Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 207a
Von Gottlob Karl Wilhelm Friedrich Stein

19. Februar 1786, Göttingen

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    Lieber Herr Geheimrath,


Ich bin Ihnen recht vielen und großen Dank schuldig, daß Sie meinen Brief, und
sich meiner Sache bey meinen Eltern angenommen haben. Sie verlangen ausdrücklich aber,
Ihnen aufrichtig zu sagen an wem und wofür ich Schulden habe. Sie haben meine Hoffnung
nicht getäuscht, und so schwehr es mir ankommt, so will ich Sie auch nicht hintergehen.
Ich traf an einem Tage in Helmstädt das Mädgen allein an, was mir die Wäsche
brachte, und was wir thaten läßt sich freilich nicht entschuldigen. Es kam mir
theuer zu stehen. Nach 9 Monaten kam sie in Wochen. Die Verlegenheit worinn
ich war, und die Angst daß man es in Braunschweig erfahren würde brachten mich
aufs äußerste. Ein Herr von Cramm welchem ich noch mehr Verbindlichkeiten | 2 |
habe verschafte mir bey dieser Gelegenheit Geld. Ich reiste selbst
heimlich nach Helmstädt, und brachte alles in Ordnung. Der kleine Junge
starb. Diese Schuld ist der erste und stärkste Artikel in der
Specification meiner Schulden welche hiebey folgt. Das Geld hat Cramm
selbst geborgt. Zweitens 40 rth. Selbige habe ich von dem Herrn Blum
geliehen bekommen als ich von Helmstädt abgieng vorige Ostern:
Herr Rehbein bekommt 8 rth für den Tisch. Die übrigen Artikel
können mit Rechnungen und Scheinen belegt werden. Kleine Schulden
habe ich so viel mir bewust ist alle getilgt. Verspielt habe ich nichts,
aber meinen Eltern getraue ich mich nicht zu schreiben. Ich bin in
der betrübtesten Lage. Selbst durch diese Antwort auf Ihren
so gütigen Brief muß ich sie zurückschrecken sich meiner anzunehmen.
Ich kann mich auch nicht entschuldigen. Schon fünf Mal habe ich diesen
Brief von vorne angefangen, aber ich bin so verwirrt und nicht im
Stande anders zu schreiben. Jetzt habe ich Ihnen mein Schicksal | 3 |
in die Hände gegeben, und werde immer mit Dank das
erkennen was Ihnen Ihr Gewißen bey meinen Eltern für mich zu
thun erlaubt, und nie aufhören zu bleiben



    Ihr

    gehorsamster und ergebenster
    C. v. Stein

| 4 |

rth
gg
d
1.
An Herrn von Cramm zu Volkersheim
130
..
..
2.
" Herr Blum in Helmstädt
 40
..
..
3.
" Herr Rehbein in Helmstädt
8
..
..
4.
" Herr von Münster
5
..
..
5.
den Juden Gumprecht
106
..
..
6.
" den Kaufmann Wiese
34
1
4
7.
- dem Schneider ohngefähr
6
..
..
8.
für Zucker
2
..
..
9.
Klaviermiethe
2
..
..
10.
für Pferde
10
..
..
11.
dem Schuster ohngefähr
10
..
..

Summe-
353
1
4


Hieher sind die 4teljährigen Ausgaben nicht mitgerechnet
welche auf Ostern wie gewöhnlich bezahlt werden müßen.
z.B. Tisch, Hausmiethe, Aufwartung, Wäsche pp.


S:  LATh - StA Rudolstadt  D:  -  B : 1786 Februar 6 (vgl. 7, 347)  A : - 

S. dankt G. dafür, daß er sich seiner Sache bei seinen Eltern angenommen habe. Auf G.s Verlangen, aufrichtig zu sagen an wem und wofür er Schulden gemacht habe, berichtet S. von den vorangegangenen Ereignissen: Ein Mädchen in Helmstedt habe ein - inzwischen verstorbenes - Kind von ihm zur Welt gebracht. Diese Schuld ist der erste und stärkste Artikel in der Specification meiner Schulden [...]. S. nennt seine Gläubiger und gibt eine Aufstellung seiner Schulden.

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   Lieber Herr Geheimrath,

 Ich bin Ihnen recht vielen und großen Dank schuldig, daß Sie meinen Brief, und  sich meiner Sache bey meinen Eltern angenommen haben. Sie verlangen ausdrücklich aber,  Ihnen aufrichtig zu sagen an wem und wofür ich Schulden habe. Sie haben meine Hoffnung  nicht getäuscht, und so schwehr es mir ankommt, so will ich Sie auch nicht hintergehen.  Ich traf an einem Tage in Helmstädt das Mädgen allein an, was mir die Wäsche  brachte, und was wir thaten läßt sich freilich nicht entschuldigen. Es kam mir  theuer zu stehen. Nach 9 Monaten kam sie in Wochen. Die Verlegenheit worinn  ich war, und die Angst daß man es in Braunschweig erfahren würde brachten mich  aufs äußerste. Ein Herr von Cramm welchem ich noch mehr Verbindlichkeiten| 2 | habe verschafte mir bey dieser Gelegenheit Geld. Ich reiste selbst  heimlich nach Helmstädt, und brachte alles in Ordnung. Der kleine Junge  starb. Diese Schuld ist der erste und stärkste Artikel in der  Specification meiner Schulden welche hiebey folgt. Das Geld hat Cramm  selbst geborgt. Zweitens 40 rth. Selbige habe ich von dem Herrn Blum  geliehen bekommen als ich von Helmstädt abgieng vorige Ostern:  Herr Rehbein bekommt 8 rth für den Tisch. Die übrigen Artikel  können mit Rechnungen und Scheinen belegt werden. Kleine Schulden  habe ich so viel mir bewust ist alle getilgt. Verspielt habe ich nichts,  aber meinen Eltern getraue ich mich nicht zu schreiben. Ich bin in  der betrübtesten Lage. Selbst durch diese Antwort auf Ihren  so gütigen Brief muß ich sie zurückschrecken sich meiner anzunehmen.  Ich kann mich auch nicht entschuldigen. Schon fünf Mal habe ich diesen  Brief von vorne angefangen, aber ich bin so verwirrt und nicht im  Stande anders zu schreiben. Jetzt habe ich Ihnen mein Schicksal| 3 | in die Hände gegeben, und werde immer mit Dank das  erkennen was Ihnen Ihr Gewißen bey meinen Eltern für mich zu  thun erlaubt, und nie aufhören zu bleiben


   Ihr      gehorsamster und ergebenster    C. v. Stein  

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rth
gg
d
1.
An Herrn von Cramm zu Volkersheim
130
..
..
2.
" Herr Blum in Helmstädt
 40
..
..
3.
" Herr Rehbein in Helmstädt
8
..
..
4.
" Herr von Münster
5
..
..
5.
den Juden Gumprecht
106
..
..
6.
" den Kaufmann Wiese
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7.
- dem Schneider ohngefähr
6
..
..
8.
für Zucker
2
..
..
9.
Klaviermiethe
2
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..
10.
für Pferde
10
..
..
11.
dem Schuster ohngefähr
10
..
..

Summe-
353
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 Hieher sind die 4teljährigen Ausgaben nicht mitgerechnet  welche auf Ostern wie gewöhnlich bezahlt werden müßen.  z.B. Tisch, Hausmiethe, Aufwartung, Wäsche pp.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 207a, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0207_00238.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 207a.

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