BuG: BuG II, A 691
Kassel 14. 9. 1779

Tagebuch 14. 9. 1779 (WA III 1, 98)

Kassel 14. 9. 1779

Früh die Parade, Orangerie, Auggarten, Menagerie, Modelhaus pp. Nachm. die Galerie Abends zu Forstern, ihn zu Tische mitgenommen. Viel gefragt, und geschwazzt.

An Charlotte v. Stein 15. 9. 1779 (WA IV 4, 60)

Kassel 14. 9. 1779

Wir gehen unter denen Cassler Herrlichkeiten herum und sehen eine Menge in uns hinein. Die Gemählde Gallerie hat mich sehr gelabt, wir sind wohl und lustig, es war Zeit dass wir in’s Wasser kamen.

An G. E. J. F. v. Stein 15. 9. 1779 (WA IV 4, 61)

Kassel 14. 9. 1779

Wir sind glücklich und lustig in Cassel angelangt, haben uns schon meistens umgesehen und recht schöne Sachen gefunden. Der Junge Forster hat mit uns gegessen und ist viel ausgefragt worden wies in der Südsee aussieht.

Carl August an Anna Amalia 15. 9. 1779 (Bergmann S. 24)

Kassel 14. 9. 1779

Wir haben hier gestern die Bildergalerie gesehen, wo Tischbeins Mund von Ihren Ruhm erschallte. Sie ist sehr schön. Heute wollen wir auf den Weissenstein, es ist aber leider sehr nebligt ... Forster ist gestern den ganzen Abend bei uns gewesen, er hat mir sehr wohlgefallen und getan. Mich kennt er nicht. Überhaupt scheint es, dass wir sehr unerkannt noch sind, ein einziger Unteroffzier, welcher sonst Gardereiter war, kennt uns, scheint aber wirklich reinen Mund zu halten.

J. H. W. Tischbein an Merck 23. 2. 1782 (Wagner1 S. 319)

B2 196

Kassel 14. 9. 1779

Göthe hat anjetzo das Porträt des Prinzen Constantin v. Weimar; wenn er aber nicht weiß, auf was Art und in wie kurzer Zeit es gemacht ist, so wird er keine gute Meinung von mir haben. Ich habe es in Einem Tag gemacht, und noch von dem Tag sind viele Stunden verloren gegangen ... Den Prinz hatte ich nie vorher gesehen ... Es war den Tag kaltes Regenwetter und der Himmel ganz grau; an so einem Tag ist es schlimm; man ist nicht sicher, ob man etwas von der Farbe ab- oder zugeben soll; auch ist es schlimm, weil jeder Strich unveränderlich stehen bleiben muß; man versieht sich leicht, so lange das Tuch noch platt ist, ohne Vertiefungen; so scheint einem alles kleiner, und wenn es gemahlt, und mit Vertiefungen und Erhöhungen gemacht ist, so siehet man erst, daß einige Theile zu kurz oder zu lang sind, und man kann es nicht ändern, weil die Farben sonst schmutzig werden; man hat auch keine Zeit wenn man nicht mehr als Einen Tag arbeiten kann. Die Farben mit einem Strich hinsetzen ist die rechte Art, denn wenn man sie lange mit dem Pinsel hin und her treibt, so werden sie schmutzig und matt. Das ist auch Göthe’s Meinung; so ist mir erzählt, daß er es gesagt, als er die Casselische Gallerie besah.

Chr. W. v. Dohm an Merck 14. 9. 1779 (Wagner2 S. 170)

Kassel 14. 9. 1779

Der Herzog v. Weimar und Göthe sind im strengen Incognito hier.

J. G. Forster an J. R. Forster 24. 10. 1779 (Huber2 1, 229)

B2 197b

Kassel 14. 9. 1779 und 16. 9. 1779

Göthe ist ein gescheuter, vernünftiger, schnellblickender Mann, der wenig Worte macht; gutherzig, einfach in seinem Wesen. Pah! Männer, die sich aus dem großen Haufen auszeichnen, sind nicht zu beschreiben. Der Charakter eines Mannes von hohem Genius ist selten wetterleuchtend und übertrieben, er besteht in einigen wenigen Schattirungen, die man sehen und hören muß, aber nicht beschreiben kann. Der Herzog ist ein artiger kleiner Mann, der ziemlich viel weiß, sehr einfach ist und gescheute Fragen thut ... Ich speiste einmal mit ihnen zu Abend, ohne daß ich den Herzog kannte, der sich für einen Oberforstmeister von Wedel ausgab; daher sprach ich unbefangener als ich sonst gethan hätte, und ohne Zweifel war ihnen das lieb. Des andern Tages sah ich sie nicht, sie besuchten den Weißenstein, wohin ich sie, Geschäfte wegen, nicht begleiten konnte. Den folgenden Morgen sahen wir das Museum zusammen, und ich aß mit ihnen zu Mittag. Dann reisten sie nach Darmstadt ab.

