BuG: BuG II, A 399
Potsdam - Berlin - Potsdam 17. 5. 1778

Tagebuch 17. 5. 1778 (WA III 1, 67)

Berlin 17. 5. 1778

Zu Andre  durch die Stadt, Spaldings Predig. Zu Frisch  Zu Tafel Pr. Heinrich. Nacht. in Tiergarten. Abends zu Hause.

An Charlotte v. Stein 17. 5. 1778 (WA IV 3, 224)

Berlin 17. 5. 1778

Ich dacht heut an des Prinzen Heinrichs Tafel dran dass ich Ihnen schreiben müsste, es ist ein wunderbarer Zustand eine seltsame Fügung dass wir hier sind. Durch die Stadt und mancherley Menschen Gewerb und Wesen hab ich mich durchgetrieben ...

Der Herzog ist wohl, Wedel auch und sehr gut. Wenn ich nur gut erzählen kan von dem grosen Uhrwerck das sich vor einem treibt, von der Bewegung der Puppen kan man auf die verborgnen Räder besonders auf die grose alte Walze ℛ gezeichnet mit tausend Stiften schliesen die diese Melodieen eine nach der andern hervorbringt.

Reichsgraf E. A. H. Lehndorff, Tagebuch Mai 1778 (Schmidt-Lötzen S. 107)

Berlin 17. 5. 1778

Im Verlauf des Monats Mai trifft der Herzog von Weimar inkognito unter dem Namen eines Barons v. Altenstein hier ein, aber die Königin läßt ihm keine Ruhe, bis er in der Gesellschaft erscheint. Ich diniere mit ihm zusammen bei dem Prinzen Heinrich und dem Prinzen Ferdinand. Er macht den Eindruck eines hübschen jungen Mannes, indes hat sein Gesicht einen unfreundlichen Zug. Mit ihm ist der berühmte Verfasser des „Werther“ und des „Götz von Berlichingen“, Herr Göthe, den der Herzog zum Geheimen Rat gemacht hat. Dieser beherrscht ihn jetzt, nachdem er den frühern Hofmeister, den Grafen Görtz, der eben jetzt in unsere Dienste getreten ist, verdrängt hat. Dieser Herr Göthe ist bei der Tafel mein Nachbar. Ich tue mein Möglichstes, um ihn zum Sprechen zu bringen, aber er ist sehr lakonisch. Er dünkt sich augenscheinlich zu sehr Grandseigneur, um noch als Dichter zu gelten. Das ist im allgemeinen der Fehler der Deutschen von Bildung, daß sie, sobald sie die Stellung eines Vertrauten erlangen, unerträglich hochmütig werden.

Prinz Heinrich fragt Herrn Göthe, ob sich in den Archiven von Weimar nicht Briefe von dem berühmten Bernhard von Weimar fänden. Der junge Herzog behauptet, daß es solche gebe, dieser große Gelehrte weiß davon aber nichts. Das macht auf mich einen recht schlechten Eindruck. Da das eine der ruhmreichsten Epochen für das herzogliche Haus ist, so müßte er wohl damit vertraut sein.

Auch der treffliche Fürst von Dessau ist da. Das ist eine Familie, die ich außerordentlich schätze und verehre.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0399 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0399.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 76 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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