BuG: BuG I, A 166
Straßburg vor 6. 8. 1771

Dichtung und Wahrheit XI (WA I 28, 43)

Straßburg vor 6. 8. 1771

Ich überreichte nun meine Hefte der Facultät, und diese betrug sich glücklicherweise so klug als artig. Der Decan [J. F. Ehrlen], ein lebhafter gescheidter Mann, fing mit vielen Lobeserhebungen meiner Arbeit an, ging dann zum Bedenklichen derselben über, welches er nach und nach in ein Gefährliches zu verwandeln wußte und damit schloß, daß es nicht räthlich sein möchte, diese Arbeit als akademische Dissertation bekannt zu machen. Der Aspirant habe sich der Facultät als einen denkenden jungen Mann gezeigt, von dem sie das Beste hoffen dürfe; sie wolle mich gern, um die Sache nicht aufzuhalten, über Theses disputiren lassen. Ich könne ja in der Folge meine Abhandlung, wie sie vorliege oder weiter ausgearbeitet, lateinisch oder in einer andern Sprache herausgeben; dieß würde mir, als einem Privatmann und Protestanten, überall leicht werden, und ich hätte mich des Beifalls um desto reiner und allgemeiner alsdann zu erfreuen. Kaum verbarg ich dem guten Manne, welchen Stein mir sein Zureden vom Herzen wälzte; bei jedem neuen Argument das er vorbrachte, um mich durch seine Weigerung nicht zu betrüben oder zu erzürnen, ward es mir immer leichter im Gemüth, und ihm zuletzt auch, als ich ganz unerwartet seinen Gründen nichts entgegensetzte, sie vielmehr höchst einleuchtend fand und versprach, mich in allem nach seinem Rath und nach seiner Anleitung zu benehmen.

E. Stöber an F. D. Ring 4./5. 7. 1772 (GJb 2, 427)

B2 27b

Straßburg vor 6. 8. 1771

D. Hr. Göthe hat eine Role hier gespielt, die ihn als einen überwitzigen Halbgelehrten und als einen wahnsinnigen Religions-Verächter nicht eben nur verdächtig, sondern ziemlich bekannt gemacht. Er muss wie man fast durchgängig von ihm glaubt, in seinem Obergebäude einen Sparren zuviel oder zu wenig haben. Um davon augenscheinlich überzeugt zu werden, darf man nur seine vorgehabte Inaugural-Dissertation de Legislatoribus lesen, welche selbst die Juristische Facultät ex capite religionis et prudentiae unterdrückt hat; weil sie hier nicht hätte können abgedruckt werden anders, als dass die Professores sich hätten müssen gefallen lassen mit Urtheil und Recht abgesetzt zu werden.

E. Stöber an F. D. Ring 7. 8. 1772 (GJb 2, 427)

B2 27c

Straßburg vor 6. 8. 1771

Was ich Ihnen ... von des Hn. Göthe seiner vorgehabten inaugural-Dissertation gemeldet, das habe aus dem Munde des Hrn. Professor Reisseissen vernommen, welcher damals Decanus Facultatis gewesen. Und, soviel ich mich zu erinnern weiss, hat er mir gesagt, dass dem Candidaten seine ungereimte Arbeit zurückgegeben worden. Sie dörfte wohl bey keiner guten Polizey zum Druck erlaubt oder gelassen werden; wiewohl d. Hr. Autor damit gedrohet.

Dichtung und Wahrheit XI (WA I 28, 44)

Straßburg vor 6. 8. 1771

Ich setzte mich nun wieder mit meinem Repetenten zusammen. Theses wurden ausgewählt und gedruckt.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0166 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0166.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 181 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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