BuG: BuG II, A 768
Zürich 18. 11./2. 12. 1779

An Charlotte v. Stein 24.(?) 11. 1779 (WA IV 4, 140)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Die Bekanntschafft von Lavatern ist für den Herzog und mich was ich gehofft habe, Siegel und oberste Spizze der ganzen Reise, und eine Weide an Himmelsbrod wovon man lange gute Folgen spüren wird. Die Trefflichkeit dieses Menschen spricht kein Mund aus, wenn durch Abwesenheit sich die Idee von ihm verschwächt hat, wird man auf’s neue von seinem Wesen überrascht. Er ist der beste grösste weiseste innigste aller sterblichen und unsterblichen Menschen die ich kenne.

An Knebel 30. 11. 1779 (WA IV 4, 147)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Hier bin ich bey Lavatern, im reinsten Zusammengenuss des Lebens, in dem Kreise seiner Freunde ist eine Engelsstille und Ruh, bey allem Drange der Welt und ein anhaltendes mitgeniessen von Freud und Schmerz, da hab ich deutlich gesehen dass es vorzüglich darinn liegt dass ieder Sein Haus Frau, Kinder, und eine reine menschliche Existens in der nächsten Nothdurft hat: das schliest an einander, und speut was feindlich ist sogleich aus ...

Lavater ist und bleibt ein einziger Mensch, den man, nur 3 Schritte von ihm, gar nicht erkennen kan. Solche Wahrheit, Glauben, Liebe, Gedult, Stärcke, Weisheit, Güte, Betriebsamkeit, Ganzheit, Manigfaltigkeit, Ruhe pp ist weder in Israel noch unter den Haiden. Von Kunstsachen haben wir eine Menge mit uns gerollt. Treffliche Sachen mit unter.

An Charlotte v. Stein 30. 11. 1779 (WA IV 4, 149)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Wir sind in und mit Lavatern glücklich, es ist uns allen eine Cur, um einen Menschen zu seyn, der in der Häuslichkeit der Liebe lebt und strebt, der an dem was er würckt Genuss im Würcken hat, und seine Freunde mit unglaublicher Aufmercksamkeit, trägt, nährt, leitet und erfreut.

J. J. Bodmer an H. Meister 2. 12. 1779 (GJb 5, 215)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Was für eine Grundfeste mag Lavaters Vertrautheit mit Göthen haben? Göthe ist bey ihm, geht zu ihm in der Schlafmüze. Doch der Heiland hat auch mit den Wehrtern, sie kennen Wehrters Leiden? gegessen.

An G. E. J. F. v. Stein 30. 11. 1779 (WA IV 4, 151)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Wir sind schon eine Weile in Zürch und haben ein gutes Leben mit Lavatern, sehen alle Cabinets, Zeichnungen und Kupfer, Menschen und Thiere. Wohnen in einem allerschönsten Wirthshause.

Zur Morphologie. Der Inhalt bevorwortet (LA I 9, 12)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Gleichzeitig mit diesem Studium, war meine Aufmerksamkeit der vergleichenden Anatomie der Tiere, vorzüglich der Säugetiere zugewandt ... Im Laufe der Physiognomik mußte Bedeutsamkeit und Beweglichkeit der Gestalten unsre Aufmerksamkeit wechselsweise beschäftigen, auch war mit Lavatern gar manches hierüber gesprochen und gearbeitet worden.

An F. H. v. Einsiedel 29. 11. 1779 (Ztschr. f. dtsch. Phil. 71, 1)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Wir sind auch auf der Rückkehr und warten in Zürich auf ein freundlicher Wetter. Mit unsäglichem Glück haben wir die Reise bis hierher gemacht, und hoffen ein gleiches auf die Zukunft ... Wir sind durch einen großen Reichthum von Gegenständen gegangen, und die Abwechslung hat uns immer wie auf Wellen getragen. Von Menschen sehr wenig. Die alte Mutter ist immer das beste, und dies gemeine Volck. Hier sind wir bey Lav[ater] der sich jeden Tag neuer in meiner Seele verherrlicht.

Lavater an Goethe 12. 5. 1780 (SchrGG 16, 112)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

„Herr, Herr, Großer Herr, – hast viel zuregiren“ – dieß Wort, das mein Heirli dir abgehorcht, macht mir oft so wohl, daß ichs zehenmal im Mund herumwerfe.

An Knebel 4. 6. 1780 (WA IV 7, 358)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Sein [Lavaters] Weibchen ist ein gar feines gutes hypochondrisches Wesen.

