BuG: BuG II, A 2122
Inselsberg und Umgebung 10./18. 7. 1784

An Merck 6. 8. 1784 (WA IV 6, 333)

Inselsberg 10./18. 7. 1784

Ich war auch auf dem Inselsberg eine Tour die mir vieles aufgeklärt hat.

J. C. W. Voigt, Reisebriefe 20. 6. [7.] 1784 (Voigt1 S. 43)

Inselsberg 10./18. 7. 1784

Der Inhalt des jetzigen Briefes wird Ihnen gewiß unerwartet seyn, weil ich wider Vermuthen noch einmal im Ruhler Gebürg gewesen bin. Der Herr Geheime Rath von Göthe fand sich veranlasset, diese Gegenden selbst in Augenschein zu nehmen, und ich hatte das Vergnügen ihn zu begleiten, und alles zum zweytenmal so wieder zu finden, als ichs beym erstenmal beobachtet und aufgezeichnet hatte.

Ich fange daher die Beobachtungen ... bey dem Meisenstein an, der mit aus der Ursach besucht wurde, um von ihm die Gegend, und besonders den Weg nach dem Inselsberge zu übersehen, der genauer untersucht werden sollte.

Zuerst kamen wir über den sandigen Abhang des Moselbergs ... ins Gebrandte, eine Waldrevier, die so benennt wird ... Das Gebrandte ist eine ziemliche Ebene oben auf dem Gebürg, und scheint durchgehends Granit zu haben, der aber gewiß der schönste ist, den ich noch gesehen habe ... Obgleich die Straße fast ganz über nackenden Granit gieng, so war doch kein hervorstehender Fels davon wahrzunehmen, der zu irgend einer nützlichen Bemerkung Gelegenheit dargebothen hätte. Von eben dieser Beschaffenheit war auch der kleine Weisenberg, an dessen Ende wir über eine kleine Waldblöße, die Hünerwiese, passierten. Hier zeigten sich einige uralte Pingen, die von Versuchen nach Steinkohlen übrig geblieben waren, weil sich in denselben häuffiger Sandstein befand, so wie er über den Steinkohlen an der ehernen Cammer liegt.

Wir näherten uns nun dem großen Weisenberge, fanden zuvor aber noch Porphyr, Gneuß, und nach diesem todtliegend Gestein. Ich muß gestehen, daß mir die kurze Abwechselung von so vielerley Gebürgsarten auf einem so hohen Punkte unerwartet war, mich irre und fast muthlos machte ...

Gedachter großer Weisenberg neigte sich etwas gegen den Inselsberg, der, so wie wir ihn betraten, auch schon Porphyr sehen ließ. Von diesem Puncte stieg er ganz allmählig an, und wir erreichten seine Spitze ohngefähr Abends 8 Uhr. Sie trägt einen geräumigen Salon, mit Küche und Stallungen; aber leider findet man darin kein so behagliches Quartier, als auf dem Brocken, weil niemand oben wohnt, und jeder, der Erlaubnis erhält darinne zu seyn, alle Bedürfnisse bey sich haben muß. Indessen ist die Aussicht von dieser Zinne ganz unbeschreiblich schön, ob wir wohl diesen Abend sehr wenig davon genossen, indem sich der Schatten in den Tiefen immer mehr verdickte, und bald schwarze Nacht wurde. Der Himmel blieb die ganze Nacht hindurch heiter, und zeigte uns Mond und Sterne durch die ätherischen Lüfte in weit höherm Glanze, als wir sie im platten Lande zu sehen gewohnt sind. Der Wind braußte hohl und schneidend, und machte mehr Kühlung, als wir bedurften; doch war überhaupt die Kälte nicht so fürchterlich, als man sie oft vorzustellen pflegt, welches ich auch auf andern hohen Bergen anzumerken gefunden ... Um vier Uhr des Morgens verließen wir unser Lager von grünem Tannenreiß, und erblickten uns, voller Verlegenheit, einen schönen Tag zu verliehren, in einen dicken Nebel der uns schon des prächtigsten Schauspiels, die Sonne aufgehen zu sehen, beraubt hatte. Doch nach und nach erleuchtete ihr Glanz denselben, und bald drückte sie ihn unter unsere Füße ...

