Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 64
Von Friedrich Gottlieb Klopstock

8. Mai 1776, Hamburg

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Hier einen Beweiß meiner Freundschaft, Lieber Göthe,!
Es wird mir zwar ein wenig schwer, aber er muß gegeben
werden. Lassen Sie mich nicht damit anfangen, daß ich es glaub-
würdig weiß, denn ohne Glaubwürdigkeit würde ich geschwiegen
haben: Denken Sie auch nicht, daß ich, wenn es auf Ihr Thun und
Lassen ankommt, drein reden wolle, auch das denken Sie nicht, daß
ich Sie deswegen, weil Sie vielleicht in diesem oder jenem andre Grund-
sätze haben, als ich, streng beurtheile. Aber Grundsätze, Ihre
meine bei Seite, was wird denn der ohnfehlbare Erfolg sein, wenn
es fortfährt? Der Herzog wird, wenn er sich ferner bis zum Krank-
werden betrinkt, anstatt wie er sagt, dadurch seinen Körper zu
stärken, krank werden und erliegen. Es haben sich wohl stark
geborne Jünglinge – und das ist doch wohl der Herzog nicht – auf
diese Art aufgeopfert.   Die Deutschen haben sich bisher mit
Recht über ihre Fürsten beschwert, daß diese mit ihren Gelehrten
nichts zu schaffen haben wollen. Sie nehmen izzo den Herzog
von Weimar mit Vergnügen aus. Aber was werden andre
Fürsten, wenn sie in ihrem alten Ton fortfahren, nicht zu ihrer
Rechtfertigung anführen, wenn es nun geschehen sein wird,
was ich fürchte. Die Herzogin wird vielleicht izzo ihren Schmerz
noch niederhalten können, denkt sie denkt männlich: aber
dieser Schmerz wird Gram werden und läßt sich denn der auch
niederhalten? Louisens Gram! Göthe! | 2 |
Nur rühmen Sie sich nicht, daß Sie sie lieben, wie ich. Ich muß
noch ein Wort von Stollberg sagen. Er kömmt aus Freundschaft
zum Herzog, er soll also wol mit ihm leben? wie aber das? auf
seine Weise? Nein! Er gehet, wann er sich nicht ändert wieder
weg. Und was ist dann sein Schicksal? Nicht in Coppenhagen,
nicht in Weimar. Ich muß Graf Stollbergen schreiben. Was
soll ich ihm schreiben? Es kommt auf Sie an, ob Sie dem Herzog
diesen Brief zeigen wollen, oder nicht. Ich für mich habe nichts
darwider. Im Gegentheil! denn da ist er gewiß noch
nicht, wo man die Wahrheit, die ein treuer Freund sagt, nicht
gerne hört.


    Kloppstock.


S:  GSA 68/762  D:  Briefe HA Nr. 46  B : -  A : 1776 Mai 21 (WA IV 3, Nr. 462)  V:  Abschrift 

K. ermahnt G. wegen seines und des Herzogs Lebenswandel und verweist auf die möglichen Folgen für das Verhältnis zwischen deutschen Fürsten und Gelehrten sowie auf das Schicksal der Herzogin Luise und des nach Weimar eingeladenen Grafen F. L. zu Stolberg-Stolberg.

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 Hier einen Beweiß meiner Freundschaft, Lieber Göthe,! Es wird mir zwar ein wenig schwer, aber er muß gegeben werden. Lassen Sie mich nicht damit anfangen, daß ich es glaubwürdig weiß, denn ohne Glaubwürdigkeit würde ich geschwiegen haben: Denken Sie auch nicht, daß ich, wenn es auf Ihr Thun und Lassen ankommt, drein reden wolle, auch das denken Sie nicht, daß ich Sie deswegen, weil Sie vielleicht in diesem oder jenem andre Grundsätze haben, als ich, streng beurtheile. Aber Grundsätze, Ihre meine bei Seite, was wird denn der ohnfehlbare Erfolg sein, wenn es fortfährt? Der Herzog wird, wenn er sich ferner bis zum Krankwerden betrinkt, anstatt wie er sagt, dadurch seinen Körper zu stärken, krank werden und erliegen. Es haben sich wohl stark geborne Jünglinge – und das ist doch wohl der Herzog nicht – auf diese Art aufgeopfert. Die Deutschen haben sich bisher mit Recht über ihre Fürsten beschwert, daß diese mit ihren Gelehrten nichts zu schaffen haben wollen. Sie nehmen izzo den Herzog von Weimar mit Vergnügen aus. Aber was werden andre Fürsten, wenn sie in ihrem alten Ton fortfahren, nicht zu ihrer Rechtfertigung anführen, wenn es nun geschehen sein wird, was ich fürchte. Die Herzogin wird vielleicht izzo ihren Schmerz noch niederhalten können, denkt sie denkt männlich: aber dieser Schmerz wird Gram werden und läßt sich denn der auch niederhalten? Louisens Gram! Göthe!| 2 | Nur rühmen Sie sich nicht, daß Sie sie lieben, wie ich. Ich muß noch ein Wort von Stollberg sagen. Er kömmt aus Freundschaft zum Herzog, er soll also wol mit ihm leben? wie aber das? auf seine Weise? Nein! Er gehet, wann er sich nicht ändert wieder weg. Und was ist dann sein Schicksal? Nicht in Coppenhagen, nicht in Weimar. Ich muß Graf Stollbergen schreiben. Was soll ich ihm schreiben? Es kommt auf Sie an, ob Sie dem Herzog diesen Brief zeigen wollen, oder nicht. Ich für mich habe nichts darwider. Im Gegentheil! denn da ist er gewiß noch nicht, wo man die Wahrheit, die ein treuer Freund sagt, nicht gerne hört.

  Kloppstock.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 64, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0064_00069.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 64.

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