BuG: BuG II, A 2384
Neustadt an der Orla 24. 6. 1785

Knebel, Tagebuch 24. 6. 1785 (GSA Nachlaß Knebel)

Neustadt an der Orla 24. 6. 1785

Wir blieben hier. Morgens spaziren. Lava gefunden. Schöne Wiesen. Frau v. Seckendorf Frl. Caroline Ilten kommen Nachmittags. Gehen in ein ander Haus. Spaziren auf die Basaltberge. Fahren nach 4 Uhr weiter nach Schleiz.

Knebel, Aufzeichnungen 25. 6. 1785 (Knebel, Lit. Nachl. 3, 375)

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Neustadt an der Orla 24. 6. 1785

Wir bleiben hier, wegen der Unpäßlichkeit Goethe’s.

Als wir vorgestern in die Stadt hereinfuhren, fielen Goethen, bei dem Regen, den wir hatten, die Pflastersteine auf. Gestern Morgen, bei einem Spaziergange, den ich machte, nahm ich einen der hier um die Stadt herumliegenden blauschwarzen Steine mit, aus dem ich nicht recht wußte, was ich zu machen hatte, da er mir für Thonschiefer zu rauh und griesicht war, auch quarzichte und röthlichgelbe Punkte führte. – Goethe erkannte ihn aber sogleich, als ich ihn zu Hause brachte, für Lava. Die Erscheinung in dieser Nähe war uns etwas neu. Wir ließen einen Maurer fragen, ob von dieser Art Steine Steinbrüche in der Gegend seien, und wir erhielten zur Antwort: sehr viele. Ich war also im Begriff, sogleich nach dem Mittagsessen solche zu besichtigen, und als ich schon auf dem Wege zum Thore war, begegnete mir ein Wagen, worin Frau v. Seckendorf und Fräulein Caroline Ilten sich befanden. Ich kehrte also mit diesen zurück, und nun fing unser Aufzug hier an, eine romanhafte Malerei zu bekommen. Zwei feingekleidete hübsche Damen wurden von mir aus dem Wagen gehoben, und ich führte sie in Goethe’s Zimmer, den sie sehen wollten. Goethe’s Schmerz wurde vergessen, und wir lachten wechselsweise über das artige Ansehen der Zusammenkunft. Die Leute im Hause und an den Fenstern gafften und staunten noch mehr. Es wurde ein kleines Mittagsmahl gehalten, und, nach Damen Weise, auch sogleich Thee getrunken.

Die Dämchen waren artig und gefällig. Carolinchen erzählte uns ihren goldenen Traum, wie sie in voriger Nacht in Afrika gewohnt habe, wo die Häuser mit Gold bedeckt gewesen seien. Die Seckendorf war süßverbindlich und aufmerksamartig. Sie band Goethen ein aus ihrer Tasche hervorgeholtes reinliches, rothgestreiftes Schnupftuch um den Kopf, und bat ihn nachher, solches zu behalten. Sie legte sich auch auf das Canapee, auf den Sitz des Kranken, und hüllte sich in seinen Mantel, und war überhaupt anmuthig. Da sie sahen, daß Goethen eben nicht mit ihrem Hiersein länger dürfte gedient sein, ließen sie einspannen, und begaben sich den Abend noch nach Schleiz.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_2384 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_2384.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 525 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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