Goethes Briefe: GB 2, Nr. 103
An Johanna Fahlmer

〈Frankfurt a. M. , etwa Mitte März? 1774〉 → 〈Düsseldorf〉


Nun zum teufel Täntgen was soll das! Nach Lottes Aussage kommen Sie Ende März her, und dem Major domus nicht zu schreiben, keine Ordre für den Tapezier, Speisemeister pp. Verlassen Sie Sich ​ 1 etwa drauf dass Sie die Iris im Lohn haben, und dencken das soll nun alles flincker gehn. Nani. Ein schön Kammermädge hat immer so viel eigne Angelegenheiten, dass pp. Wenn Sie recht artig wären so sollten Sie eine schöne glattgestrichne Eipistel ansenden, worinn, dero sonderbaar aufschwellende hoffnungen / nach dem heiligen Pfarrturn, dem Akazia Baum, und dem Fischerfeld mit Poetischen Lackfarben zur Seelenweide solcher Gemüther aufgemahlt wären, die auch ein bissgen gern sich in andern Bespiegeln . . . . . .

Nun dann ​ 2 das wärs was mir so eben auf dem herzen lag, und weiter fürdiesmal nichts als 〈vgl. Faksimile〉 / einen schönen Grus an die liebe Frau, ferner 〈vgl. Faksimile〉 eine solche Art Burzelbäume der Freundschafft an Lotten. /

und dann zulezt die wahre Monogrammatische Unterschrifft dero Ergebnen dieners

  1. s ​Sich​ ↑
  2. de ​ann​ ↑

Vgl. Datierung zu Nr 97 .

H: Privatbesitz, Deutschland. – Doppelblatt 11,4 × 19,2(–19,4) cm, 4 S. beschr., egh., Tinte; S. 2–4 egh. Zeichnungen, S. 4 Monogramm; S. 1 oben links von Johanna Fahlmers Hd: „N ​ro  9“ (vgl. die erste Erläuterung zu 46,5 ). – Faksimiles: Abb. 2–3 (S. 80–81); Goethe-Fahlmer, zwischen 50 und 51; DjG​2 4, zwischen 8 und 9; Ludwig Münz: Goethes Zeichnungen und Radierungen. Hrsg. im Auftrage der österreichischen Bundesregierung. Wien 1949, zwischen S. 32 und 33; DjG​3 4, 325 f. (S. 3–4 der Handschrift); Corpus VIb, Nr 20 (S. 3–4 der Handschrift).

E: Goethe-Fahlmer (1875), 50 f., Nr 10.

WA IV 2 (1887), 148 f., Nr 209 (nach E).

Ein Bezugsbrief Johanna Fahlmers ist nicht bekannt; vgl. Datierung zu Nr 97 . Der Brief bezieht sich aber möglicherweise auf einen nicht überlieferten Brief Charlotte Jacobis (vgl. zu 79,25 ). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt.

Nach Lottes Aussage] Ein entsprechender Brief Charlotte Jacobis ist nicht überliefert; es könnte sich um deren Brief vom 8. März 1774 handeln, mit dem sie Nr 92 beantwortet hatte (vgl. Überlieferung zu Nr 92 und Datierung zu Nr 97 ).

kommen Sie Ende März her] Johanna Fahlmer hielt sich seit September 1773 in Düsseldorf auf.

Major domus] Lat.: Titel oberster Hofbeamter, Oberhaushofmeister. Goethe legt sich den Titel hier scherzhaft selbst zu.

Iris] Anspielung auf die von Johann Georg Jacobi geplante Zeitschrift „Iris“, die den Namen der geflügelten Götterbotin in der griechischen Mythologie trägt, welche Aufträge und Befehle der Götter überbringt: „Dabey ist sie in allen so angeschickt, daß sie jederzeit fertig seyn kann, den ihr aufgetragenen Befehl auszurichten.“ (Hederich, 1372.)

Nani.] Ob es sich um einen weiblichen Eigennamen handelt, wie in DjG​3 4, 324 (ebenso FA/Goethe II 1, 857) unter Hinweis auf „das ‚schön Kammermädge‘ im folgenden Satz“ vermutet wird, erscheint fraglich. Es könnte sich auch um einen scherzhaften Ausdruck für ‚Nein‘ oder um eine andere Interjektion handeln. Der Umstand, dass Goethe es lateinisch geschrieben hat, deutet auf eine fremdsprachige Herkunft.

Ein schön Kammermädge] Vermutlich mit Bezug zu der im vorhergehenden Satz erwähnten Iris ( 79,28 ): ‚Sie haben zwar die schnelle Iris in Lohn (als Angestellte) und glauben, mit deren Hilfe die Einrichtung Ihrer Wohnung (in Frankfurt) rasch bewerkstelligen zu können, aber Ihre Erwartung könnte getäuscht werden: Ein schönes Kammermädchen (wie die Iris) hat so viel eigene Angelegenheiten zu erledigen, dass es die ihr aufgetragene Arbeit nicht so schnell erledigen könnte.‘

glattgestrichne] Glattgestrichen: „bildhaft, in Anknüpfung an die Sendschreiben des MA auf geglättetem Pergament“ (GWb 4, 256).

Eipistel] Versehentlich für ‚Epistel‘ (lat.: Brief).

heiligen Pfarrturn] Turm des Frankfurter Doms; vgl. die obere Zeichnung auf S. 4 der Handschrift (Abb. 3, S. 81).

Akazia Baum] Akazie; vielleicht ein Baum in der Nähe von Johanna Fahlmers Wohnung oder ein gemeinsames Ausflugsziel.

Fischerfeld] Damals unbebautes Gelände vor der östlichen Stadtmauer Frankfurts. Vgl. die untere Zeichnung auf S. 4 der Handschrift (Abb. 3, S. 81).

liebe Frau] Elisabeth Jacobi.

Monogrammatische Unterschrifft] Vgl. S. 4 der Handschrift (Abb. 3, S. 81). – Monogramm: verschlungener Anfangsbuchstabe eines Namens.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 103 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR103_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 79–82, Nr 103 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 225–226, Nr 103 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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