So lange es dauerte, sahen wir nur die Kuppe des Berges, und etwas von seinem nördlichen Abhange. Über uns war der blaue Himmel und die feurigste Sonne, und alles übrige, was wir sahen, war ein schwankendes unermeßliches Meer von gekräuselten weißen Nebel-Wolken, in die sich leichte graue Schatten mischten und ihre Pracht erhöheten. Dann und wann blickte eine Bergspitze über sie hervor, die aber bald wieder umhüllet wurde. Die Sonne arbeitete hierbey immer fort, und drückte gegen Westen den Nebel so tief nieder, daß wir einen Theil des Fürstenthums Fuld, die hohe Rhön und den Vogelsberg um desto deutlicher beobachten konnten, da sie die einzigen Gegenstände waren. Es hätte uns auch kein schönerer Prospect können eröfnet werden als dieser, da sich diese Landschaften, der häufigen Vulkane wegen, die meistens isolirt und conisch sind, ganz vorzüglich auszeichnen. Wir hatten uns mit Entzücken gegen dieselben gewendet, und suchten die bekannten Berge aus der Zahl der übrigen, als, uns im Rücken, das Gewölk von neuem emporstieg, unsern Augen alle Gegenstände verbarg, und uns in Nässe und Kälte einhüllte. Nach ohngefähr einer halben Stunde siegte die Sonne zum zweytenmale, drückte die Nebel tiefer, und nun hatten wir einen ganzen Zirkel mit unvergleichlichen Prospecten. Gegen einige Gegenden stunden die Nebel unbeweglich, mit ebener Oberfläche. Gegen andern wurden sie gekräuselt in einander getrieben. Parthieen davon stiegen vor unsern Füßen himmelan, und lange noch sahen wir sie als glänzende Wolken den blauen Himmel zieren. Ein großer Theil davon wurde von uns nahe gelegenen Gründen begierig verschluckt, und dies eigentlich nahm sich am artigsten aus. Diese Gründe waren durch vorliegende hohe Berge verschlossen, und dennoch stürzte sich eine so unendliche Menge von Wolken, die weit her einen Zug nach ihnen hatten, in dieselben, und verschwanden ...

Wir fanden den Porphyr der Spitze [des Inselsberges] sowohl, als den der Wurzel von einerley Beschaffenheit, nämlich blaßroth von Farbe, mit sparsam beygemengten Körnern von Quarz und Feldspath, und von oben bis herunter bemerkte man deutlich, daß er in Bänke getrennt war, die schräge Klüfte in verschobene Würfel abtheilten ...

Wir giengen von seiner Wurzel weiter südostwärts, durch dicke Buchenwaldung nach dem tiefsten Punkte des Grundes, um irgend noch etwas merkwürdiges anzutreffen, irgend eine Steinart, die unter ihm zum Vorschein kommen könnte; aber dies schlug fehl. Dafür fanden wir einige uralte Versuche nach Steinkohlen, von denen noch schiefriger mit Glimmer gemengter Sandstein, auch noch einige Bröckchen Schieferthon auf den Halden übrig geblieben waren. Überhaupt findet man hier herum mehr dergleichen alte Arbeiten, als man erwarten sollte, aber keine Nachrichten von ihrem Erfolg ... Wir stiegen nach der Kuppe des Inselsberges zurück, und wählten den von ihm abgehenden Zweig gegen Westen, der ihn mit dem großen Weisenberge verbindet, über den wir hergekommen waren ...

Wir giengen von Einem zu dem Andern [Felsen], fanden, daß jeder aus Porphyr gemacht, in Bänke abgetheilt, und diese durch schräge Sprünge in rhomboidale Stücke getrennt waren. Einige davon hatten so grobkörnigen Porphyr, daß ich Rhomben von Feldspath, die Einen bis anderthalb Cubikzoll hielten, darin bemerkte ...

Dies alles wurde langsam und genau beobachtet, und dabey bemerkt, daß die Richtung der Bänke an zwey einander gegenüberstehenden Felsen verschieden, und bey jedem nach dem Abhange des Zweiges (ich bleibe vorsätzlich bey diesem Ausdruck) gekehret war. Die Ursache davon mußte im Innern des Berges liegen, daher wir ernstlicher suchten, und bald fanden, daß nicht nur zwischen gedachten beyden Porphyrfelsen Granit zu Tage ausgieng, sondern auch am südlichen Abhange nach Broderoda zu. Er war sehr fest, grobkörnig, hatte Quarz zum prävalirenden Bestandtheil, und die Richtung seiner schwarzen Glimmerblätter war zum Theil so gleichlaufend, daß er sich dem Gneuß zu nähern schien.

