Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 214
Von Georg Joachim Göschen

1. Juli 1786, Leipzig

| 1 |


   Hochwohlgebohrner Herr Geheimer Rath!


Ich gehe alle Punkte des Contraktes ein, wovon
mir Herr Rath Bertuch die Punktation zugesand hat.
ausgenommen den § 5. und 6 weswegen
ich Ihrem Herzen erst eine Erklahrung thue, ehe
ich solche unterschreibe.


Die Lage des Buchhandels ist gegenwärtig so,
daß ich bey einem Honorario von 2000 rtℓ alle
meine Zeit, alle meine Kräfte anwenden muß
um meine entreprise zu sichern und mir einen
soliden Gewinn dabey zu verschaffen. Ich darf
kek behaupten: daß ich Wege des Debits weiß
welche den grösten Handlungen unbekant sind. | 2 |
oder die die andern Buchhändler, aus Mangel
an Zeit, welche ihnen der Sortiments Handel
wegnimmt, nicht benutzen können. Bey
diesem Buch hab ich die schöne Außicht durch
unermüdetes Arbeiten eine Quelle des Unterhaltes
auf die schwächern Lebenstage zu eröfnen.


Bey der ersten Auflage kann das nicht geschehen
und bei der 2ten auch nicht, wenn ich 10 rth für
die schon gedruckten Bogen in der neuen Ausgabe
geben soll. Denn der Abgang ist alsdann
langsamer und der deutsche Geist ist nicht aus
daurend im Ankauf seiner großen Schriftsteller.
Allemal erfordert eine neue Ausgabe wieder
ein ansehnliches Capital, und dieses Capital
geht langsam wieder in die Cassa


Redete ich hier blos für mich so würd ich keine
Bitte äusern, aber für die Nachkommenden
Besitzer meiner Handlung; vieleicht für | 3 |
ein geliebtes Weib, vieleicht für ein Kind,
bitt ich: laßen Sie Sichs gefallen daß
für die schon gedruckt gewesenen Bogen
bey einer neuen Ausgabe 5 rth und für jeden
Bogen neuer Aufsätze 3 Ldors ausgemacht
werden


Vergreift sich aber eine neue Ausgabe innerhalb
3 Jahren, und sie ist 2000 stark, so zahle ich oder
meine Erben, noch 2 1/2 rth für den schon gedruckt
gewesenen Werken nach –


Dieses sind meine Vorstellungen. Sie sind so wahr
als ich ein ehrlicher Mann bin, und Eigennutz
haße wie die Sünde. Mit ein Paar Worten
bitte ich Dero Entschließung mir wißen zu laßen
In Absicht des § 6. führ' ich nur an, daß ich die
Stärke der Auflage nicht vorher bestimmen
kann, weil ich nach dem Erfolg meiner Subskriptions
sammlung meine Auflage einrichten werde
Ich tausche zwahr eben so wenig als Weygand und | 4 |
Reich, aber demohngeachtet soll der
Debit nicht darunter leiden. Ein Buch das
nicht geht wird auch, bey der Wendung welche
der Buchhandel genommen hat, in einer
Handlung nicht gehen welche lauter Bücher
für ihre Verlags artikel giebt und ein
Buch, das von der Art ist, daß es gehen
muß, geht bey mir gewiß beßer als
in irgend einer Handlung, weil ich Freunde
in jedem Winkel Deutschlands habe, die mich
unterstützen


Ich hatte Ew Hochwohlgebℓ noch so manches
andre zu sagen, und hätte das gesagte
beßer sagen und schreiben sollen; allein
ich erwarte mit jeder Minute einen Ruf
von der Post, das ich kommen soll um
nach Berlin abzureisen.


Sollte Ew Hochwohlgebℓ bey Dero Forderung,
gemäß der gesandten Punktation, bleiben,
auch dann genehmige ich sie, wiewohl es mir
schwehr werden würde. Ich kann den Wunsch
nicht wiederstehen die Werke des Mannes
zu verlegen, der meine ganze Seele mit | 5 |
großer Verehrung erfüllet hat. Die
Buchhändler, welche meine Spekulation
nicht durchsehen werden einen jungen Menschen
fur unbedachtsam halten der einen wichtig
Akord eingeht. Der Neid giebt allerley
Gedanken ein und schärft böse Zungen.
Das fühl ich schon jetz, indem mann laut
sagt: Wie käme der Mensch so schnell
zu solchem Verlag, wenn er nicht unübersehliche
Akorde einginge. Um deswillen bitte ich
von unserm Contrakt Niemand etwas
zu sagen.


Mann ruft mich, und ich bin auch so
ermattet, daß mir ohnedem die Feder
aus der Hand fallen will


   Mit dem grosten Respect verharr ich
   Ew Hochwohlgebℓ

   gehorsamster Diener

    Geo. Joa. Göschen



  Sr Hochwohlgebℓ
Dem Herrn Geheimen
   Rath
von Göthe
   in
Weimar
franco

S:  GSA 30/297 Bl. 3-6  D:  QuZ 1 Nr. 14 (T)  B : 1786 Juni Ende (WA IV 7, Nr. 2335); an F. J. J. Bertuch, 1786 Juni Ende (WA IV 7, Nr. 2333, Nr. 2334)  A : 1786 September 2 (WA IV 8, Nr. 2501); an P. F. Seidel, 1786 September 2 (WA IV 8, Nr. 2502) 

Göschen sei mit allen Punkten des von Bertuch empfangenen Vertrages über die Herausgabe von G.s Werken einverstanden. Ausgenommen seien lediglich die Paragraphen 5 und 6, denn Göschen müsse G. im Hinblick auf die schwierige Lage des Buchhandels ersuchen, ein niedrigeres Honorar zu fordern. Allerdings sollten, falls G. diese Bitte nicht erfüllen könne, die Verhandlungen daran nicht scheitern. Über die endgültige Höhe der Auflage könne Göschen vorerst keine bestimmten Angaben machen. Ausführliche Darlegungen zu beiden Punkten.

| 1 |

 Hochwohlgebohrner Herr Geheimer Rath!

