BuG: BuG II, A 321
Weimar Jan. 1778

Unbekannt (C. H. Krögen?, Eleonore Thon?), Julie v. Hirtenthal (Ztschr. f. Bücherfreunde NF 2, 1 Beibl. S. 67)

Weimar Jan. 1778

Indessen verschaffte mir doch der Zufall die Bekanntschaft des so mannigfaltig beneideten, getadelten, geschmeichelten und nachgeahmten Göthe –. Stellen Sie sich, geliebte Julie, einen Mann von dreyßigen vor, denken sich dessen Cörper, den er sehr gerade trägt, mehr mager als stark, und bilden sich dessen Länge über mittelmäßig. In seinem blassen mit mäßigen Pockengruben bezeichneten Gesicht, finden Sie eine große etwas erhabene Nase, schöne feurige schwarze Augen, im Ganzen sehr viel Ausdruck. – Seine Kleidung ist einfach; viele Umstände und ängstliches Wesen sind ihm wie dem Herzog zuwider. Er zeichnet schön. Er scheint die Melancholie zu lieben und spricht wenig, wo er nicht bekannt ist; dann ist er aber ungezwungen und herablassend, und Spott und Satyre beleben oft seine Ausdrücke. Sein Verstand ist durchdringend, und seine Kenntnis des menschlichen Herzens außerordentlich groß.

Wie gefällt Ihnen der Mann, meine Teuerste, den ich gesehen, unter einem fremden Namen gesprochen und von vielen habe beschreiben hören.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0321 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0321.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 62 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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