Tagebuch­eintrag: GT, Nr. 2
16. Juni 1775, Freitag, Schwyz

d 16. Abends ¾ auf 8 dem1 Schwizer hocken gegenüber. den ersten nahen schnee. Schnee gegen über. Awfull. tiefe Tanne im Thal.

Nachts 10 in Schweiz. Müd und munter vom Berg ab springen voll Dursts u. lachens. Gejauchtzt bis Zwölf.

  1. am → dem  ↑

H: GSA 27/1


Das Tagebuch ist fast durchweg von Goethe eigenhändig geschrieben. Die Überschrift Den 15 Junius 1775. / Donnerstags morgen / aufm Zürchersee. (Bl 2 Vs) schrieb Johann Caspar Lavater, die Verfasser und Schreiber des zweiten bis neunten Vierzeilers (Bl 2 – Bl 3 Vs) sind Friedrich Leopold zu Stolberg, Lavater, Christian zu Stolberg, Lavaters Schwager Schinz, Philipp Christoph Kayser, Christian von Haugwitz, Johann Jacob Heß und Jacob Ludwig Passavant. Die Endreime der zweiten Strophe schrieb Goethe. Die Notiz Einer der herlichsten Waßerfälle der gantzen Gegend (Bl 12 Rs) schrieb Passavant. Die Eintragung Thallaman Caspar Antonj Meyer Drey König wird in Ursern an der Math. (Bl 16 Vs) schrieb Caspar Anton Meyer. (Zusätze von unbekannter Hand siehe unten.)

Die Eintragungen befinden sich in einem Heft (110 × 175 mm). Umschlag aus blaugrauem Kartonpapier. Auf dem vorderen Umschlagblatt von Riemers Hand die Überschrift »Tagebuch. Schweizerreise 1775.«. Die Blätter aus Konzeptpapier. Fadenheftung.

Blätter insgesamt (einschließlich des vorderen und hinteren Umschlagblattes): 16

Beschriebene Blätter: 10


Ein nachträglich eingelegtes, wohl um 1813, in Vorbereitung des Achtzehnten Buches von »Dichtung und Wahrheit«, von Goethe eigenhändig quer beschriebenes Blatt (110 × 90 mm), geripptes Schreibpapier. Tinte.

Vs: Liegende Akkolade, darunter: Speranza – dass die fremden Hunde die sich hier verlauffen ein Küssen finden. Von unbekannter Hand rechts oben mit Bleistift »23«.

Rs: (seitenverkehrt:) Der Frau


Schreibmaterial und Zusätze von unbekannter Hand:

Bleistift. Mit Tinte das Gedicht »Gib das tagwerck ...«.

Von Goethe mit Bleistift schräg, zum Teil kreuzweise durchgestrichen die chronologischen Eintragungen vom 16. bis 22. Juni 1775 und die Eintragung Speranza bis verlohren sind.

Die Blätter, einschließlich des vorderen und hinteren Umschlagblattes, von unbekannter Hand mit Bleistift paginiert jeweils Vorderseite rechts oben, die Rückseite der Blätter 11–15 zusätzlich links unten seitenverkehrt paginiert von »11​2« bis »15​2«.


Anordnung und Zählung der Handschrift:

Bl 1 Umschlagblatt

Bl 2 Vs: Überschrift: Den 15 Junius 1775. bis aufm Zürchersee.

Reimstrophe 1–4

Bl 2 Rs: Reimstrophe 5–8

Bl 3 Vs: Reimstrophe 9

Gedicht: »Ich saug an meiner Nabelschnur ...«

Gedicht: »Aug mein Aug was sinckst du nieder ...«

Bl 3 Rs: Gedicht: »Vom Berge in die See Vid. das Privat Archiv des Dichters Lit. L.«

Bl 4 Vs: Notiz: am Steeg bis Capele

Bl 4 Rs: Entwurf (quer geschrieben:) Und dem entgegnenden Priest bis erheitern

Bl 5–7 Vs leer

Bl 7 Rs: Gedicht: »Gib das tagwerck ...«

Bl 8–11 Vs leer

Bl 11 Rs: Notiz (seitenverkehrt geschrieben): Speranza bis verlohren sind

Bl 12 Vs leer

Bl 12 Rs–14 Vs (seitenverkehrt beschrieben von hinten nach vorn)

Bl 14 Rs–13 Vs: Tgb-Eintr 16.–21. Juni 1775: d 16. Abends bis Projeckte.