 Ich gehe alle Punkte des Contraktes ein, wovon mir Herr Rath Bertuch die Punktation zugesand hat. ausgenommen den § 5. und 6 weswegen ich Ihrem Herzen erst eine Erklahrung thue, ehe ich solche unterschreibe.

 Die Lage des Buchhandels ist gegenwärtig so, daß ich bey einem Honorario von 2000 rtℓ alle meine Zeit, alle meine Kräfte anwenden muß um meine entreprise zu sichern und mir einen soliden Gewinn dabey zu verschaffen. Ich darf kek behaupten: daß ich Wege des Debits weiß welche den grösten Handlungen unbekant sind.| 2 | oder die die andern Buchhändler, aus Mangel an Zeit, welche ihnen der Sortiments Handel wegnimmt, nicht benutzen können. Bey diesem Buch hab ich die schöne Außicht durch unermüdetes Arbeiten eine Quelle des Unterhaltes auf die schwächern Lebenstage zu eröfnen.

 Bey der ersten Auflage kann das nicht geschehen und bei der 2ten auch nicht, wenn ich 10 rth für die schon gedruckten Bogen in der neuen Ausgabe geben soll. Denn der Abgang ist alsdann langsamer und der deutsche Geist ist nicht aus daurend im Ankauf seiner großen Schriftsteller. Allemal erfordert eine neue Ausgabe wieder ein ansehnliches Capital, und dieses Capital geht langsam wieder in die Cassa

 Redete ich hier blos für mich so würd ich keine Bitte äusern, aber für die Nachkommenden Besitzer meiner Handlung; vieleicht für| 3 | ein geliebtes Weib, vieleicht für ein Kind, bitt ich: laßen Sie Sichs gefallen daß für die schon gedruckt gewesenen Bogen bey einer neuen Ausgabe 5 rth und für jeden Bogen neuer Aufsätze 3 Ldors ausgemacht werden

 Vergreift sich aber eine neue Ausgabe innerhalb 3 Jahren, und sie ist 2000 stark, so zahle ich oder meine Erben, noch 2 1/2 rth für den schon gedruckt gewesenen Werken nach –

 Dieses sind meine Vorstellungen. Sie sind so wahr als ich ein ehrlicher Mann bin, und Eigennutz haße wie die Sünde. Mit ein Paar Worten bitte ich Dero Entschließung mir wißen zu laßen In Absicht des § 6. führ' ich nur an, daß ich die Stärke der Auflage nicht vorher bestimmen kann, weil ich nach dem Erfolg meiner Subskriptions sammlung meine Auflage einrichten werde Ich tausche zwahr eben so wenig als Weygand und| 4 | Reich, aber demohngeachtet soll der Debit nicht darunter leiden. Ein Buch das nicht geht wird auch, bey der Wendung welche der Buchhandel genommen hat, in einer Handlung nicht gehen welche lauter Bücher für ihre Verlags artikel giebt und ein Buch, das von der Art ist, daß es gehen muß, geht bey mir gewiß beßer als in irgend einer Handlung, weil ich Freunde in jedem Winkel Deutschlands habe, die mich unterstützen

 Ich hatte Ew Hochwohlgebℓ noch so manches andre zu sagen, und hätte das gesagte beßer sagen und schreiben sollen; allein ich erwarte mit jeder Minute einen Ruf von der Post, das ich kommen soll um nach Berlin abzureisen.

 Sollte Ew Hochwohlgebℓ bey Dero Forderung, gemäß der gesandten Punktation, bleiben, auch dann genehmige ich sie, wiewohl es mir schwehr werden würde. Ich kann den Wunsch nicht wiederstehen die Werke des Mannes zu verlegen, der meine ganze Seele mit| 5 | großer Verehrung erfüllet hat. Die Buchhändler, welche meine Spekulation nicht durchsehen werden einen jungen Menschen fur unbedachtsam halten der einen wichtig Akord eingeht. Der Neid giebt allerley Gedanken ein und schärft böse Zungen. Das fühl ich schon jetz, indem mann laut sagt: Wie käme der Mensch so schnell zu solchem Verlag, wenn er nicht unübersehliche Akorde einginge. Um deswillen bitte ich von unserm Contrakt Niemand etwas zu sagen.

 Mann ruft mich, und ich bin auch so ermattet, daß mir ohnedem die Feder aus der Hand fallen will

 Mit dem grosten Respect verharr ich  Ew Hochwohlgebℓ  gehorsamster Diener   Geo. Joa. Göschen


  Sr Hochwohlgebℓ
Dem Herrn Geheimen
   Rath
von Göthe
   in
Weimar
franco

 

 
 

Nutzungsbedingungen

Kontrollen

Kontrast:
SW-Kontrastbild:
Helligkeit:

Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 214, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0214_00245.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 214.

Zurück zum Seitenanfang