J. G. Forster an F. H. Jacobi 10. 10. 1779 (Huber2 1, 225)

Kassel 14. 9. 1779 und 16. 9. 1779

Vor vier Wochen war Göthe, nebst dem Kammerherrn von Wedel und dem Oberforstmeister von Wedel bei mir. Ich soupirte mit ihnen, ohne zu wissen, daß der letztgenannte der Herzog von Weimar wäre. Zum Glück bewahrte mich mein guter Genius, daß ich ihm keine Sottise sagte, wiewohl ich von großen Herren überhaupt mit großer Freimüthigkeit sprach. Ich wette, es hat Göthe’n Mühe gekostet, bei einigen Gelegenheiten über meine Treuherzigkeit nicht loszupruschen. Den Tag darauf besahen sie den Garten zu Weißenstein; ich sollte die Partie mitmachen, allein ich war zu sehr beschäftigt. In der Zwischenzeit erfuhr ich, daß der Herzog in der Gesellschaft sey. Den andern Morgen kam Göthe wieder zu mir, und der Kammerherr bald hernach, wir gingen zusammen nach dem landgräflichen Cabinet der Alterthümer und der Kunstkammer, wohin der Herzog sich nachher auch begab. Ich mußte bei ihnen bleiben und mit ihnen speisen, und gleich nach frühe eingenommenem Mittagsmahl reisten sie davon. Da sich Göthe anfangs nicht genannt hatte, so kannte ich ihn nicht, und – erkundigte mich nach ihm, – bei ihm selbst. Sie kennen ihn, und wissen, was es für ein Gefühl seyn kann, ihn kaum eine Stunde lang zu sehen, nur ein paar Minuten lang allein zu sprechen und als ein Meteor wieder zu verlieren. Sagen läßt sich das nicht. Von Ihnen haben wir viel gesprochen, er bat mich, Sie recht herzlich zu grüßen. Ist mir recht, so haben Sie bei ihm eine Antwort zu gut. Der Herzog hat mir gefallen. Er frug sehr viel, und doch keinmal albern; gewiß, das heißt alles mögliche prästiren.

J. G. Forster an F. H. Jacobi 2. 11. 1779 (Huber2 1, 232)

B2 197

Kassel 14. 9. 1779 und 16. 9. 1779

Ich habe Göthe’n gesehen, aber nicht genug, um ihn zu kennen. Sein Freund Berisch in Dessau hat mir seine ausgelassene Laune nicht verhehlt, ich aber habe ihn nicht darin gefunden. Hier [Kassel] war er ernsthaft, machte wenig Worte, frug mich wegen der Südländer, über deren Einfalt er sich freute, und hörte die meiste Zeit zu, da mich der Herzog befragte, in dessen Gegenwart wir uns fast immer nur gesehen haben. Hätte ich vermuthen können, ja nur geahndet, daß Göthe Ihnen, mein Bester, so lieblos und ungerecht begegnen könnte, ich hätte doch auf meine und seine Worte besser Acht gegeben. Allein ich habe auch nichts gemerkt, das Unbilligkeit gegen Sie verrathen hätte. Als ich Ihnen schrieb, wir hätten viel von Ihnen gesprochen, sollte ich eigentlich gesagt haben, ich habe viel von Ihnen gesprochen; ich sprach von der Art, wie wir bekannt wurden, wie sich Ihr Herz mir öffnete, wie lange ich bei Ihnen blieb und wie ungern ich Sie verließ. Es war, indem wir aus des Landgrafen Antiquitätensammlung in den Gasthof zurückgingen. Der Herzog war mit jemand andern einige Schritte voraus. Göthe hörte mir mit Theilnehmung und in Gedanken zu. Ich erzählte, daß Sie mir aus Woldemar vorgelesen hätten, und sagte, was mein Herz mir eingab. Ganz lakonisch gab er zuweilen ein „ja“ drauf, welches meinem Urtheil seinen Beifall zu ertheilen schien. „Der erste Theil ist nunmehr gedruckt“ sagte er. Auch sind, erwiederte ich, vom zweiten Theile Bruchstücke im Museum erschienen. – „Daß er doch nicht hat warten können!“ rief er aus; „warum Bruchstücke? Konnt’ ers nicht ersparen, bis der zweite Theil ganz fertig gewesen wäre?“ – Ich sagte etwas gleichgültiges dazu, mich dünkt, daß doch manchem die Stücke schon viel Freude gemacht hätten. Wir hatten eben den Gasthof erreicht. – Er hatte nur noch Zeit, zu fragen, ob ich kürzlich Briefe gehabt, und bald an Sie schreiben würde? Ich sollte Sie doch von ihm grüßen. Nun speisten wir mit dem Herzoge, und kaum war das Mittagsessen verzehrt, so fuhren sie ab. Fast sein Letztes war, den Gruß an Sie zu wiederholen. Er nannte Sie noch immer Fritz.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0691 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0691.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 136 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

Zurück zum Seitenanfang