Lavater an Herder 6. 12. 1780 (Düntzer3 2, 208)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Ich ehre und liebe Dich, wie wenige Menschen, und alles, was Goethe und Knebel mir Gutes von Dir gesagt haben, hat mich in meiner Liebe und Hochachtung gestärkt und mich in meinen Augen gewiß gedemüthigt.

Herder an Hamann, Mitte od. Ende Nov. 1780 (Hamann-Briefwechsel 4, 241)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Ueber meine Briefe hat Lav[ater] mir einen großen Brief voll sauersüßer Anmerkungen geschickt, aus denen ich sehe, daß ihm u. mir vor der Hand gut ist, gegen einander Siebenschläfer zu werden. Die Illustres Voyageurs [Carl August und Goethe] dieses Orts, haben ihm einer nach dem andern Ideen von mir beigebracht, die der zarte Mann, wie es scheint, nicht verdauen kann u. die als unverdaute Dinge bei ihm würken. Und doch ists u. bleibts gegen diese Herren mein Vorsatz, sie gehn zu lassen u. mich um sie nichts zu kümmern. Ihre Werke, die Arbeit u. Verfassung von 3. Jahren, denen noch immer jeder Tag entspricht, zeigen von des Baumes Saft u. Wesen. – Sie haben mich ihm als einen Gallsüchtigen geschildert, der mit ihnen nicht leben wolle oder vielmehr mit dem sie nicht leben könnten, u. doch habe ich gegen all ihr Beginnen, das übrigens nicht meines Amts ist, kein Wort gesagt. Mein Stillschweigen u. stumme Entfernung mit Absagung all ihrer Ehren u. Blendwerke drückt sie, ohne doch daß sie im mindesten sich um etwas anders bemühen wollte[n]. Also sind wir durch Gott, unsre Ämter u. unsre Naturen geschieden. Der Herzog, der in Zürich den „Lichtbedürftigsten, Wahrheitsuchendsten Religiosen[“] (erlauben Sie mir Zürcherausdrücke zum Zürcherkreise) gemacht hat, soll Lav. gesagt haben, da dieser ihn vermuthl. in manchem auf mich verwiesen: „ich gebe ihm nur Blitz licht in der Religion, aber Göthe gebe ihm das wahre bleibende Licht“.

An Lavater 3./5. 12. 1779 (WA IV 4, 145)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Seitdem ich aber bei dir Fuesslis lezte Sachen gesehen habe, kann ich dich nicht loslassen, du musst versuchen ob du ihn bewegen kannst eine Zeichnung dazu [ein Monument für den Weimarer Park] zu machen.

An Carl August 15. 1. 1821 (WA IV 34, 102)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Den Mann selbst [S. Landolt] haben wir, in seiner besten Zeit, bey Lavater oder Geßner getroffen, er gehörte unter die damals Aufmerksamkeit erregenden, genialisch praktischen Sonderlinge.

Tag- und Jahres-Hefte 1820 (WA I 36, 177)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Des Schweizerhauptmann Landolts Biographie von Weiß [Heß] ... erneuerten Anschauung und Begriff des wundersamsten Menschenkindes, das vielleicht auch nur in der Schweiz geboren und groß werden konnte. Ich hatte den Mann im Jahre 1779 persönlich kennen gelernt, und als Liebhaber von Seltsamkeiten und Excentricitäten die tüchtige Wunderlichkeit desselben angestaunt, auch mich an den Mährchen, mit denen man sich von ihm trug, nicht wenig ergötzt.

D. Heß, Johann Caspar Schweizer (Baechtold2 S. 21)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Einheimische und fremde durchreisende Gelehrte, Schöngeister, Künstler und Weltleute zogen wechselweise ein und aus [bei Schweizers] ... Unter den Ausländern Goethe und der Herzog von Weimar, während ihrer Anwesenheit im Jahre 1779 (für diesen letztern malte Füßli Magdalenes Bildniß ...).

J. J. Bodmer an Schinz 11. 12. 1779 (GJb 5, 215)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Ich vergass Ihnen zu sagen, daß Göthe Gessnern erzählte, Wieland arbeite an einem Gedicht in Ariostos Geschmak.

Ungenannt, Leben Johann Heinrich Lips von Zürich (Neujahrsstück 1818 S. 7)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Ungemein verbreitete sich der Ruf des jungen Künstlers [J. H. Lips]. Er erhielt in seiner ländlichen Wohnung [in Kloten] zahlreiche Besuche von Fremden, worunter sich auch Se. Durchlaucht der Herzog von Sachsen-Weimar und Herr von Göthe befanden.

