BuG: BuG II, A 1931
Weimar 10. 11. 1783

Chr. F. Rinck, Studienreise 1783/84 (Geyer1 S. 67)

B2 240

Weimar 10. 11. 1783

Den 8. November. Nachmittag kam Herr Geheimer Canzlist Roth zu mir ... Er erzälte mir manches ... Wieland hat dem Herzog die Religion aus dem Herzen philosophirt, Göthe den Rest herausgelacht ... Herder kam hieher durch Göthe, nur einen gelinden Beicht Vater zu haben, der dem Herzog nie ins Gewissen redet, damit Göthe thun kann, was er will pp...

Den 9. November ... Um 10 Uhr ging ich in die Schloß-Kirche, wo ich endlich das Glück haben sollte, Herdern predigen zu hören ... Von der Herrschaft war Niemand da. Göthe geht nicht in die Kirche, und so sie auch sehr selten .. Abends gieng ich in die Kammer-Musik ... Wie ich kam, ließ sich eine sehr schöne Sängerin [Corona Schröter?] hören, als Sängerin aber sehr mittelmäsig – doch etwas schmachtend. Mein Nachbar, vermutlich ein Jäger, sagte mir, daß Frau Herzogin es sich zur Gnade ausgebeten bey der Geburt des Erbprinzen, daß diß Frauenzimmer den Hoff meiden solle. Aber Herr Geheimer Rath Göthe sehe sie gerne, und nun sey sie schon 2 mal wieder da gewesen. Alles spricht doch hier sehr frey gegen Göthe! Obs Neid? oder Schmähsucht? oder gegründete Ursach? ...

Den 10. November. Früh um 9 Uhr ließ ich mich bei Herrn Geheimen Rath von Göthe melden, wurde auch gleich vorgelassen. Er empfieng mich höfflich, doch mit der Mine eines Gnädigen. Ich saß neben ihm im Sopha, er fragte etwas Weniges von meiner Reise: ich erkundigte mich, ob er nicht bald wieder etwas wolle druken lassen – er entschuldigte sich aber mit vielen Geschäften. Dann sprachen wir etwas von Herdern. Er schien aber abbrechen zu wollen, dann er schwieg oder antwortete nur kurz mit einem gnädigen ia! oder nein! Ich merkte den Wink, und brach auf, da ich ongefähr ½ Viertel Stund in seiner Atmosphäre athmete. Sein Ansehen ist gar nicht einnehmend, seine Mine mehr fein und listig, als leutseelig.

Literaturverweis/Erläuterung

Weimar 10. 11. 1783

Vgl. auch die Stammbucheintragung für Chr. F. Rinck, Euph. Ergh. 15, 5

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_1931 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_1931.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 434 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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