BuG: BuG I, A 40
Frankfurt 1765

Dichtung und Wahrheit VI (WA I 27, 36)

Frankfurt 1765

Durch meine Leichtigkeit zu reimen und gemeinen Gegenständen eine poetische Seite abzugewinnen, hatte er [J. A. Horn] sich gleichfalls zu solchen Arbeiten verführen lassen. Unsere kleinen geselligen Reisen, Lustpartien und die dabei vorkommenden Zufälligkeiten stutzten wir poetisch auf, und so entstand durch die Schilderung einer Begebenheit immer eine neue Begebenheit. Weil aber gewöhnlich dergleichen gesellige Scherze auf Verspottung hinauslaufen, und mein Freund Horn mit seinen burlesken Darstellungen nicht immer in den gehörigen Gränzen blieb, so gab es manchmal Verdruß, der aber bald wieder gemildert und getilgt werden konnte.

J. A. Horn, Abschiedsrede 8. 9. 1765 (Pallmann S. 99)

Frankfurt 1765

  Herr G[oethe] und Herr M[oors]   Euch zweyen, danke ich im Namen dieser allen.   Ihr habt uns öfters hier im Reden wohlgefallen.   Wie öfters machte euer sowohl beredter Mund,   Zu unsrer grösten Freude, uns eine Rede kund.   Wir danken vor die Müh’ die ihr euch oft gegeben.   Durch Reden mancher Art den Geist uns zu beleben.

An Cornelia Goethe 14. 3. 1766 (WA IV 1, 41)

Frankfurt 1765

Parlons quelques mots de Mdlle Brevilliers! ... Tu scais elle a etè toujours de mes amies, tu scais je l’ai tant admirè, pour me faire un honneur de ce qu’elle disoit: que nos sentiments se ressembloit fort. Son charactere qui s’est developpè a mes yeux, pendant notre connaissance, que j’ai trouvè aimable; ses autres bonnes qualites; les promesses qu’elle me fit, lorsque je laissois ma patrie, de t’aimer toujours, et de te faire entrer dans la grande compagnie; toutes ces circonstances m’ont empechè, de croire tes plaintes bien fondèes, dont tu reprochois sa condouite envers toi; et je me rejouis que je ne me sois pas trompè dans la bonne opinion que j’avois d’elle. Tu vois par sa presente condouite, que c’est toujours la meme Mdlle Breviller que nous admirions tant.

Dichtung und Wahrheit I (WA I 26, 47)

Frankfurt 1765

Sehr bald erklärte er [mein Vater], daß ich in Leipzig, für welches er eine große Vorliebe behalten, gleichfalls Jura studiren, alsdann noch eine andre Universität besuchen und promoviren sollte. Was diese zweite betraf, war es ihm gleichgültig, welche ich wählen würde; nur gegen Göttingen hatte er, ich weiß nicht warum, einige Abneigung, zu meinem Leidwesen: denn ich hatte gerade auf diese viel Zutrauen und große Hoffnungen gesetzt.

Ferner erzählte er mir, daß ich nach Wetzlar und Regensburg, nicht weniger nach Wien und von da nach Italien gehen sollte; ob er gleich wiederholt behauptete, man müsse Paris voraus sehen, weil man aus Italien kommend sich an nichts mehr ergötze.

Dieses Mährchen meines künftigen Jugendganges ließ ich mir gern wiederholen, besonders da es in eine Erzählung von Italien und zuletzt in eine Beschreibung von Neapel auslief. Sein sonstiger Ernst und seine Trockenheit schienen sich jederzeit aufzulösen und zu beleben, und so erzeugte sich in uns Kindern der leidenschaftliche Wunsch, auch dieser Paradiese theilhaft zu werden.

Dichtung und Wahrheit VI (WA I 27, 41)

Frankfurt 1765

Ich warf in Gedanken die juristischen Studien weg und widmete mich allein den Sprachen, den Alterthümern, der Geschichte und allem was daraus hervorquillt ...

Bei diesen Gesinnungen hatte ich immer Göttingen im Auge. Auf Männern, wie Heyne, Michaelis und so manchem andern ruhte mein ganzes Vertrauen; mein sehnlichster Wunsch war, zu ihren Füßen zu sitzen und auf ihre Lehren zu merken. Aber mein Vater blieb unbeweglich. Was auch einige Hausfreunde, die meiner Meinung waren, auf ihn zu wirken suchten: er bestand darauf, daß ich nach Leipzig gehen müsse. Nun hielt ich den Entschluß, daß ich, gegen seine Gesinnungen und Willen, eine eigne Studien- und Lebensweise ergreifen wollte, erst recht für Nothwehr. Die Hartnäckigkeit meines Vaters, der, ohne es zu wissen, sich meinen Planen entgegensetzte, bestärkte mich in meiner Impietät, daß ich mir gar kein Gewissen daraus machte, ihm Stunden lang zuzuhören, wenn er mir den Cursus der Studien und des Lebens, wie ich ihn auf Akademien und in der Welt zu durchlaufen hätte, vorerzählte und wiederholte.

Da mir alle Hoffnung nach Göttingen abgeschnitten war, wendete ich nun meinen Blick nach Leipzig ... Ich ersann mir im Stillen einen Gegencursus ...

So sehr ich auch gegen jedermann von diesen meinen Vorsätzen ein Geheimniß machte, so konnte ich sie doch meiner Schwester nicht verbergen, die, nachdem sie anfangs darüber sehr erschrocken war, sich zuletzt beruhigte, als ich ihr versprach sie nachzuholen, damit sie sich meines erworbenen glänzenden Zustandes mit mir erfreuen und an meinem Wohlbehagen Theil nehmen könnte.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0040 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0040.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 59 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

Zurück zum Seitenanfang