BuG: BuG I, A 548
Weimar 1. Hälfte März 1776

Charlotte v. Stein an J. G. Zimmermann 8. 3. 1776 (Petersen2 1 II S. 531)

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Weimar 1. Hälfte März 1776

Ich solte gestern mit der Herzogin Mutter zum Wieland gehn, weil ich aber furchte Goethen da zu finden that ichs nicht. Ich habe erstaunlich viel auf meinen Hertzen daß ich den Unmenschen sagen muß. Es ist nicht möglich mit seinen Betragen kömt er nicht durch die Welt; Wenn unßer sanffter Sittenlehrer gekreutzget wurde, so wird dieser bittere zerhackt. Warum sein beständiges pasquilliren, es sind ja alles Geschöpffe des grosen Wesens das duldet sie ja, und nun sein unanständges betragen mit Fluchen mit pöbelhafften niedern Ausdrücken. Auf sein moralisches so bald es aufs Handeln ankomt, wirds vielleicht keinen Einfluß haben, aber er verdirbt andre; der Herzog hat sich wunderbahr geändert, gestern war er bey mir behaubtete daß alle Leute mit Anstand mit Manieren nicht den Namen eines ehrlichen Mannes tragen könten, wohl gab ich ihn zu daß mann in den rauhen Wesen offt den ehrlichen Mann fände aber doch wohl eben so offt in den gesitteten; daher er auch niemanden mehr leiden mag der nicht etwas ungeschliffnes an sich hat. Das ist nun alles von Goethen von den Menschen der von tausende Kopff, und Hertz hat, der alle Sachen so klar ohne Vorurtheile sieht so bald er nur will der über alles kan Herr werden was er will. Ich fühls Goethe und ich werden niemahls Freunde; auch seine Art mit unßern Geschlecht umzugehn gefält mir nicht er ist eigendlich was man coquet nent es ist nicht Achtung genug in seinen Umgang.

Zerreißen Sie meinen Brief, es ist mir als wenn ich eine Undankbarkeit gegen Goethen damit begangen hätte, aber um keine Falschheit zu begehn wil ichs ihm alles sagen sobald ich nur Gelegenheit finde.

J. A. v. Kalb an J. C. und Elisabeth Goethe 16. 3. 1776 (Keil1 S. 51)

Weimar 1. Hälfte März 1776

Die wechselseitige Neigung des Herzogs gegen Ihren vortreflichen Sohn, das ohnumschränckte Vertrauen so er in ihm setzt, macht es beyden ohnmöglich sich von einander zu trennen.

Nie würde Er darauf verfallen seyn meinen Göthe eine andere Stelle einem andern Charackter alß denn von Seinem Freunde anzutragen, der Herzog weiß zu gut, daß alle andere unter seinem Werthe sind, wenn nicht die hergebrachte Formen solches nöthig machten.

Mit Beybehaltung Seiner gänzlichen Freyheit der Freyheit Urlaub zu nehmen, die Dienste ganz zu verlassen wann Er will, wird unser junger edler Fürst in der Voraussetzung daß Sie unfähig sind Ihre Einwilligung dazu zu versagen, Ihren Sohn unter dem Titel eines Geheimden Legations Raths und mit einem Gehalt von 1200 rthlr. in Sein Ministerium ziehen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0548 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0548.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 410 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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