BuG: BuG I, A 160
Straßburg vor Apr. 1771

Biographische Einzelnheiten: Herder (WA I 36, 254)

Straßburg vor Apr. 1771

Herder war ... mehr von dialektischem als constructivem Geiste. Daher der beständige ἕτερος λόγος gegen alles, was man vorbrachte. Ja, er konnte einen bitter auslachen, wenn man etwas mit Überzeugung wiederholte, welches er etwas kurz vorher als seine eigene Meinung gelehrt und mitgetheilt hatte.

Dichtung und Wahrheit X (WA I 27, 319)

Straßburg vor Apr. 1771

Es war nichts natürlicher, als daß ich nach und nach in Mittheilung dessen, was bisher zu meiner Bildung beigetragen, besonders aber solcher Dinge, die mich noch in dem Augenblicke ernstlich beschäftigten, gegen Herdern immer karger und karger ward. Er hatte mir den Spaß an so manchem, was ich früher geliebt, verdorben und mich besonders wegen der Freude, die ich an Ovids Metamorphosen gehabt, auf’s strengste getadelt. Ich mochte meinen Liebling in Schutz nehmen wie ich wollte, ich mochte sagen, daß für eine jugendliche Phantasie nichts erfreulicher sein könne, als in jenen heitern und herrlichen Gegenden mit Göttern und Halbgöttern zu verweilen und ein Zeuge ihres Thuns und ihrer Leidenschaften zu sein; ich mochte jenes oben erwähnte Gutachten eines ernsthaften Mannes [Heyne] umständlich beibringen und solches durch meine eigne Erfahrung bekräftigen: das alles sollte nicht gelten, es sollte sich keine eigentliche unmittelbare Wahrheit in diesen Gedichten finden; hier sei weder Griechenland noch Italien, weder eine Urwelt noch eine gebildete, alles vielmehr sei Nachahmung des schon Dagewesenen und eine manierirte Darstellung, wie sie sich nur von einem Übercultivirten erwarten lasse. Und wenn ich denn zuletzt behaupten wollte: was ein vorzügliches Individuum hervorbringe, sei doch auch Natur, und unter allen Völkern, frühern und spätem, sei doch immer nur der Dichter Dichter gewesen, so wurde mir dieß nun gar nicht gut gehalten, und ich mußte manches deßwegen ausstehen, ja mein Ovid war mir beinah dadurch verleidet.

Herder an Caroline Flachsland 21. 3. 1772 (SchrGG 41, 68)

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Straßburg vor Apr. 1771

Göthe ist würklich ein guter Mensch, nur äußerst leicht und viel zu leicht, und Spazzenmäßig, worüber er meine ewige Vorwürfe gehabt hat. Er war der Einzige, der mich in Strasb[urg] in meiner Gefangenschaft besuchte und den ich gern sah: auch glaube ich ihm, ohne Lobrednerei, einige gute Eindrücke gegeben zu haben, die einmal würksam werden können ... Von meinem Poetischen Spielwerk hat er (meines Erinnerns) eigentlich schriftlich nichts, als 2 Romanzen, und gehört, glaub ich, nur ein paar oder 3. Stücke.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0160 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0160.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 170 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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