BuG: BuG II, A 770
Zürich 26. 11. 1779

J. J. Bodmer an Schinz 27. 11. 1779 (GJb 5, 213)

B2 202

Zürich 26. 11. 1779

Gestern nach 11 Uhr kam der Herzog nochmals zu mir und sagte mir, dass er die Argonautica mit grossem Vergnügen gelesen. Er war mit Göthen voll Dankes, fragete viel: ob sie auch englisch übersezt sey; ob Apollon gut griechisch schreibe, und so fliessend wie Homer; wer der König gewesen, von dem steht, er habe Ana gebaut, und mit dem Heer die Welt durchwandert. Die Route schien ihm wunderbar; ich erzählte ihm, dass die Schiffer aus dem Euxin durch einen Arm der Donau bis Pannonien gefahren, dort durch einen andren Arm derselben bey Triest ins adriatische Meer; hier in den Po und im Piedemont die Alpen eben liegend gefunden und so in Gallien gekommen. Er sagte, dass man ihn zu verstehn viel Mythologie wissen müsste. Ich klagte ihm, dass weder M. Gessner, noch Ernesti, noch Heyne seiner gedacht haben, dass nur der einzige Hölzlin unter den Philologen ihn gekannt. Er fragte, was ich izt schriebe; ich vergass ihm zu sagen, dass ich die Hochzeitfeier der Thetis geschrieben. Und ich verschwieg, dass ich Melissus geschrieben habe, weil ich dieses Gleimen gewidmet. Aber ich sagte, dass ich Abschriften von altschwäbischen Epikern ex membranis besorgete. Ich beschwerte mich über den Abschlag vom Abte Beda. Hr. Colonel Escher, der den Herzog zu mir begleitete, versprach mir, dass ich den Tschudischen Code ungezweifelt erhalten sollte, nur dass ich hingegen dem Stadtbibliothekar von S. Gallen einige andere Bücher aus der Stadtbibliothek zum Gebrauch verschaffete. Campens Robinson lag auf dem Pult, ich liess merken, dass ich wenig daraus machete, und mehr tadeln würde, wenn ich nicht fürchtete zu beleidigen. Göthe sagte, dass ich mich nicht scheuen dürfte; also sagte ich, dass Campe den Kindern kaum mehr als eine Wissenschaft von Wörtern beybrächte u.s.w. Von Wieland, Klopstok, Stolberg ward nicht gedacht. Ich gab Göthen das Denkmal König aufgerichtet, nett ins reine geschrieben, aber bath ihn, es für sich im Pult zu bewahren. Er nahm es mit Empfindsamkeit an, und schob es in den Busen. Dann bath ich, Hrn. Lavater vorzustellen, dass er sich durch unaufhörliches Kanzelbesteigen, oft vom Pfade auf die Kanzel, den Körper vor der Zeit abnuzete; bey mehr Langsamkeit und Ausruhen würde er mehr Jahre leben und mehr ausrichten. Göthe sagte, dass Lav. einmal so gemacht sey. Das war schier alles, was er redete. Aber er bestätigte mein Geschwäze mit Zuwinken und stillem Bejahen. Sie hatten Sulzers Biographie gesehn, aber nicht gelesen, und schwiegen von Sulzer. Es ist Niemand zu mir gekommen, der mir gesagt hätte, was sie in diesen acht Tagen für Besuche gemacht und womit sie sich beschäftiget haben.

D. Heß an Goethe 9. 11. 1820 (WA IV 34, 338)

Zürich 26. 11. 1779

Beckenhof ... Landgut an der Schaffhauserstrasse, wo die Gesellschaft, welche zu Kleinjogg (dem philosophischen Bauer) fahren wollte, aus dem Wagen stieg, weil Lavatern übel geworden; wo der Herzog sich mit einem Sprung aus dem Bereiche des nach ihm schnappenden Kettenhundes retten musste; wo einer der Begleiter des Herzogs, ein schlanker lebhafter Mann, mit auffallender Behendigkeit alle die vielen Schneckengänge eines Blumengartens hinter dem Hause durchlief, um alle vorhandenen Pflanzen zu mustern, und wo Schreiber dieses, als neunjähriger Knabe, der wenige Tage zuvor über Erwins und Elmirens Wiedervereinigung Thränen aufrichtiger Theilnahme geweint, dem fremden lebhaften Herrn, aus dem Fenster der Kinderstube, wie einem Götterbothen nachstaunte, als ihm seine ältere Schwester gesagt hatte, das sey eben der Herr Göthe, den der Knabe schon aus seinem Stilling kannte, liebte und verehrte.

Carl August an Anna Amalia 29. 11. 1779 (Bergmann S. 31)

Zürich 26. 11. 1779

Neulich habe ich auch den sogenannten Philosophischen Bauer kennen gelernt, er heisst Kleinjogg und ist nichts weniger als das, wofür er ausgeschrien ist. Er hat einen sehr treffenden Verstand und zumal sehr tiefe richtige Gefühle über die notwendigsten reinen Bedürfnisse des Lebens. Sehr gute Bonmots sagt er mitunter. Göthe und Wedel, welche sich Ihnen empfehlen, haben die Nacht bei ihm zugebracht, ich kehrte aber mit Lavatern nach Hause.

An Bertuch 29. 11. 1779 (WA IV 4,140)

Zürich 26. 11. 1779

Der Herzog trägt mir auf 12 Rahmen zu bestellen ... Sie sollen für die Zeichen Ackademie ... Wir bringen sehr schöne Zeichnungen mit die Krausen freuen und dem Institut ein neues Leben geben werden.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0770 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0770.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 197 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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