BuG: BuG II, A 771
Zürich 18./29. 11. 1779

Carl August an Herzogin Luise 29. 11. 1779 (JbGG 11, 120)

Zürich 18./29. 11. 1779

Aus einigen Tagen, die ich dachte hier zuzubringen, sind beynahe schon 2 Wochen geworden. Es dient dieser verlängerte Aufenthalt sehr zu unsren leiblichen Nutzen, denn unterwegs wäre es jetz nicht gut seyn, daß Wetter hat den Regen Mantel umgenommen, u. verbietet den Reisenden ziemlich den Außgang ... Die Gegenwarth Lavaters hat etwas gantz eigen Balsamisches; ich gebrauche ihrer soviel als nur immer möglich, so viel es seine Zeit zuläßt; im grunde ist ers alleine, der mich hier hält, denn mit sonst jemanden gehn wir garnicht um. Unsere Bekantschaften hier sind wirckl. sehr eingeschränckt; außer einigen Leuten, die Cabinetter von Gemählden, od. Naturalien besitzen, sonst haben wir niemanden kennen lernen als Bodmern, den Salomon Geßner, welchen ich ein paar male gesehn habe, u. den D. Hirtzel, nebst seinen, von ihm verschundenen, u. verzeichneten, sogenanten Philosophischen Bauer [Kleinjogg] ... Bodmern habe ich in seinen 81 Jahre sehr munter, u. gut gefunden. Er hat uns viele seiner neueren Schriften gegeben, welche zieml. unleßbar sind. Die Eintheilung dieses Geschencks hat er auf eine wunderliche Art gemacht. Mir hat er seine Übersetzung der Argonauten von Apollonius, Göthen eine kleine Brochure, u. Wedeln alle seine neueren, sogenanten Politischen Schauspiele geschenckt. Die Übersetzung außgenommen daß andere ist alles Maculatur. Die Argonauten empfehle ich dir ... Ein ander Werckchen haben wir hier gefunden, u. daß schaffe dir doch; es heißt der Schweitzer Bund, ein Drama in Göthens Geschmack. Es wird dich freuen, es ist viel gutes drinnen. Von Cabinetten haben wir eines, in allen Fächern merckwürdiges gesehn. Es gehört einen Obrist Escher, einen sehr fatalen subjecto. Er hat es zusammen geerbt, u. versteht nichts davon ... Lavatern sehe ich wie ich schon gesagt habe viel ... Ich kan nicht beßer, als mit den Wort, Aufräumung des Verstandes, außdrücken daß, was mich dünckt, er auf mich gewürckt hat. Sein Verhältniß zu Göthen ist äuserst schön; sie lieben sich auserordentl. u. verstehn einander, ohngeachtet sehr von einander unterschieden, in die tiefsten Falten von Gefühlen, u. Begriffen ... Meine beyden H[erren] emphehlen sich.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0771 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0771.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 198 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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