BuG: BuG I, A 92
Dresden Ende Febr./Anf. März 1768

Dichtung und Wahrheit VIII (WA I 27, 172)

Dresden Ende Febr./Anf. März 1768

Da man auch mit Fremden und Unbekannten solche Werke nicht stumm und ohne wechselseitige Theilnahme betrachten kann, ihr Anblick vielmehr am ersten geeignet ist, die Gemüther gegen einander zu eröffnen, so kam ich auch daselbst mit einem jungen Manne in’s Gespräch, der sich in Dresden aufzuhalten und einer Legation anzugehören schien. Er lud mich ein, Abends in einen Gasthof zu kommen, wo sich eine muntere Gesellschaft versammle, und wo man, indem jeder eine mäßige Zeche bezahle, einige ganz vergnügte Stunden zubringen könne.

Ich fand mich ein, ohne die Gesellschaft anzutreffen, und der Kellner setzte mich einigermaßen in Verwunderung, als er mir von dem Herrn, der mich bestellt, ein Compliment ausrichtete, wodurch dieser eine Entschuldigung, daß er etwas später kommen werde, an mich gelangen ließ, mit dem Zusatze, ich sollte mich an nichts stoßen was vorgehe, auch werde ich nichts weiter als meine eigne Zeche zu bezahlen haben. Ich wußte nicht, was ich aus diesen Worten machen sollte, aber die Spinneweben meines Vaters fielen mir ein, und ich faßte mich, um zu erwarten, was da kommen möchte. Die Gesellschaft versammelte sich, mein Bekannter stellte mich vor und ich durfte nicht lange aufmerken, so fand ich, daß es auf Mystifikation eines jungen Menschen hinausgehe, der als ein Neuling sich durch ein vorlautes anmaßliches Wesen auszeichnete: ich nahm mich daher gar sehr in Acht, daß man nicht etwa Lust finden möchte, mich zu seinem Gefährten auszuersehen. Bei Tische ward jene Absicht jedermann deutlicher, nur nicht ihm. Man zechte immer stärker, und als man zuletzt seiner Geliebten zu Ehren gleichfalls ein Vivat angestimmt, so schwur jeder hoch und theuer, aus diesen Gläsern dürfe nun weiter kein Trunk geschehen; man warf sie hinter sich, und dieß war das Signal zu weit größeren Thorheiten. Endlich entzog ich mich ganz sachte, und der Kellner, indem er mir eine sehr billige Zeche abforderte, ersuchte mich wiederzukommen, da es nicht alle Abende so bunt hergehe. Ich hatte weit in mein Quartier, und es war nah an Mitternacht als ich es erreichte.

Dichtung und Wahrheit VIII (WA I 27, 175)

Dresden Ende Febr./Anf. März 1768

Durch die Vermittlung jenes jungen Mannes, der sich wieder bei mir in einigen Credit zu setzen wünschte, ward ich dem Director von Hagedorn vorgestellt, der mir seine Sammlung mit großer Güte vorwies, und sich an dem Enthusiasmus des jungen Kunstfreundes höchlich ergötzte. Er war, wie es einem Kenner geziemt, in die Bilder, die er besaß, ganz eigentlich verliebt, und fand daher selten an andern eine Theilnahme, wie er sie wünschte. Besonders machte es ihm Freude, daß mir ein Bild von Schwanefeld ganz übermäßig gefiel, daß ich dasselbe in jedem einzelnen Theile zu preisen und zu erheben nicht müde ward: denn gerade Landschaften, die mich an den schönen heiteren Himmel, unter welchem ich herangewachsen, wieder erinnerten, die Pflanzenfülle jener Gegenden, und was sonst für Gunst ein wärmeres Klima den Menschen gewährt, rührten mich in der Nachbildung am meisten, indem sie eine sehnsüchtige Erinnerung in mir aufregten.

An Behrisch März 1768 (WA IV 1, 156)

Dresden Ende Febr./Anf. März 1768

Ein schönes Compliment vom Docktor deinem Bruder, und vom Prinzen dem kleinen ... ich binn in Dreßden gewesen, auf zwölf Tage, die Gallerie zu sehen ... Deine Brüder sind wohl, und haben mich wohl bewirthet ... Viel Mühe und Jammer kostete es mich Augusten auszufragen, und nach vieler Mühe erfuhr ich daß sie fort war, das war dumm.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0092 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0092.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 100 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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