Theuerster Herr Geheimer – rath
Sie hätten nach meiner vormaligen Antwort wohl nicht gedacht, daß mein alter
Vater noch Ihr Vertheidiger werden, und Ihre Sache gegen den großen Friedrich
aufnehmen würde. Allein so sehr er dem Könige sein Urtheil zu gute hält, so
sehr ärgerte er sich über das Nachbeten solcher Leute, die unendlich weniger
als der König zu besorgen, und unendlich mehr Zeit hätten, ihre Lection zu
studiren. Und im Eifer warf er seine Gedanken aufs Papier, das ich hiebei
übersende. Er ist selbst nicht völlig mit seiner Arbeit zufrieden, weil seine Gesund-
heit ihm nicht erlaubte das Feuer, womit er ansetzte, lange genug zu un-
terhalten. Indessen werden Sie seine Gesinnungen und seinen guten Willen
daraus leicht erkennen, und was er in der Eile übergangen hat hinzudenken.
Ich wünsche, daß es Ihnen als ein Merkmahl seiner wahren Hochachtung gefal-
len, und zugleich diejenige in Ihrem Andenken erhalten möge, die in dem
unbeachtetsten Winkel des Erdbodens beharrt –
N. S. Immer behalten wir Weiber das Wichtigste bis zum Postscript –
das geschieht auch hier, nemlich die Bitte um Ihr Schattenbild. Freilich habe ich's
in meiner kleinen Sammlung; allein von Ihnen selbst würde es mir theu-
rer seyn, und auch gewiß daß es Ihnen ähnlich wäre. Wären Portraits so ge-
schwind zu machen wie ein Schattenriß, so bäte ich um dies. Denn nach mei-
nen Gesinnungen für Sie verdiente ich's – nun will ich mich mit dem letztern
begnügen. So viel sage ich Ihnen – wenn Möser und seine Tochter jemals | 2 |
nach Weimar hinkommen, so geschieht's um Sie kennen zu lernen, und um
kein ander Ding in der Welt.
Übersendung von J. Mösers Schrift "Über die deutsche Sprache und Literatur" (Osnabrück 1781). G. werde nach ihrer vormaligen Antwort nicht erwartet haben, daß ihr alter Vater ihn noch gegen Friedrich II. von Preußen (vgl. dessen Schrift "De la littérature allemande", 1780) verteidigen werde. So sehr Möser dem Könige sein Urtheil zu gute hält, so sehr ärgerte er sich über das Nachbeten solcher Leute, die [...] unendlich mehr Zeit hätten, ihre Lection zu studiren. - Bitte um G.s Schattenbild; wenn Möser und seine Tochter jemals nach Weimar hinkommen, so geschieht's um Sie kennen zu lernen [...].
Theuerster Herr Geheimer – rath
Sie hätten nach meiner vormaligen Antwort wohl nicht gedacht, daß mein alter Vater noch Ihr Vertheidiger werden, und Ihre Sache gegen den großen Friedrich aufnehmen würde. Allein so sehr er dem Könige sein Urtheil zu gute hält, so sehr ärgerte er sich über das Nachbeten solcher Leute, die unendlich weniger als der König zu besorgen, und unendlich mehr Zeit hätten, ihre Lection zu studiren. Und im Eifer warf er seine Gedanken aufs Papier, das ich hiebei übersende. Er ist selbst nicht völlig mit seiner Arbeit zufrieden, weil seine Gesundheit ihm nicht erlaubte das Feuer, womit er ansetzte, lange genug zu unterhalten. Indessen werden Sie seine Gesinnungen und seinen guten Willen daraus leicht erkennen, und was er in der Eile übergangen hat hinzudenken. Ich wünsche, daß es Ihnen als ein Merkmahl seiner wahren Hochachtung gefallen, und zugleich diejenige in Ihrem Andenken erhalten möge, die in dem unbeachtetsten Winkel des Erdbodens beharrt –
N. S. Immer behalten wir Weiber das Wichtigste bis zum Postscript – das geschieht auch hier, nemlich die Bitte um Ihr Schattenbild. Freilich habe ich's in meiner kleinen Sammlung; allein von Ihnen selbst würde es mir theurer seyn, und auch gewiß daß es Ihnen ähnlich wäre. Wären Portraits so geschwind zu machen wie ein Schattenriß, so bäte ich um dies. Denn nach meinen Gesinnungen für Sie verdiente ich's – nun will ich mich mit dem letztern begnügen. So viel sage ich Ihnen – wenn Möser und seine Tochter jemals| 2 | nach Weimar hinkommen, so geschieht's um Sie kennen zu lernen, und um kein ander Ding in der Welt.