BuG: BuG I, A 213
Frankfurt 22. 9. 1772

J. Chr. Kestner, Tagebuch 22. 9. 1772 (Berend1 S. 104)

Frankfurt 22. 9. 1772

Um 4 Uhr ging ich zu Schlosser, und siehe da Göthe und Merck waren da. Es war mir eine unbeschreibliche Freude; er fiel mir um den Hals und erdrückte mich fast. Nun ward mir meine Reise hierher erst wichtig. Wir gingen auf den Römer, wo die Mercken, nebst dem Dlle Goethe, auch war. Wir gingen vors Thor auf dem Walle p. spatzieren. Unvermuthet begegnete uns ein Frauenzimmer. Wie sie den Goethe sah, leuchtete ihr die Freude aus dem Gesicht, plötzlich lief sie auf ihn zu, und in seine Arme. Sie küßten sich herzlich; es war die Schwester der Antoinette [Katharina Gerock]. Die Zeit ging untern Spatzierengehen und sprechen, bald der Mercken, bald dem Merck, bald dem Göthe, unvermerckt hin. Wir gingen in Goethes Haus; die Mutter war nur zu Haus und empfing uns, auch mich auf das bey ihr alles geltende Wort des Sohnes. Der Vater bald hernach, damit war es eben so; ich unterhielt mich mit ihm. Die Frauenzimmer entfernten sich zum Auskleiden. Der Merck proponirte die Dlle spielen zu hören. Wir fanden sie oben am Clavier. Sie spielt vortreflich, ausserordentlich fertig. – Nach einer Pause bat sie, die Lottchen doch hieher zu bringen, recht inständig bat sie und äuserte, daß sie sie schon in der Ferne sehr lieb hätte. – Um 8 Uhr gingen der H[of]Rath Schlosser und ich nach Haus.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0213 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0213.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 223 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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