Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 79
Von Johann Kaspar Lavater

18. Juni 1777, Zürich

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Lieber Goethe!


   Ach! deine Schwester, ach! Aussprechℓ
kann ich's nicht; ich darf's Pfenningern
nicht sagen – ist hingegangen, wohin?
Sag mir's? Ach Goethe, was ist Leben?
was ist sterben? Ich kann's nicht faßen,
nicht tragen! Ach, auch bald wieder ein
Wort aus deinem Herzen.


Heüt, oder Morgen geht die Büste an
dich für Louise ab. Ich habe keine Freü-
de an nichts, an keiner Vollendung, u:
doch alle Tage gehn leidlich durch. Mei-
ne Frau u: Kinder sind in St Gallen.
Ich bin gesund.


Lenz ist mit Kayser auf den Gotthard.
Sie versinken schier. Ich thue izt eine al-
te Schuld ab – Zusätze zun Außichten. | 2 |
Grüß mir Herdern, mit dem ich heüt im
Geiste nahe war. Ich las' seinen ersten
Brief an mich.


Kaufmann hat Hamann, den keine Seele
kennt, erkannt. Etwa auch einmal un-
mittelbar, oder durch jemand ein
Wörtchen – Lieber Zimmermann! an
den treüen – daß mir eine Last abfal-
le.


Adieü – Lieber!


Verzeihe, daß ich dich pro
stituirte – doch hoff' ich – siehst du auf
den Grund
Die B. sah' ich wenig. Sie ist sonst brav.

   
    J.C.L.


S:  Zentralbibliothek Zürich  D:  GL Nr. 57  B : -  A : -  V:  Abschrift 

Beileid zum Tod von G.s Schwester. - Demnächst erhalte G. die Büste [...] für Louise. - J. M. R. Lenz sei mit Kayser auf dem Sankt Gotthard. - L. arbeite an den Zusätzen für den 4. Band der "Aussichten in die Ewigkeit". - J. C. Kaufmann habe J. G. Hamann, den keine Seele kennt, erkannt. - Gruß an Herder. - Erwähnung J. G. Zimmermanns und B. Schultheß'.

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Lieber Goethe!

  Ach! deine Schwester, ach! Aussprechℓ kann ich's nicht; ich darf's Pfenningern nicht sagen – ist hingegangen, wohin? Sag mir's? Ach Goethe, was ist Leben? was ist sterben? Ich kann's nicht faßen, nicht tragen! Ach, auch bald wieder ein Wort aus deinem Herzen.

 Heüt, oder Morgen geht die Büste an dich für Louise ab. Ich habe keine Freüde an nichts, an keiner Vollendung, u: doch alle Tage gehn leidlich durch. Meine Frau u: Kinder sind in St Gallen. Ich bin gesund.

 Lenz ist mit Kayser auf den Gotthard. Sie versinken schier. Ich thue izt eine alte Schuld ab – Zusätze zun Außichten.| 2 | Grüß mir Herdern, mit dem ich heüt im Geiste nahe war. Ich las' seinen ersten Brief an mich.

 Kaufmann hat Hamann, den keine Seele kennt, erkannt. Etwa auch einmal unmittelbar, oder durch jemand ein Wörtchen – Lieber Zimmermann! an den treüen – daß mir eine Last abfalle.

Adieü – Lieber! Verzeihe, daß ich dich pro stituirte – doch hoff' ich – siehst du auf den Grund – Die B. sah' ich wenig. Sie ist sonst brav.     J.C.L.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 79, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0079_00087.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 79.

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