Goethes Briefe: GB 2, Nr. 35
An Johann Christian Kestner

〈Frankfurt a. M. , etwa 8. Mai 1773〉 → Wetzlar


Merck ist nun fort und Herdern erwart ich und ihr geht auch. Adieu lieben alle. der Wieland ist ein besserer Scribler als besorger, Ich hab noch keine ​Merkurs das argert mich verflucht. Falkens ​Manuschript. Die euch fehlenden ​Anhang alles sollt ihr haben. Wolltet ihr mir wohl ein ​Packgen an Boje mitnehmen wenn ihr auch nicht durch Gottingen Geht. Gott geleit euch. mein Guter Geist hat mir ein Herz gegeben auch das alles zu tragen. Ich binn gelassner als iemals


Die Datierung stützt sich auf die Angabe Merck ist nun fort ( 28,1 ). Merck verließ Darmstadt am 6. Mai. Der nächste Brief an Kestner stammt aus der Zeit zwischen dem 9. und 15. Mai (vgl. Datierung zu Nr 37 ).

H: GSA Weimar, Sign.: 29/264,I,2, Bl. 35–36. – Doppelblatt 17,2 × 20,5(–21) cm, ½ S. beschr., egh., Tinte, flüchtig geschrieben; S. 3 Adresse, Tinte: An Herrn / Herrn Kestner / Legationssekretair / in / Wetzlar; rotes Initialsiegel: „G“; S. 1 oben links von fremder Hd, Bleistift: „1773.“, daneben von fremder Hd erg., Bleistift: „May nach dem 5?“; Bl. 2 in der Mitte rechts zum Öffnen des Siegels ausgeschnitten.

E: Goethe und Werther​1 (1854), 144, Nr 58.

WA IV 2 (1887), 85, Nr 149 (Textkorrektur in den „Berichtigungen“, vgl. WA IV 50 [1912], 207).

Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt.

Merck ist nun fort] Merck war am 6. Mai im Gefolge der Landgräfin Karoline von Hessen-Darmstadt als deren Rechnungsführer nach St. Petersburg aufgebrochen (vgl. zu 25,19 ).

Herdern erwart ich] Herder und seine neuvermählte Frau Caroline machten auf der Reise von Darmstadt nach Bückeburg auch in Frankfurt Station (vgl. HB 11, 453, zu Nr 3). Über den Besuch bei Goethe ist nichts Näheres bekannt (vgl. Haym 1, 564).

ihr geht auch] Nach Hannover (vgl. zu 27,3 ).

der Wieland 〈…〉 keine ​Merkurs] Das Erscheinen des 1. Bandes (1. Quartal 1773) von Wielands „Merkur“, dessen Übersendung Goethe schon in seinem vorigen Brief an Kestner angekündigt hatte (vgl. 27,7 ), verzögerte sich. Die Zeitschrift wurde ab Mitte April 1773 ausgeliefert, allerdings war die 1. Auflage zu niedrig gewesen, so dass nachgedruckt werden musste und sich die Auslieferung noch einmal verzögerte. – Wie ein Brief Wielands an Johann Georg Meusel in Erfurt vom 14. April 1773 belegt, war allgemein mit einem früheren Erscheinen der Zeitschrift gerechnet worden: „Anlangend die Ungeduld der Abbonnenten, welche sich beschweren, daß ich fidem publicam gebrochen habe, so wünsche ich den Herren Augen 〈sic〉 zu sehen, und in meinem Avertissement zu lesen, daß ich ausdrücklich gesagt, wie pro hac prima vice aus besondern Ursachen, der erste Band nicht vor Ostern ausgegeben werden könne.“ (WB 5, 105.) Noch am 10. Mai schrieb Wieland in derselben Angelegenheit an Johannes Müller in Schaffhausen: „Das lange Aussenbleiben des D. Merkurs wird, wie ich besorge, grosses Mißvergnügen erwecken. Die Umstände sind allein daran schuld. Ich ließ anfangs nur 2500 Exemplare drucken und glaubte an diesen noch zuviel zu haben. Nach und nach aber lieffen soviele Bestellungen ein, daß ich eine neue Auflage machen lassen mußte, weil die erste kaum Zureichte die ältern Bestellungen zu befriedigen. Die spätergekommenen mußten also nothwendig um einige Wochen zurückstehen.“ (WB 5, 113.)

Scribler] Von franz. scribe: Schreiber; hier leicht abwertend etwa im Sinne von ,Schreiberling‘. – In dieser Form nur einmal bei Goethe belegt.

besorger] Hier: Herausgeber, Verleger (vgl. GWb 2, 506).

Falkens ​Manuschript.] Manuschript: Manuskript; möglicherweise absichtlich verballhornt oder aus Flüchtigkeit verschrieben (vgl. Überlieferung). – Gemeint ist Ernst Friedrich Falcke, der Sohn von Kestners Wetzlarer Vorgesetztem, der Goethe im Oktober in Frankfurt besucht hatte und häufiger in den Briefen an Kestner erwähnt wird (vgl. auch GB 1 II, zu 239,21 ). Über ein Manuskript Falckes konnte nichts ermittelt werden.

Die euch fehlenden ​Anhang] Gemeint ist der Anhang zum Jahrgang 1772 der FGA (38 Nummern „Rubricae Conclusorum et Sententiarum des Kayserl. Reichshofraths, und Kayserl. und des Reichskammergerichts“), dessen Absendung Goethe bereits am 30. Dezember 1772 angekündigt hatte (vgl. GB 1 II, 253,14 ).

​Packgen an Boje] Die Sendung sollte vermutlich Goethes Beiträge für den von Heinrich Christian Boie mitherausgegebenen Göttinger „Musen Almanach A MDCCLXXIV“ enthalten. – Von Goethe erschienen dort im Herbst 1773 ohne Angabe des Verfassers neben dem „Wandrer“ die Gedichte „Gesang“ (S. 49–53, gezeichnet mit „E. O.“), „Sprache“ (S. 75, gezeichnet mit „H. D.“) und „Der Adler und die Taube“ (S. 109–111, gezeichnet mit „H. D.“; vgl. auch Hagen, 254, Nr 531). – Das Manuskript zu „Der Wandrer“ hatte Boie bereits früher durch Merck erhalten (vgl. zu 29,16–17 ).

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 35 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR035_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 28, Nr 35 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 62–64, Nr 35 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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