An Lavaters Pult dℓ. 12. Juni 1775.
Ich komme von Klijog, wo ich mit Lav. den 〈 〉 Haugwiz und andern
guten Jungens war. 〈 〉 ich dort an Sie gedacht habe, hier ein Stuck
Bro〈dt〉 an seinem Tische geschnitten. „Man kann frisch zu schneiden
o
, wenn man sieht dass es voll auf ist.“ Sagte er, freylich in seinem
Ton und Sprache. Ich ging ohne Ideen hin von ihm, und kehre reich
u zufrieden zurück. Ich habe kein aus den Wolcken abgesencktes Ideal
angetroffen,╬ Gott sey Danck, aber eins der herrlichsten Geschöpfe,
wie sie diese Erde hervorbringt
1
, aus der auch wir entsprossen sind.
Ade! Ade! – Und Sie zu Frankfurt! Eben da ich fliehe! – der Max viel
Grus.
G.
╬ Nota Bene keinen moralisch philosophischen Bauern.
o
für schneiden sagen sie hauen. „Einstuck Brodt abhauen〈“〉
- herr vorbringt ↑
H: GSA Weimar, Sign.: 29/294,I, Bl. 25. – 1 Bl. 19,9 × 25,3 cm, ⅔ S. beschr., egh., Tinte, die Anmerkungszeicheno
und╬ sowie die Anmerkungen (
195,13–14
) Bleistift; obere rechte Ecke abgerissen, Textverlust (vgl.
195,2–4
), ha lag noch der vollständige Text vor, demnach ist zu ergänzen:
195,2
Stollberg,
195,3
Daß sowie
195,4
Bro〈dt〉
(zu ha vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu
Nr 47
). – Faksimile: Morris, Goethes erste Schweizer Reise, 25.
E: Frese (1877), 163, Nr 34.
WA IV 2 (1887), 267 f., Nr 337.
Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt.
An Lavaters Pult] Goethe hielt sich vom 9. bis 15. Juni als Gast Lavaters in Zürich auf.
Klijog] Der Bauer Hans Jakob Gujer, der einen Musterhof bei Zürich betrieb (vgl. zu 180,10 ).
mit Lav. 〈…〉 und andern guten Jungens] Goethe war in Begleitung von Lavater, den Brüdern Christian und Friedrich Leopold zu Stolberg und Christian August Heinrich Curt von Haugwitz; mit von der Partie waren ferner Lavaters Amtsgehilfe Jacob Ludwig Passavant, der Musiklehrer Philipp Christoph Kayser sowie der Bauer Heinrich Boßhard aus Rümikon (vgl. zu 180,10 ), der den Besuch bei Gujer auf dem Katzenrütihof in seinen Erinnerungen schildert: „Kleinjogg führte uns in seinen Gebäuden herum, und am Tische unterhielten wir uns mit den weisen Reden dieses wackern Landmanns.“ (Heinrich Boßhard, eines schweizerischen Landmannes, Lebensgeschichte, von ihm selbst beschrieben. Hrsg. von Johann Georg Müller. Winterthur 1804, S. 93 f.; vgl. auch Morris, Goethes erste Schweizer Reise, 24; DjG2 5, 274 f.)
Sie zu Frankfurt] Sophie La Roche besuchte dort ihre Tochter Maximiliane Brentano.
da ich fliehe] Goethe hatte seine Reise auch in der Absicht angetreten, Distanz zu Anna Elisabeth Schönemann zu gewinnen.
Max] Maximiliane Brentano.
keinen moralisch philosophischen Bauern] Anspielung auf die Kleinjogg idealisierende Schrift Hans Caspar Hirzels „Die Wirthschaft eines philosophischen Bauers“ (Neue, vermehrte Aufl. Zürich 1774; 1. Aufl. 1761). Vgl. zu 180,10 .