BuG: BuG I, A 273
Frankfurt 22. 1. 1774

An Betty Jacobi Anf. Febr. 1774 (WA IV 2, 144)

Frankfurt 22. 1. 1774

Vor 10 Tagen ohngefähr waren unsre Damen hinausgefahren unsren Pantomimischen Tanz mit anzusehen. Da haben wir uns prästirt.

Bettina Brentano an Goethe 28. 11. 1810 (Bergemann S. 330)

B2 81

Frankfurt 22. 1. (?) 1774

An einem hellen Wintertag, an dem Deine Mutter Gäste hatte, machtest Du ihr den Vorschlag, mit den Fremden an den Mein zu fahren: „Mutter, sie hat mich ja doch noch nicht Schlittschue laufen sehen, und das Wetter ist heut so schön pp – Ich [Elisabeth Goethe] zog meinen karmesinrothen Pelz an, der einen langen Schlepp hatte und vorn herunter mit goldnen Spangen zugemacht war, und so fahren wir denn hinaus: da schleift mein Sohn herum wie ein Pfeil zwischen den andern durch, die Luft hatte ihm die Backen roht gemacht und der Puder war aus seinen braunen Haaren geflogen; wie er nun den karmesinrothen Pelz sieht, kommt er herbei an die Kutsch und lacht mich ganz freundlich an. – nun was willst Du? sag ich. Ey Mutter, Sie hat ja doch nicht kalt im Wagen, geb Sie mir ihren Sammetrock! – Du wirst ihn doch nit gar anziehen wollen? – freilich will ich ihn anziehen. ich zieh halt meinen prächtig warmen Rock aus, er zieht ihn an, schlägt die Schleppe über den Arm, und da fährt er hin, wie ein Göttersohn auf dem Eiß ... So was schönes giebts nicht mehr. – ich klatschte in die Hände vor Lust! mein Lebtag seh ich noch, wie er dem einen Brückenbogen hinaus und dem andern wieder herein lief, und wie da der Wind ihm den Schlepp lang hinten nach trug. damals war Deine Mutter [Maximiliane Brentano] mit auf dem Eiß, der wollte er gefallen.

Dichtung und Wahrheit XVI (WA I 29, 21)

Frankfurt 22. 1. (?) 1774

Ein sehr harter Winter hatte den Main völlig mit Eis bedeckt und in einen festen Boden verwandelt. Der lebhafteste, nothwendige und lustig-gesellige Verkehr regte sich auf dem Eise. Gränzenlose Schrittschuhbahnen, glattgefrorne weite Flächen wimmelten von bewegter Versammlung. Ich fehlte nicht vom frühen Morgen an und war also, wie späterhin meine Mutter, dem Schauspiel zuzusehen, angefahren kam, als leichtgekleidet wirklich durchgefroren. Sie saß im Wagen in ihrem rothen Sammetpelze, der auf der Brust mit starken goldenen Schnüren und Quasten zusammengehalten, ganz stattlich aussah. Geben Sie mir, liebe Mutter, Ihren Pelz! rief ich aus dem Stegreife, ohne mich weiter besonnen zu haben, mich friert grimmig. Auch sie bedachte nichts weiter; im Augenblicke hatte ich den Pelz an, der, purpurfarb, bis an die Waden reichend, mit Zobel verbrämt, mit Gold geschmückt, zu der braunen Pelzmütze die ich trug, gar nicht übel kleidete. So fuhr ich sorglos auf und ab; auch war das Gedränge so groß, daß man die seltene Erscheinung nicht einmal sonderlich bemerkte, obschon einigermaßen: denn man rechnete mir sie später unter meinen Anomalien im Ernst und Scherze wohl einmal wieder vor.

Sophie v. La Roche, Rosaliens Briefe 2, 231

Frankfurt 22. 1. (?) 1774

Wir mußten ein gutes Stück vor die Stadt hinaus fahren, bis wir endlich an der Landstrasse still hielten und lang an einer Mauer über gefrornen Boden gingen. Am Ende folgten wir einem kleinen Wiesengraben, woran Weiden stehen, und hörten auf einmal Musik und lautes Rufen. Zugleich flogen über zehn Eislaufer gegen uns, die uns dann die Hand boten, über den Graben zu kommen und uns auf den zubereiteten Platz zu der übrigen Gesellschaft zu setzen. – Eine Reihe Bänke mit Tuch belegt, und Diehlen auf dem Boden die Füsse vor der Kälte zu schützen; ganz kleine Tischgen, immer drey Fuß breit von einander, mit Servietten gedeckt, worauf dann Chocolade, Kaffe, kleine warme Pastetgen, Confect und fremde Weine, Schinken und Braten gesetzt und angeboten wurde. – Der Schauplatz war auserlesen. Eine, viel Morgen Lands fassende Wiese, auf welche der noch fliessende Bach etliche Tage lang ausgetreten war, und dieses, einen halben Schuh tiefe Wasser zu einem festen, glatten Spiegel gefroren; – das ganze Stück auf zwey Seiten mit Weiden besetzt, die dritte, eine weite Aussicht, wo verschiedne Gärten und Lusthäuser stehen, – und oben an der Ecke, die uns am nächsten war, ein Busch Ulmen, hinter denen ein schöner Bauerhof, mit seinem neuen Ziegeldach, die Scene um so viel einnahmender machte. Der Himmel heiter, nicht der geringste Wind und für Jennertage Sonne genug. – Bey den kühnen Schlittschuhläufern waren die Söhne der angesehensten Familien, junge Engländer, Offiziere – und einer der seltensten und vortrefflichsten Köpfe Deutschlands; alle in kurzen Pelzröcken, und runden, ihnen recht passenden Kappenhüthen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0273 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0273.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 243 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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