BuG: BuG I, A 16
Frankfurt Sommer/Herbst 1762

Dichtung und Wahrheit IV (WA I 26, 227)

Frankfurt Sommer/Herbst 1762

Schon früher, da ich doch einmal in die Kirche gehen mußte, hatte ich mir die Eintheilung gemerkt, und konnte dann und wann mit ziemlich vollständiger Recitation einer Predigt großthun. Da nun über den neuen Senior [J. J. Plitt] manches für und wider in der Gemeine gesprochen wurde, und viele kein sonderliches Zutrauen in seine angekündigten didaktischen Predigten setzen wollten, so nahm ich mir vor sorgfältiger nachzuschreiben ... Ich war höchst aufmerksam und behend; in dem Augenblick daß er Amen sagte, eilte ich aus der Kirche und wendete ein paar Stunden daran, das was ich auf dem Papier und im Gedächtniß fixirt hatte, eilig zu dictiren, so daß ich die geschriebene Predigt noch vor Tische überreichen konnte. Mein Vater war sehr glorios über dieses Gelingen, und der gute Hausfreund [J. K. Schneider], der eben zu Tische kam, mußte die Freude theilen. Dieser war mir ohnehin höchst günstig, weil ich mir seinen Messias so zu eigen gemacht hatte, daß ich ihm, bei meinen öftern Besuchen, um Siegelabdrücke für meine Wappensammlung zu holen, große Stellen davon vortragen konnte, so daß ihm die Thränen in den Augen standen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0016 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0016.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 23 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

Zurück zum Seitenanfang