwölbt und beschattet von den Ästen des Eschenrundes, eine lange, wohlgeschmückte, fürstliche Tafel, welche ohne weiteres schicklich nach herkömmlicher Weise besetzt wurde, da sich denn die eingeladenen übrigen Gäste mit Freuden und glückwünschend einfanden.

Den Mönchen ward die schuldigst angebotene Aufwartung verwehrt und ihnen die sonst gewohnten Plätze bei Tafel angewiesen. Der Tag erzeigte sich vollkommen günstig, die rings umgebende Grüne voll und reich. Ein über Felsen herabstürzender Wasserfall, welcher durch einen kräftigen Zubringer unablässig unterhalten wurde und malerisch genug angelegt war, ertheilte dem Ganzen ein frisches romantisches Wesen, welches besonders dadurch erhöht wurde, daß man eine Scene der Art, in solcher Nähe, an so wüster Stelle keineswegs hatte vermuthen können. Das Ganze war künstlerisch abgeschlossen, alles Gemeine durchaus beseitigt; man fühlte sich so nah und fern vom Hause, daß es fast einem Mährchen glich.

J. A. Ludecus, Aus Goethes Leben S. 71

Weimar 9. 7. 1778

Das Kloster wurde die Gegend des jetzigen Parks genannt, welche zwischen dem Tempelherrnhause und der Ruine sich befindet. Hier war zum Geburtstag der Herzogin ein kleines Gebäude errichtet, welches ein Kloster vorstellen sollte. Aus diesem traten, als Abends die Herzogin in die Nähe kam, Göthe, von Einsiedel und von Knebel in Mönchsgewand heraus und luden die Herzogin ein, einzutreten und kalte Küche nicht zu verschmähen.

Fourierbuch 9. 7. 1778 (LHA Weimar)

Weimar 9. 7. 1778

Abends. Fürstl. Tafel ... 17. Hr. Geh. Leg. Rath Gehde.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0427 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0427.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 86 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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