Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 14
Von Johann Kaspar Lavater

6. November 1773, Zürich

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Endlich hab' ich Ihr theüres Bild erhalten –
mit zitternder Begierde, diesen Moment,
dℓ 6. Nov: geöfnet, nicht mein Ideal,
aber einen Mann gefunden, neben dem
B. unerträglich wird; – Den Mann, von
dem mir mein Bruder Diethelm seit
ein paar Tagen sagte, daß er in Leipzig
neben ihm bey Ludwig geeßen hatte.
Wie mir bey dieser Nachricht war, muß
der Verfaßer des (hier noch nicht ganz
empfundenen) Götzen wißen. – So
eben tritt mein Bruder in's Zimmer u:
findt Sie ähnlich ...


Ich glaub' es, Die Natur spricht. Nur
die zulange Nase, denn das ist sie gewiß,
mindert den Eindruck der Augen und
der Stirne. Aber welche Naivetät – in
dem Munde.


Laßen Sie mich Ihnen wenigstens die | 2 |
Hand küßen. Ich bin unaussprechlich
froh, daß Ihr Gesicht so ganz anders ist,
als B., u: daß Sie viel mehr Stille und
Ruhe bei dieser Heiterkeit u: diesem Le-
ben haben, als ich hoffen dürfte. Ich weiß
nicht, warum Stern's Physiognomie
mir immer beyfiel, wenn ich an Sie dachte.
Mehr u: weniger kann ich Ihnen für Ihr
Bild dießmal nicht geben, als daß Biß-
chen Wahrheit in der beygelegten Linie
von

   

Lav:
   


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Dank für G.s Porträt (von J. D. Bager), daß L.s Bruder Diethelm, der in Leipzig bei C. G. Ludwig neben G. gesessen habe, ähnlich finde. Ich bin unaussprechlich froh, daß Ihr Gesicht so ganz anders ist als dasjenige K. F. Bahrdts (dessen Abbildung L. zunächst anstelle von G.s Porträt bekommen hatte) und daß Sie vielmehr Stille und Ruhe bey dieser Heiterkeit u. diesem Leben haben, als ich hoffen dürfte. Ich weiß nicht, warum (? L.) Stern's Physiognomie mir immer beyfiel, wenn ich an sie dachte. L. könne G. diesmal nichts anderes geben als das bißchen Wahrheit in der beygelegten Linie.

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 Endlich hab' ich Ihr theüres Bild erhalten – mit zitternder Begierde, diesen Moment, dℓ 6. Nov: geöfnet, nicht mein Ideal, aber einen Mann gefunden, neben dem B. unerträglich wird; – Den Mann, von dem mir mein Bruder Diethelm seit ein paar Tagen sagte, daß er in Leipzig neben ihm bey Ludwig geeßen hatte. Wie mir bey dieser Nachricht war, muß der Verfaßer des (hier noch nicht ganz empfundenen) Götzen wißen. – So eben tritt mein Bruder in's Zimmer u: findt Sie ähnlich ...

 Ich glaub' es, Die Natur spricht. Nur die zulange Nase, denn das ist sie gewiß, mindert den Eindruck der Augen und der Stirne. Aber welche Naivetät – in dem Munde.

 Laßen Sie mich Ihnen wenigstens die| 2 | Hand küßen. Ich bin unaussprechlich froh, daß Ihr Gesicht so ganz anders ist, als B., u: daß Sie viel mehr Stille und Ruhe bei dieser Heiterkeit u: diesem Leben haben, als ich hoffen dürfte. Ich weiß nicht, warum Stern's Physiognomie mir immer beyfiel, wenn ich an Sie dachte. Mehr u: weniger kann ich Ihnen für Ihr Bild dießmal nicht geben, als daß Bißchen Wahrheit in der beygelegten Linie von

   

Lav:  

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 14, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0014_00015.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 14.

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