Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 187
Von Friedrich Heinrich Jacobi

13. Juni 1784, Pempelfort

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Der Zank ist am Ende, lieber G,
ich verschiebe meine Reise
bis ins nächste Frühjahr.

Wenn es möglich gewesen wäre,
daß ich mir nur hätte weiß
machen können, was ich wünschte
wäre mir geheißen, so hatt' ich
mir es sicher weis gemacht.
Ich habe darauf gewartet,
wie auf eine Offenbahrung –
thörigt genug; ach, wie ich
es immer war, u, leider immer
bleiben werde. Indem ich
aber diesmahl den Umständen
nachgebe, da es mir zu klar
vor Augen liegt, daß mir die
niedrigste Gattung von Un-
behagen allen Genuß verderben,| 2 |
u eine Progreßion
von Reue u v Ärger
an mir selbst, mir an der Ferse hangen würde
, wenn ich ihnen Ge-
walt anthäte: so sehe ich dagegen auch
kein nur etwas wahr-
scheinliches Hinderniß, das
mich aufhalten könnte, künf-
tiges Jahr mit den ersten
Frühlingswinden zu dir zu
fliegen, u in Friede bey
dir zu seyn. Ich besuche
dann zugleich auch Hamburg, oder vielmehr Wandsbeck
noch einmahl. Claudius
bittet mich in seinem
jüngsten Briefe, dich von
ihm zu grüßen.


   Mein Befinden ist dℓ ver-
gangenen Monath durch ganz
leidlich geblieben; in diesem
aber hab' ich immer fort ge-
krankelt, bekam| 3 |
vor einigen Tagen wieder arge
Schmerzen in
den Knochen meiner
östlichen Hemisphäre. Die
vergangene Nacht hat es
angefangen sich zu beßern;
u so hoffe ich diese Woche
unfehlbar Herdern zu
schreiben, u ihm für seine
Ideen zu danken, die mir
große Freude machen.


   Die Stolberge wollten
um diese Zeit zu Weimar
seyn. Wenn du bey ihnen
bist, so grüße sie v mir,
u entschuldige mich, daß
ich ô schreibe.


   Du wirst das eckelhafte
Portrait v mir im 2​ten Theil
der französischen Ph gesehen
haben. Es ist doch arg, daß | 4 |
man es leiden
muß, so abscheulich gewech-
selbalgt zu werden.



   


S:  GSA 51/II,2 St. 27  D:  JacobiI 3, Nr. 1045  B : 1784 Mai 29 (WA IV 6, Nr. 1937)  A : an J. G. und K. Herder, 1784 Juni 20 (WA IV 6, Nr. 1950)  V:  Konzept 

J. verschiebe, den Umständen nachgebend, die Reise nach Weimar auf das Frühjahr 1785. Dann werde er auch M. Claudius, der G. grüßen lasse, in Wandsbek besuchen. - Falls sich J.s Gesundheitszustand nicht wieder verschlechtere, werde er an Herder schreiben, dessen ,Ideen' ("Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit", 1784-91) ihm große Freude machten. - Grüße an C. und F. L. zu Stolberg-Stolberg.

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 Der Zank ist am Ende, lieber G, ich verschiebe meine Reise bis ins nächste Frühjahr.  Wenn es möglich gewesen wäre, daß ich mir nur hätte weiß machen können, was ich wünschte wäre mir geheißen, so hatt' ich mir es sicher weis gemacht. Ich habe darauf gewartet, wie auf eine Offenbahrung – thörigt genug; ach, wie ich es immer war, u, leider immer bleiben werde. Indem ich aber diesmahl den Umständen nachgebe, da es mir zu klar vor Augen liegt, daß mir die niedrigste Gattung von Unbehagen allen Genuß verderben,| 2 | u eine Progreßion von Reue u v Ärger an mir selbst, mir an der Ferse hangen würde , wenn ich ihnen Gewalt anthäte: so sehe ich dagegen auch kein nur etwas wahrscheinliches Hinderniß, das mich aufhalten könnte, künftiges Jahr mit den ersten Frühlingswinden zu dir zu fliegen, u in Friede bey dir zu seyn. Ich besuche dann zugleich auch Hamburg, oder vielmehr Wandsbeck noch einmahl. Claudius bittet mich in seinem jüngsten Briefe, dich von ihm zu grüßen.

  Mein Befinden ist dℓ vergangenen Monath durch ganz leidlich geblieben; in diesem aber hab' ich immer fort gekrankelt, bekam| 3 | vor einigen Tagen wieder arge Schmerzen in den Knochen meiner östlichen Hemisphäre. Die vergangene Nacht hat es angefangen sich zu beßern; u so hoffe ich diese Woche unfehlbar Herdern zu schreiben, u ihm für seine Ideen zu danken, die mir große Freude machen.

  Die Stolberge wollten um diese Zeit zu Weimar seyn. Wenn du bey ihnen bist, so grüße sie v mir, u entschuldige mich, daß ich ô schreibe.

  Du wirst das eckelhafte Portrait v mir im 2​ten Theil der französischen Ph gesehen haben. Es ist doch arg, daß| 4 | man es leiden muß, so abscheulich gewechselbalgt zu werden.

   

 

 
 

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Online-Edition:
RA 1, Nr. 187, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0187_00216.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 187.

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