Bl 12 Rs: Tgb-Eintr 21.–22. Juni 1775: ab 35 Min auf 4. bis s-st. D.

Bl 15 Vs–15 Rs (seitenverkehrt quer beschrieben)

Bl 15 Rs: Entwürfe. Notizen: Doch mir stehn fest bis alber zu stellen

Bl 15 Vs: Entwürfe. Notizen. Bruchstücke: Und die ewig verderblihe bis sein selbst willen

Bl 16 Vs (Innenseite des hinteren Umschlagblattes): Eintragung: Thallaman Caspar Antonj Meyer bis Schiling


D:

WA III 1, 1–7, udT: Schweiz 1775.

d 16.] Christian August Heinrich von Haugwitz, Christian und Friedrich Leopold zu Stolberg und Philipp Christoph Kayser waren am Abend des 15. Juni nach Zürich zurückgekehrt. Siehe »Dichtung und Wahrheit«, Achtzehntes Buch (DuW 1, 609; WA I 29, 110): Indeß ich mit Lavatern die nächsten und wichtigsten Gegenstände durchgesprochen 〈…〉, waren meine muntern Reisegesellen schon auf mancherley Wegen ausgezogen 〈…〉. Passavant mich mit herzlicher Freundschaft umfangend, glaubte dadurch ein Recht zu dem ausschließenden Besitz meines Umganges erworben zu haben 〈…〉. Übernachtung Goethes und Passavants vom 15. zum 16. Juni 1775 im Hospiz des Klosters Einsiedeln. – Siehe »Dichtung und Wahrheit«, Achtzehntes Buch (DuW 1, 612–613; WA I 29, 116–117).

dem Schwizer hocken gegenüber] Siehe »Dichtung und Wahrheit«, Achtzehntes Buch (DuW 1, 612–613; WA I 29, 116): Abends ¾ auf Achte standen wir den Schwytzer hoken gegenüber, zweyen Berggipfeln, die nebeneinander mächtig in die Luft ragen. Goethe begriff unter dem Hocken sowohl den Hackenpaß wie die an diesen angrenzenden Gipfel des Kleinen und Großen Mythen im Kanton Schwyz. Überliefert ist die Zeichnung »Die Mythen«, Bleistift (Corpus I, Nr 107; Datierung: Schweiz 1775).

Awfull] Awful: schaudererregend; das Adjektiv wohl aus der englischen empfindsamen Naturbeschreibung übernommen (GWb 1, Sp 1306).

tiefe Tanne im Thal] Siehe »Dichtung und Wahrheit«, Achtzehntes Buch (DuW 1, 613; WA I 29, 116–117): Ernsthaft und fürchterlich füllte ein uralter Fichtenwald die unabsehlichen Schluchten in die wir hinabsollten.

vom Berg ab springen] Siehe »Dichtung und Wahrheit«, Achtzehntes Buch (DuW 1, 613; WA I 29, 117): Nach kurzer Rast 〈…〉 sprangen wir den von Klippe zu Klippe, von Platte zu Platte in die Tiefe sich stürzenden Fußpfad [hinab] 〈…〉.

voll Dursts u. lachens. Gejauchtzt bis Zwölf] Siehe »Dichtung und Wahrheit«, Achtzehntes Buch (DuW 1, 613; WA I 29, 117); dort zitiert: ›Lachen und Jauchzen dauerte bis um Mitternacht.‹

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GT I, 16.6.1775 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), in: https://goethe-biographica.de/id/GT01_0002.

Entspricht Druck:
Text: GT I 1, S. 5 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.
Kommentar: GT I 2, S. 377–378 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.

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