BuG: BuG II, A 413
Weimar 1. 6. 1778

Tagebuch 1. 6. 1778 (WA III 1, 68)

Weimar 1. 6. 1778

Von Alstädt weg früh 6 ... um 1 in Weimar ... Nach Tiefurth. seltsame Nachricht. herein. die Sachen durch sehen Wieder hinaus.

Wieland an Merck 3. 6. 1778 (Wagner2 S. 149)

B2 173

Weimar 1. 6. 1778

Von Göthen ... kann ich Dir nicht viel mehr sagen, als was du in den Zeitungen von ihm wirst gelesen haben. Vorgestern kamen sie Vormittags von ihrer Wanderung nach Leipzig, Dessau und Berlin zurück. Abends gieng ich mit meiner Frau und beyden ältesten Mädchen über den (nach Göthens Plan und Ideen, seinem Garten gegenüber) neuangelegten Exercier Plaz, um von da nach dem sogenannten Stern zu gehen und meiner Frau die neuen Poëmata zu zeigen, die der Herzog nach Göthens Invention und Zeichnung dort am Wasser anlegen lassen, und die eine wunderbar künstliche, anmuthig wilde, einsiedlerische, und doch nicht abgeschiedene Art von Felsen und Grottenwerk vorstellten, wo Göthe, der Herzog und Wedel oft selb drey zu Mittag essen, oder in Gesellschaft einer oder der andern Göttin oder Halbgöttin den Abend passieren ... So kamen wir bey dem Grottenwesen ... [mit dem Herzog] zusammen, und da traffen wir Göthen in Gesellschaft der schönen Schröterin an, die in der unendlich edlen attischen Eleganz ihrer ganzen Gestalt und in ihrem ganz simpeln und doch unendlich raffinierten und insidiosen Anzug wie die Nymfe dieser anmuthigen Felsengegend aus sah. Wir hießen einander also auch willkommen, und Göthe war zwar simpel und gut, aber äußerst trocken; und verschlossen, wie er’s schon lange, sonderlich seit meiner Zurückkunft von der Reise in Eure Gegenden ist. Ich glaube indessen gerne und am liebsten, daß der wahre Grund davon doch bloß in der Entfernung liegt, worinn wir durch die Umstände von einander gehalten werden. Vor 2 Jahren lebten wir noch mitein ander; dies ist izt nicht mehr und kann nicht mehr seyn, da er Geschäfte, liaisons, Freuden und Leiden hat, an denen er mich nicht theil nehmen lassen kann, und an denen ich meines Orts ex parte auch nicht theil nehmen könnte noch möchte. Zudem werden sie nun auch diesen Sommer und Herbst über selten 8 Tage hintereinander hier seyn, und so wird er mir eben immer in accessibler und da seine Spirallinie immer weiter und die meine immer enger wird, so ists natürlich, daß wir immer weiter auseinander kommen. Indessen ist und bleibt er mir einer der herrlichsten und liebsten Menschen auf Gottes Erdboden und damit punctum.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0413 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0413.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 84 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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