BuG: BuG I, A 75
Leipzig Herbst 1767

Überlieferung der Familie v. Bergmann (Buchholtz S. 13)

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Leipzig Herbst 1767

Goethe, so wird erzählt, habe eines Abends im Schauspielhause Gustav [Bergmann] mit einigen andern jungen Studiengenossen getroffen und, gegen seine Bekannten sich wendend, laut bemerkt: Hier stinkts nach Füchsen! Kaum daß er diese Worte gesprochen, habe ihm Gustav eine Ohrfeige gegeben. Die Folge war eine Mensur, bei der Goethe am Oberarm verwundet wurde. Ergänzt wird diese Darstellung durch die Mitteilung eines alten Schülers und Freundes Gustav Bergmanns, Andreas v. Löwis of Menar: das Duell habe in einer Eifersuchtsanwandlung Goethes bei dem Verkehr Kätchen Schönkopfs mit den Gästen in ihres Vaters Weinstube seinen Grund gehabt. Mehr als dreißig Jahre nach jenem Leipziger Erlebnis schreibt Löwis aus Jena Bergmann [2. 2. 1802], er habe in Weimar Schiller, Wieland, Herder teils gesehen, teils gesprochen. Unter anderm hatte ich Gelegenheit, Goethe an einem Feste, das wir Livländer und Kurländer den Professoren gaben, zu sprechen, und erinnerte mich mit wahrem Vergnügen der Attitüde, in welcher Sie ihn einst in Leipzig hinter der Tür gefunden haben.

An Cornelia Goethe 14. 10. 1767 (WA IV 1, 116)

Leipzig Herbst 1767

Die Woche gehe ich von Hause zu Tische und von Tische nach Hause ... Sonntags gehe ich um 4 Uhr zu Breitkopfs und bleibe biß 8 daselbst. Die ganze Famielie sieht mich gern das weiß ich und deßwegen komme ich auch, und dann wieder nach Hause, und das so in infinitum. Manchmal besuche ich Hermannen, der mich auch ganz lieb hat, so weit es ihm sein Amt zuläßt.

Dichtung und Wahrheit VII (WA I 27, 111)

Leipzig Herbst 1767

So ging es [mit Käthchen] eine Zeit lang noch ganz leidlich. Weil aber dergleichen Verhältnisse, je unschuldiger sie sind, desto weniger Mannichfaltigkeit auf die Dauer gewähren, so ward ich von jener bösen Sucht befallen, die uns verleitet, aus der Quälerei der Geliebten eine Unterhaltung zu schaffen und die Ergebenheit eines Mädchens mit willkürlichen und tyrannischen Grillen zu beherrschen. Die böse Laune über das Mißlingen meiner poetischen Versuche, über die anscheinende Unmöglichkeit hierüber in’s Klare zu kommen, und über alles was mich hie und da sonst kneipen mochte, glaubte ich an ihr auslassen zu dürfen, weil sie mich wirklich von Herzen liebte und was sie nur immer konnte, mir zu Gefallen, that. Durch ungegründete und abgeschmackte Eifersüchteleien verdarb ich mir und ihr die schönsten Tage. Sie ertrug es eine Zeit lang mit unglaublicher Geduld, die ich grausam genug war auf’s äußerste zu treiben. Allein zu meiner Beschämung und Verzweiflung mußte ich endlich bemerken, daß sich ihr Gemüth von mir entfernt habe, und daß ich nun wohl zu den Tollheiten berechtigt sein möchte, die ich mir ohne Noth und Ursache erlaubt hatte. Es gab auch schreckliche Scenen unter uns, bei welchen ich nichts gewann; und nun fühlte ich erst, daß ich sie wirklich liebte und daß ich sie nicht entbehren könne. Meine Leidenschaft wuchs und nahm alle Formen an, deren sie unter solchen Umständen fähig ist; ja zuletzt trat ich in die bisherige Rolle des Mädchens. Alles Mögliche suchte ich hervor, um ihr gefällig zu sein, ihr sogar durch andere Freude zu verschaffen: denn ich konnte mir die Hoffnung, sie wieder zu gewinnen, nicht versagen. Allein es war zu spät! ich hatte sie wirklich verloren, und die Tollheit, mit der ich meinen Fehler an mir selbst rächte, indem ich auf mancherlei unsinnige Weise in meine physische Natur stürmte, um der sittlichen etwas zu Leide zu thun, hat sehr viel zu den körperlichen Übeln beigetragen, unter denen ich einige der besten Jahre meines Lebens verlor; ja ich wäre vielleicht an diesem Verlust völlig zu Grunde gegangen, hätte sich nicht hier das poetische Talent mit seinen Heilkräften besonders hülfreich erwiesen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0075 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0075.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 91 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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