Goethes Briefe: GB 2, Nr. 205
An Johann Heinrich Merck

〈Frankfurt a. M. , 7. März 1775. Dienstag〉 → 〈Darmstadt〉


Hier etwas gegen das überschickte. Ich ​ 1 hab seit drey tagen an einer Zeichnung mit dem mir möglichsten Fleisse gearbeitet und bin noch nicht fertig. Es ist gut dass man einmal alles thue was man thun kann, um die Ehre zu haben sich näher kennen zu lernen. Grüs Frau u Kinder. Schick mir die Studien zurück, und was neues dazu. Ade. Lerne an den Romanzen. Und gehe so eben nach ​ 2 Offb. wenn was dran ​ 3 liegt.

Dienst dℓ. wellenähnliche Kringel morgens halb sieben

G.

  1. × ​Ich​ ↑
  2. N ​nach​ ↑
  3. G. ​dran (Der Brief endete zunächst nach Romanzen. und war mit G. unterschrieben, welches bei Fortsetzung des Briefs mit dran überschrieben wurde.) ​ ↑
  4. |Und gehe 〈…〉 G.|​ ↑

Nach Offenbach (vgl. 169,9 ) begab sich Goethe häufiger, erst nachdem er Anfang Januar 1775 Anna Elisabeth Schönemann kennen gelernt hatte. Die Besuche in der Nachbarschaft begannen nach Goethes Erinnerung im 17. Buch von „Dichtung und Wahrheit“ bey eintretendem Frühling 1775 (AA DuW 1, 572). Dies stimmt mit den Angaben in den Briefen überein, die den ersten Aufenthalt in Offenbach für die Zeit vom 7. bis 9. März belegen (vgl. die in Nr 207 genannten Daten). Der vorliegende, dienstags (vgl. 169,11 ) geschriebene Brief stammt vom 7. März 1775, denn an den folgenden Dienstagen (14., 21. und 28. März) hielt sich Goethe in Frankfurt auf (vgl. Nr 208 , 210 , 211 und 217 ). Für diese Datierung spricht ferner der Umstand, dass Goethe bei Niederschrift des vorliegenden Briefs das Datum nicht bewusst war, weshalb er in der Datumszeile am Schluss die Angabe von Tag und Monat durch einige Schleifen ersetzte (vgl. Faksimile). Goethes Unsicherheit im Datum wird auch im Brief an Augusta zu Stolberg vom 7. März deutlich: heut ist der 6. März denck ich ( 170,14 ).

H: UB Leipzig, Slg Hirzel, Sign.: B 24. – 1 Bl. 17,4 × 10,8(–11) cm, 1 S. beschr., egh., Tinte, flüchtig geschrieben.

E: Merck, Briefe​1 (1835), 55 f., Nr 18.

WA IV 2 (1887), 240, Nr 300 (nur Brief; Textkorrekturen in den „Berichtigungen“, vgl. WA IV 50 [1912], 212).

Goethe überschickt etwas ( 169,4 ): Da sich ein Manuskript von Goethes zwischen 1773 und Anfang 1775 entstandenem Gedicht „Prometheus“, dessen Text hier folgt, in Mercks Nachlass vorfand, wird seit Morris angenommen, Goethe habe es dem vorliegenden Brief beigelegt (vgl. DjG​2 6, 432, zu Nr 316).


Prometheus


  Bedecke deinen Himmel Zevs Mit Wolckendunst! Und übe Knabengleich Der disteln kopft, An Eichen dich und Bergeshöhn! Musst mir meine Erde Doch lassen stehn.   Und meine Hütte Die du nicht gebaut, Und meinen Heerd Um dessen Glut Du mich beneidest.   Ich kenn nichts ärmers Unter der Sonn als euch Götter. Ihr nähret kümmerlich Von Opfersteuern und Gebetshauch Eure Majestät, und darbtet wären Nicht Kinder und Bettler Hoffnungsvolle Tohren.   Als ich ein Kind war Nicht wusste wo aus wo ein Kehrt mein verirrtes Aug Zur Sonne als wenn drüber wär Ein Ohr zu hören meine Klage Ein Herz wie meins Sich des bedrängten zu erbarmen.   Wer half mir wider der Titanen Ubermuth Wer rettete vom Todte mich Von Sklaverey? Hast du's nicht alles selbst vollendet Heilig glühend Herz? Und glühtest iung und gut, Betrogen, Rettungsdanck dem Schlafenden dadroben.   Ich dich ehren? Wofür? Hast du die Schmerzen gelindert Je des Beladenen Hast du die Tränen gestillt Je des Geängsteten. Hat nicht mich zum Manne geschmiedet Die allmächtige Zeit Und das ewige Schicksaal Meine Herrn und deine.   Wähntest etwa Ich sollt ⎡das Leben hassen⎤ In Wüsten fliehn Weil nicht alle Knabenmorgen Blütenträume reifften.   Hier sitz ich forme Menschen Nach meinem Bilde Ein Geschlecht das mir gleich sey Zu leiden weinen Geniessen und zu freuen sich, Und dein nicht zu achten Wie ich.

H: UB Leipzig, Slg Hirzel, Sign.: B 25. – Doppelblatt – 11,5 × 16 cm, 2 ¾ S. beschr., egh., Tinte. – Faksimile: Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationalliteratur 〈…〉 bearbeitet von Gustav Könnecke. Zweite, verbesserte und vermehrte Aufl. Marburg 1895, S. 274 f.

Der Brief beantwortet eine Sendung unbekannten Inhalts; ein Begleitbrief Mercks ist nicht überliefert. – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt.

etwas] Vgl. Beilage.

das überschickte] Nicht ermittelt.

Zeichnung] Nicht ermittelt. Über Goethes Beschäftigung mit dem Zeichnen vgl. auch zu 134,24–25 .

Frau u Kinder] Louise Françoise Merck geb. Charbonnier sowie die Kinder, der achtjährige Heinrich Emanuel, der fast siebenjährige Franz Anton und die dreijährige Adelheid.

Studien] Vermutlich Zeichnungen.

Romanzen] Bräuning-Oktavio vermutet, dass damit auch Mercks „Pätus und Arria eine Künstler-Romanze“ (1775) gemeint sein könnte (vgl. Goethe und Johann Heinrich Merck. Die Geschichte einer Freundschaft. T. 1. In: GJb N. F. 12 [1950], 211).

Offb.] Offenbach.

 

 
 

Nutzungsbedingungen

Kontrollen

Kontrast:
SW-Kontrastbild:
Helligkeit:

Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 205 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR205_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 169, Nr 205 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 427–430, Nr 205 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

Zurück zum Seitenanfang