Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 171
Von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein

28. Februar 1783, Rom

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Ich wünschte zu wissen welche Köpfe von Rapfhael Ihnen am besten gefallen.
Den damahls alls Sie meine Zeichnungen nach Rapfhℓ: gesehen hatten, schrieben Sie das
Ihnen einige so gut gefallen und wünschten sie selbst zu haben. Sagen Sie
mir nur welche Sie haben wollen, wen Sie mir selbige nur bezeichnen, mit dem
Namen oder sonst beschreiben, so will ich sie für Ihnen machen. Ich werde balt
nach dem Vatigan ziegen und einige Zeit da zu wohnen, om recht nahe
bey Rapfhael und denen Andicken Staduen zu sein.


   Das Neuste in Rom ist, das alle Römer fast Doll für freude sind weil es Car-
newall ist, den sie versparen alles biss auf diesse kurze Zeit um sich den recht
lustig zu machen. Dieses jahr sind sie sehr Glücklig weil es so schön wetter ist,
die ganze Strasse läuft voll Mascken. ich wünschte das Sie nur einen Blick
in die Haubtstrase thun könten, wie lustig es aussiehet alle die menschen so ver-
kapt zu sehen, besonders ist es der Mühe werth die schöne gesichter zu sehen, den das
ist den armen Mochgens ihre einzige freude im ganzen Jahr das sie sich derfen sehen lassen,
nun prahlen sie aber auch recht mit ihrem Gesicht und schönen Hals und Brust. um die Au-
gen tragen sie nur ein Kleines schwarzes Bandt, das ist die ganze Mascke. Bald weren
die Armen Römer auch um diese Kleine Freude dieses jahr gekommen, den der König
von Neapel hatt an den Papst ersucht das er bey der Madona ansuchen
mechte sie solle mit dem Erdbeben einhalt thun. der Papst hatt es auch ver-
sprochen anstalten zu trefen. und den Carnewal hatt er wollen einstellen, aber
weil schon so viele leite u. Kosten gemacht haben um etwas zu verdienen, so hatt
es nicht angehen könen. Aber in Neapel ist kein Carnewall. und hier gehen die
Bedler herum und schreien, ihr Menschen wertet gut und from! Last die fürsten
und gebt Almosen! Den sehet wie Gott erzürnt ist! in Sicilien hatt er eine
ganze Stadt undergehenlassen, und denkt wie mancher den weg zum Feegfeuer
in einer Sündigen stellung angetreden hatt. uno trito, e il altro traverso.
und in diesen schendligen stellungen erscheinen sie nun alle vor unser Santisima
Madona.


   Ich hofe bald Andwort von Ihnen zu bekomen was für Kopfe ich für Ihnen
zeichnen soll. schreiben Sie mir doch bald, recht bald.


    W. T

   


S:  LATh - HStA Weimar  D:  Tischbein 31f.  B : -  A : 1783 Mai vor 21 (vgl. Tischbein, 34) 

Anfrage, welche Köpfe von Raffael G. gezeichnet wünsche. - Anschauliche Schilderung des Karnevals in Rom, der wegen der Erdbeben in Neapel und Sizilien auf Bitten des Königs Ferdinand IV. von Neapel beinahe durch den Papst abgesagt worden wäre.

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 Ich wünschte zu wissen welche Köpfe von Rapfhael Ihnen am besten gefallen. Den damahls alls Sie meine Zeichnungen nach Rapfhℓ: gesehen hatten, schrieben Sie das Ihnen einige so gut gefallen und wünschten sie selbst zu haben. Sagen Sie mir nur welche Sie haben wollen, wen Sie mir selbige nur bezeichnen, mit dem Namen oder sonst beschreiben, so will ich sie für Ihnen machen. Ich werde balt nach dem Vatigan ziegen und einige Zeit da zu wohnen, om recht nahe bey Rapfhael und denen Andicken Staduen zu sein.

  Das Neuste in Rom ist, das alle Römer fast Doll für freude sind weil es Car- newall ist, den sie versparen alles biss auf diesse kurze Zeit um sich den recht lustig zu machen. Dieses jahr sind sie sehr Glücklig weil es so schön wetter ist, die ganze Strasse läuft voll Mascken. ich wünschte das Sie nur einen Blick in die Haubtstrase thun könten, wie lustig es aussiehet alle die menschen so verkapt zu sehen, besonders ist es der Mühe werth die schöne gesichter zu sehen, den das ist den armen Mochgens ihre einzige freude im ganzen Jahr das sie sich derfen sehen lassen, nun prahlen sie aber auch recht mit ihrem Gesicht und schönen Hals und Brust. um die Augen tragen sie nur ein Kleines schwarzes Bandt, das ist die ganze Mascke. Bald weren die Armen Römer auch um diese Kleine Freude dieses jahr gekommen, den der König von Neapel hatt an den Papst ersucht das er bey der Madona ansuchen mechte sie solle mit dem Erdbeben einhalt thun. der Papst hatt es auch versprochen anstalten zu trefen. und den Carnewal hatt er wollen einstellen, aber weil schon so viele leite u. Kosten gemacht haben um etwas zu verdienen, so hatt es nicht angehen könen. Aber in Neapel ist kein Carnewall. und hier gehen die Bedler herum und schreien, ihr Menschen wertet gut und from! Last die fürsten und gebt Almosen! Den sehet wie Gott erzürnt ist! in Sicilien hatt er eine ganze Stadt undergehenlassen, und denkt wie mancher den weg zum Feegfeuer in einer Sündigen stellung angetreden hatt. uno trito, e il altro traverso. und in diesen schendligen stellungen erscheinen sie nun alle vor unser Santisima Madona.

  Ich hofe bald Andwort von Ihnen zu bekomen was für Kopfe ich für Ihnen zeichnen soll. schreiben Sie mir doch bald, recht bald.

  W. T  

 

 
 

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Online-Edition:
RA 1, Nr. 171, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0171_00185.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 171.

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