| 1 |
Gutten Morgen lieber Göthe sage hast du gestern mich gegrüßt wie vom Schönen Junngen Tage Dem der Thau imm Haare fließt Eine Staude wird gegrüßt die am Fuß des Hügels sizet und des wanndrers Blik nicht mehr erwirbt weill Ihr leben ausgenüzet welkt und Stirbt:
+
Ja du warsts du bists gewesen aber ich beschreib es weitter nicht magst nicht gern ein leer geschwäze lesen höre lieber was die Kleine spricht die mir Ennkel hatt gebohren Ihre Sinnen haben sich schier inn deinem blik verlohren hör Sie liebet dich, | 2 | ich komme gestern spät heim, Sie hatt unntterdeß nach Hammburg Einen brieff geschrieben der noch offen da liegt, ich hasch Ihn, leg daß blätchen untters Kopfküßen wie deinen ersten brieff und lese beim erwachen, Sie schläfft heütte noch untter Ihren Kindern, und ich will geschwind etwas abschreiben
+
Göthe
gab gestern Seinen besuch ann meine Mutter – Ich sah Ihn, meine Mutter nicht denn die verlohr inn Taumelnden entzüken So plözlich Göthen zu erbliken verlohr inn Seinen Kuß daß licht des Tages – fühltte nur, und sah und hörtte nicht Ich aber sah Ihn: ach daß diese Sinnen in mir so Treu nicht schöpfer sind | 3 | umms darzustellen wie? daß ferngewesne kind kömmt so anns Mutterherz, und Ihm entrinnen sprach und gedank im Mutterblik und dem aus Herzenschlag gesammletten wilkommen So inn dem wesen kam Er, doch der blik mitt dem Er kam, der bleibt mir unverschwommen in Lethens ewigen Vergeßenheittens Trank daß war gannz Göthe der aus diesem blike dranng kein anndrer paßt hinnein; kein May und kein Apoll und doch war dieser blik nicht etwan Sprudelnd voll vonn sichtbarflammenden Emmpfinden worann daß auge möcht verblinden es war Ein blik ann welchen sannfft die herzen lannden | 4 | ummher getrieben vom Geschik so wohl, so wohl, o welch ein blik
+
Bis hierher schreib ich dirs nur ab denn weitter hinn braußtte die Schwärmerin bis zum bliz und zum Spähren Klang, hört Endlich auff poetisch zu sein, und spricht, bester VV wie läßt sich daß beschreiben was nur einmahl so inn der natur da ist wie Göthe mitt Seinem Thun und laßen; anngemeßner ist nichts inn den Regeln der Geometrie, als Seine red und antwort, kurz, aber auch so einschmeichelnd wie Männliche anmuth durch Music ausgedrukt)– ich möcht Gern den gannzen brief abschreiben wenn ich nicht fürchtten müßtte daß Sie herrein käme, nein nein ich will die blätchens wieder Still unntter Ihre Papiere legen, und einmahl sehn ob Sie mir Sie zu lesen geben wird – | 5 | auch will ich sehn ob dich mein auge wieder dort oben finnden kann dort blikst du geistig auff mich nieder und Siehest meinen RittersMann dicht hinntter mir im weißen überroke und Einer schon halbgraugewordnen loke und sizet oder steht bey dir Ein mann und nicht ein weib dann komm ich mitt Begier Einmahl an deine logenthür iezt rufft mann mich Zum Theegenuße und iezt Emmpfehl ich mich mitt Einem Seelengruße – beflügelt, durchs Papier
A. L. K.