BuG: BuG II, A 135
Weimar Juni 1777

Wieland an Merck 18. 6. 1777 (Wagner1 S. 102; Aukt.-Kat. Liepmannssohn 64, 114)

B2 167

Weimar Juni 1777

Von meinen hiesigen sogenannten oder auch würklich guten Freunden ist auch nicht ein einziger, der mir nur soviel Licht und wärme mittheilte, als vonnöthen ist, um ein paar Eier dabei lind zu sieden. Sogar Göthe und Herder sind für mich wenig besser, als ob sie gar nicht da wären. Mit jenem – was für herrliche Stunden, und halbe Tage lebt’ ich mit ihm im ersten Jahre! Nun ists als ob in den fatalen Verhältnissen, worin er steckt, ihn sein Genius ganz verlassen hätte; seine Einbildungskraft scheint erloschen; statt der allbelebenden Wärme, die sonst von ihm ausgieng, ist politischer Frost um ihn her. Er ist immer gut und harmlos, aber – er theilt sich nicht mehr mit – und es ist Nichts mit ihm anzufangen. Auch sehen wir uns nur selten, wiewohl ich fest glaube, daß er nichts wider mich hat, und von mir überzeugt ist, daß ich ihn herzlich liebe.

Merck an Ungenannt Anf. Sept. 1777 (Wagner2 S. 98)

Weimar Juni 1777

Göthe spielt allerdings groß Spiel in Weimar, lebt aber doch am Hofe nach seiner eignen Sitte ... Alles was man aussprengt, sind Lügen der Hofschranzen. Sie können sich darauf verlassen, daß es Lügen sind, denn Flachsland, der bey mir im Hause wohnt, ist neuerlich von Weimar zurückgekommen und hatte sich 9 Monate bey seiner Schwester [Caroline Herder] aufgehalten. Es ist wahr, die Vertraulichkeit geht zwischen dem Herrn und Diener weit, allein was schadet das? Wär’s ein Edelmann, so wär’s in der Regel. Göthe gilt und dirigirt Alles, und Jedermann ist mit ihm zufrieden, weil er Vielen dient und Niemanden schadet. Wer kan der Uneigennützigkeit des Menschen widerstehn?

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0135 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0135.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 19 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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