Carl August an Knebel 7. 6. 1780 (Knebel, Lit. Nachl. 1, 113)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Grüße ... Bodmer, Pfenniger, den Maler und Dichter Geßner und Heidegger, den Sohn des berühmten Schultheißen. Letzteren, wenn Du nicht Heinrich Füßli’s älteste Zeichnungen sehen willst, besuche nicht, denn es ist ein böses Subjekt.

Carl August an Goethe 3. 10. 1806 (Wahl1 1, 346)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Die eiserne Nothwendigkeit zwingt mich, diese Herren [J. Hottinger, H. Heß, H. Schultheß], deren Eltern wir beyde sehr wohl kennen, nicht vorwärts zu laßen.

Barbara v. Muralt, Sammlung von Anecdoten aus Lavaters Leben (SchrGG 16, 405)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Den 18. November langte der Herzog von Weymar mit Goethe [in Zürich] an. Jener logierte mit d. Bedienten beym Schwert, Goethe bey ihm [Lavater]. Den 21. aß Er bey der Reblauben zu nacht ... Die übrigen Mahle saß Er unangefragt mit Ihnen zu Tisch, auf Ein pahr weich gesottne Eyer! ... besuchte niemand als Künstler u. Kunstcabinet. Den 26. reisten Sie zum Kleinjogg. Den 2ten December verreißte der Herzog mit Goethe, Er begleitete Sie noch bis zum Weißen Hauß, wo Sie herzlich von Ein anderen Abschied nahmen.

Ungenannt, Schweyzerische Nachrichten, verschiedener in der Schweiz sich ereigneter Merkwürdigkeiten (Im neuen Reich 1877, 2 S. 104)

Zürich 18. 11./2. 12. 1779

Den 18 Wintermonat, langte hier [Zürich] der regierende Herzog von Weimar zu Pferd an. In seinem Begleit waren unter anderem auch der berühmte nach heutigem Geschmak gefällige Dichter Göhte aus Frankfurt, der sich als Rath an des Herzogs Hof aufhält, und schon vor einichen Jahren, als er in Zürich war, in verschiedener hiesiger Gelehrter Umgang sich vergnügt hat. Der Herzog so wohl als dieser sein Gesellschafter brachten ihre meiste Zeit bei Herrn Caspar Lavater zu, wurden auch von Ihme immer vergesellschaftet unterhalten und geleitet ... Er besuchte daneben den Ehrwürdigsten Graisen Bodmer, den Herr Salomon Geßner und andere hiesige Gelehrte, ließ sich auch verschiedene von den hiesigen sehenswürdigen Naturalien-Sammlungen weisen, sahe die Gemähld- und Kupferstich-Sammlungen mit besonderem Vergnügen, schafte sich von Kupferstichen hier auch eine beträchtliche Menge an. Er machte sodann verschiedene Besuche auf der Landschaft bey wohldenkenden Privaten, wolt auch den Kleinjogg in seiner Hauswirthschaft sehen, sich von dem stillen eingezogenen Leben eines Republikaner und eines freyen Bauren Begriff machen.

N. A. Kirchberger an Lavater 27. 10. 1779 (Im neuen Reich 1877, 2 S. 106)

Zürich 18. 11./ 2. 12. 1779

Wenn Sie G. sehen so melden Sie ihm daß ich offt offt mit vielem vergnügen an ihn denke.

An Lavater 8. 10. 1779 (WA IV 4, 73)

Zürich 18. 11./ 2. 12. 1779

Ich habe dir viel zu sagen, und viel von dir zu hören, wir wollen wechselsweis Rechnung von unserm Haushalten ablegen, einander seegnen, und für die Zukunft stärcken, wieder ganz nah zusammenrücken, und uns freuen dass wir noch in einer Lufft athemholen. Von dem was ich mitbringe unterhalt ich dich nicht im Voraus.

An Lavater 28. 10. 1779 (WA IV 4, 111)

Zürich 18. 11./ 2. 12. 1779

Nicht allein vergnüglich sondern geseegnet uns beyden soll unsre Zusammenkunft seyn. Für ein Paar Leute die Gott auf so unterschiedne Art dienen sind wir vielleicht die einzigen, und dencke wir wollen mehr zusammen überlegen und ausmachen als ein ganz Concilium mit seinen Pfaffen Huren und Mauleseln. Eins werden wir aber doch wohl thun dass wir einander unsre particular Religionen ungehudelt lassen. Du bist gut darinne, aber ich bin manchmal hart und unhold, da bitt ich dich im Voraus um Geduld.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0768 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0768.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 199 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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