Den nördlichen Abhang hinunter fand ich größere Felsen von dieser Steinart, doch aber auch wiederum Porphyrfelsen, welches mich anfänglich zwar irre machte, doch mir von der Überzeugung nichts benahm, daß hier wirklich Porphyr auf Granit ruhet ...

Wir nahmen den alten Weeg wieder zur Rückkehr nach der Ruhl, fanden aber noch zwischen den Inselsberge und dem großen Weisenberge einige Pingen, wo auf Quarz Bergbau getrieben worden zu seyn schien. Vielleicht zum Behuf irgend einer eingegangenen Glashütte, oder der Blaufarbenwerke zu Schweina.

Der Quarz war nicht ganz der gemeine. Er schien auf den ersten Anblick zerfreßener zu seyn, und war leicht zu zerreiben; bei näherer Untersuchung aber zeigte sich, daß er aus lauter microscopischen, zum Theil auch mit bloßen Augen sichtbaren Cristallen zusammengesetzt war ...

Auf dem übrigen Wege fanden wir wieder alles so, wie Tages zuvor; nur giengen wir von dem Gebrannten links ab, nach dem Wasserberge, der ganz aus grobkörnigen Granit bestehet, und kamen am Fuße des Leisenberges wieder herunter in die Ruhl.

Herrn von Hoffs geologisches Werk (WA II 9, 286)

Inselsberg 10./18. 7. (?) 1784

Bergrath Voigt zu Ilmenau ... durfte sich eines gewissen natürlichen Sinnes rühmen, der ohne großes Nachsinnen und Forschen, ohne allgemeine Grundsätze, doch immer an Ort und Stelle, wenn es nur die Vulcanität nicht betraf, die Reinheit seines glücklichen Auges bewies, so wie seine Meinung immer einen Beweis von frischer Sinnlichkeit gab. Dieser, als wir uns lange über die wunderbaren Erscheinungen der Blöcke, über Thüringen und über die ganze nördliche Welt ausgebreitet, öfters besprachen und wie angehende Studirende das Problem nicht los werden konnten, gerieth auf den Gedanken, diese Blöcke durch große Eistafeln herantragen zu lassen; denn da es unläugbar schien’, daß zu gewissen Urzeiten die Ostsee bis an’s sächsische Erzgebirg und an den Harz herangegangen sei, so dürfe man natürlich finden, daß bei laueren Frühlingstagen im Süden die großen Eistafeln aus Norden herangeschwommen seien und die großen Urgebirgsblöcke, wie sie unterwegs an hereinstürzenden Felswänden, Meerengen und Inselgruppen aufgeladen, hierher abgesetzt hätten. Wir bildeten mehr oder weniger dieses Phänomen in der Einbildungskraft aus, ließen uns die Hypothese eine Zeit lang gefallen, dann scherzten wir darüber, Voigt aber konnte von seinem Ernst nicht lassen, und ich glaube, er hat irgendwo den Gedanken abdrucken lassen [Drey Briefe über die Gebirgslehre für Anfänger und Unkundige, Weimar 1785].

Ungenannt (Isis 1818 H. 6 Sp. 975)

Inselsberg 10./18. 7. (?) 1784

1780 wurde er [J. C. W. Voigt] nach Jena geschickt, um die Mineralien zu ordnen ... Nach dieser Arbeit bekam er Gehalt und Befehl, das Herzogthum Weimar mineralogisch zu bereisen. Göthe wünschte die Berichte in Briefform, und endlich ihren Druck, woran V. nicht gedacht hatte. G. half selbst daran arbeiten. Diese Reisen durch das Herzogthum Weimar wurden günstig aufgenommen. Auf Reisen nahm ihn nun der Herzog durch Göthes Vermittelung mit ... [Voigt] untersuchte dann 1784 auch das Fürstenthum Eisenach, und die hessischen Bergwerke zu Riegelsdorf und Iba, meist als Begleiter von Göthe, und beendigte den 2ten Theil seiner mineral. Reisen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_2122 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_2122.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 471 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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